Literaturfestival

Frieden, Krieg und Pornofilme

von Christian Buckard

Die Eröffnungsrede des Internationalen Literaturfestivals Berlin am 4. September hielt, auf die ihm eigene schüchterne und zugleich selbstbewusste Art, der israelische Schriftsteller David Grossman. Der »israelische« Schriftsteller: Man muss das wohl betonen, denn angekündigt wurde er mehrmals als »Däiwid Grossmän«. Dem Redner wird diese alberne Anglisierung des eigenen Namens noch in den Ohren gescheppert haben, als er in seiner Rede von dem Einfluss der Massenmedien auf das Sprechen und Denken warnte.
Zuhörer, die darauf gehofft haben mochten, Grossman werde auch auf die aktuelle israelische Politik eingehen, wurden enttäuscht. In seiner sorgsam formulierten Rede sprach der Autor vor allem von Israel und Deutschland, der nicht vergangenen Schoa und der Fähigkeit der Literatur, dem Einzelnen Gesicht und Stimme zu geben, dem Leser zur Selbst-Besinnung zu verhelfen. Nach Abschluss der Rede brach donnernder Applaus los, der Grossman – seinem verlegenen und verblüfften Gesichtsausdruck nach zu urteilen – nicht wenig überraschte.
Auch bei der anschließenden zweiten Eröffnungsveranstaltung stand ein Israeli im Mittelpunkt: Aharon Appelfeld und sein jetzt deutsch bei Rowohlt Berlin erschienener Roman Elternland, der so wortkarg wie fesselnd von der Reise des Israelis Jakob Fein in die polnische Geburtsstadt seiner verstorbenen Eltern erzählt. Es geht in Elternland, wie in allen Büchern Appelfelds, um die Schoa. Dass er mit diesem Thema in Israel heute so erfolgreich ist, erklärt Appelfeld mit dem langen, manchmal nie gebrochenen Schweigen in den Familien der Opfer: »Jetzt sterben die Holocaust-Überlebenden. Und die Kinder bleiben zurück. Sie wissen nichts über ihre Eltern. Und so kommen sie zu mir.«
Zum Programm des Literaturfestivals gehören traditionell Lesungen von Kinder- und Jugendbuchautoren vor Schulklassen. Die 1940 in Belgien geborene, in den USA aufgewachsene und heute in Israel lebende Schriftstellerin Pnina Moed Kass stellte hier ihren preisgekrönten Roman Echtzeit vor, die Geschichte eines Selbstmordattentats in Israel, in atemlosem Tempo erzählt aus der Sicht der Opfer wie des Täters. Moed Kass hat das Buch im Schatten der zweiten Intifada geschrieben. So engagiert sie ist, so nüchtern-pragmatisch zeigt die Autorin sich, was die mögliche Wirkung des Buchs betrifft: »Mir reicht es, wenn die Leser meines Buchs begreifen, dass die Situation sehr komplex, sehr schwierig ist.« Wobei selbst das manchmal an ideologischen Barrieren auch junger Menschen scheitern kann. Nachdem vor einer Gruppe Jugendlicher aus einem Kapitel des Buchs gelesen wurde, das die Attentatsvorbereitungen aus der Sicht des Täters beschreibt, meldete sich eine Schülerin, und fragte, warum das Buch nicht auch die Perspektive der Palästinenser aufzeige und warum der Attentäter als Terrorist bezeichnet werde.
Beim Titel einer anderen Lesung wird mancher Festivalbesucher fasziniert hängen geblieben sein: »Bestselling Jewish Porn Films«. Die Enttäuschung folgte dann möglicherweise beim Untertