us-waffenlieferungen

gefährden us-waffenlieferungen an saudi-arabien den frieden in nahost?

Gefährliches Manöver
von Ruprecht Polenz

Die USA haben angekündigt, bis 2017 an sieben mit Washington verbündete arabische Staaten Rüstungsgüter im Wert von 33 Milliarden Dollar zu liefern. Erklärtes Ziel der Operation: Eindämmung des wachsenden iranischen Einflusses. Diese Politik, die Feinde meines Feindes aufzurüsten, ist mit hohen Risiken behaftet in der waffenstarrenden Region des Nahen Ostens.
Nach dem Schock des 11. September hatte man in Washington die bisherige Art der Zusammenarbeit mit autoritären arabischen Regierungen als Risiko für die eigene Sicherheit erkannt. Diese Analyse war zutreffend. Also sollte jetzt den Gefahren im Nahen Osten durch eine umfassende Demokratisierungsstrategie begegnet werden. Dabei hat man leider die eigenen Einwirkungsmöglichkeiten überschätzt und sich zu ehrgeizige Ziele gesetzt. Dies gilt vor allem für den Irakkrieg.
Eine der unwillkommenen Folgen dieses Krieges war die Stärkung des Iran, die aus dem Sturz Saddam Husseins und den andauernden Unruhen im Irak erwuchs. Zuvor hatte der Sturz der Taliban in Afghanistan die Iraner von ihrem Feind im Osten befreit. Seitdem sieht sich die Region einem immer unverhüllteren iranischen Hegemonialstreben gegenüber. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad droht offen damit, Israel »von der Landkarte zu tilgen«. Die von Teheran unterstützten Terrororganisationen Hisbollah, Hamas und Islamischer Dschihad lassen diesen Worten Taten folgen, die in Israel immer wieder unschuldige zivile Opfer fordern.
Jetzt wird über einen Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak nachgedacht. Dabei muss in der Tat vermieden werden, dass die arabischen Verbündeten dies als Anfang eines Rückzugs aus der Region empfinden. Mit ihren schiitischen Minderheiten könnten sich sonst manche Golfstaaten notgedrungen zu einer Orientierung an Teheran gezwungen sehen.
Aber sind die angekündigten Waffenlieferungen dafür das richtige Mittel? Und wenn nicht, was wären mögliche Alternativen? Vor allem die geplanten Waffenlieferungen an Saudi-Arabien im Wert von 20 Milliarden Dollar sind riskant. Das Land ist alles andere als demokratisch. Nach amerikanischer Einschätzung unterstützt Saudi-Arabien im Irak sunnitische Extremisten und wirkt damit der angestrebten Stabilisierung entgegen. Saudi-Arabien ist wegen des Exports seiner islamistischen Ideologie Teil des Problems im Kampf gegen den Dschihad-Terrorismus. Auch Militärexperten bezweifeln, dass Raketen, Lenkwaffen, Flugzeuge oder Zerstörer wirklich etwas ausrichten können gegen die iranische Strategie der Unterstützung von Hamas, Hisbollah und Milizen im Irak mit Geld, Waffen und Ausbildung. Und der Nuklearkon- flikt mit Iran spielt sich auf Ebenen ab, die von konventionellen Rüstungsüberlegungen nicht erreicht werden.
Mehr Sicherheit durch mehr Waffen – diese Rechnung geht nicht auf. Grund der Hochrüstung sind ungelöste Konflikte. Es ist deshalb richtig, wenn jetzt alles versucht wird, damit Israel und die Palästinenser einer Lösung wieder näherkommen. Und zur Lösung des Konflikts um das iranische Nuklearprogramm gibt es zu der gegenwärtigen Strategie – Verhandlungsangebot über umfassende Zusammenarbeit bei objektiven Garantien Irans für eine dauerhaft ausschließlich friedliche Nutzung der Kernenergie plus gezielter Druck durch den UN-Sicherheitsrat – keine vernünftige Alternative.
Es hat (zu) lange gedauert, bis die USA bereit waren, mit Vertretern der iranischen Regierung zu sprechen. Langfristig braucht der Nahe Osten zum Aufbau von Vertrauen einen Prozess, der in eine regionale Sicherheitskonferenz mündet, an der alle Staaten der Region und die Mitglieder des Nahost-Quartetts beteiligt sind. Statt mit immer mehr Waffen Sicherheit voreinander zu suchen, geht es darum, Strukturen gemeinsamer Sicherheit zu entwickeln.

Strategisch klug
von Alan Posener

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil brachte die Meinung des deutschen Michels auf den Punkt: »Bush verfügt offenbar über die Gabe, in der Außenpolitik immer exakt den falschen Ansatz zu wählen.« Man kann das umgekehrt lesen: Ganz gleich, was der amerikanische Präsident macht, der deutsche Appeasement-Politiker ist dagegen.
Als die USA nach 9/11 die Demokratisierung der islamischen Welt als wichtigstes Mittel im Kampf gegen den islamischen Terror entdeckten, warf man im alten Europa entsetzt die Hände in die Luft: Naives Abenteurertum sei das, eine Abkehr von der bewährten Realpolitik des Machtgleichgewichts. Jetzt, da die USA zur Abwehr der iranischen Gefahr zu einem Mittel der Realpolitik greifen und – neben Israel – die Saudis und die Golfstaaten aufrüsten, wirft man in Deutschland entsetzt die Hände in die Luft: Zynisch sei das, ein Verrat am Ideal der Demokratisierung. Kopf – ich gewinne, Zahl – du verlierst.
Interessant ist auch – gerade aus deutschem Mund – die Äußerung des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU): »Wenn man in ein Pulverfass weitere explosive Gegenstände hinein gibt, erhöht man das Risiko und macht die Region nicht sicherer.« Die Argumentation kennt man. Allerdings war sie früher Parteilinie der Grünen: »Frieden schaffen ohne Waffen« und »Stell’ dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin«. Man stelle sich vor, die Kanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl hätten die Raketen-Nachrüstung der NATO nicht gegen solche Argumente durchgesetzt: Die Sowjetunion wäre wohl nicht zusammengebrochen, die Mauer nicht gefallen. Vielmehr wären die westliche Demo- kratie und das westliche Bündnis in eine tiefe Krise geraten. Es sind größtenteils dieselben Kräfte, die damals ins Pulverfass Europa keine weiteren »explosiven Gegenstände« bringen wollten, die – offensichtlich unbelehrbar – nun auch im Nahen Osten Wehrlosigkeit predigen.
Stell’ dir vor, die Iraner haben die Atombombe, und keiner tut was dagegen. Der Besitz der ultimativen Einschüchterungswaffe würde nicht nur die marode Mullah-Diktatur im Iran innenpolitisch stützen. Ungehindert könnten die Teheraner Gotteskrieger daran gehen, nach dem Abzug der Amerikaner im Irak ein Satellitenregime zu errichten, und sei es durch einen Genozid an den Sunniten und Kurden; unaufhaltsam wäre ihr Aufstieg zur Hegemonialmacht in der Region, die Joschka Fischer »die Tankstelle des Westens« nannte; ungestraft könnten Teherans terroristische Hilfstruppen, Hamas, Hisbollah und Co., im Libanon, in Israel und Palästina ihr Werk fortsetzen. Gasa lässt grüßen.
Es ist nicht sicher, ob sich die Mullahs überhaupt militärisch abschrecken lassen. Vielleicht wollen sie tatsächlich mit einem Atomschlag gegen Israel, der unweigerlich einen vernichtenden Gegenschlag provozieren würde, das Kommen des versteckten Imam, des Mahdi, des schiitischen Messias herbeibomben. Wenn dem so ist, dann ist die Aufrüstung der Gegner Irans zwecklos. Dann hilft nur ein rechtzeitiger Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm. Die USA haben mit der Verstärkung ihrer Flugzeugträgerpräsenz vor der Küste Irans demonstriert, dass sie diese Option nicht ausschließen.
Aber es wäre fahrlässig, alles auf eine Karte zu setzen. Neben der Option des präemptiven Militärschlags muss auch die Option der Abschreckung aufrechterhalten werden. Nach dieser Logik haben auch alle Bundesregierungen bisher gehandelt, auch wenn sie es nicht laut hinausposaunten. Jeder weiß, dass die effektivste Abschreckung gegen eventuelle nukleare Abenteuer des Iran die israelischen Atomraketen sind, die auf U-Booten vor der Küste Irans stationiert sind und Israel mit einer vernichtenden Zweitschlagkapazität versehen. Die U-Boote hat Deutschland geliefert. Und das war gut so.
Beunruhigen muss aber jeden Freund Israels, wie alle Initiativen der USA zur Entschärfung und Eindämmung der iranischen Gefahr hierzulande aufgenommen werden. Der Raketenschutzschild in Polen und Tschechien, dessen Installierung die Iraner davon abhalten soll, überhaupt erst atomare Langstreckenraketen zu entwickeln: voreilig, weil Iran noch keine Raketen habe, und überdies eine Provokation Russlands. Der Druck auf Banken und Firmen, keine Investitionen mehr im Iran zu tätigen, um auf diese Weise das Mullah-Regime in die Knie und an den Verhandlungstisch zu zwingen: ein Angriff auf deutsche Wirtschaftsinteressen. Wir sind ja Irans zweitwichtigster Handelspartner. Das wollen wir doch nicht bloß deshalb aufs Spiel setzen, weil die Iraner mit einem zweiten Holocaust drohen! Waffenhilfe für die aktuellen und potenziellen Opfer iranischer Aggression: einhellige Ablehnung, von Lafontaine bis Polenz. (Dass Europa mit dem Geiselnehmer, Terroristenförderer und Diktator Muammar Ghaddafi Waffengeschäfte macht, scheint hingegen völlig in Ordnung.)
Würde man es nicht besser wissen, man könnte schlussfolgern: Deutsche Politiker wollen vor allem nichts tun, was effektiv den Iran in die Schranken weisen und damit eine für Israel tödliche Gefahr bannen könnte. Weiß man es wirklich besser?

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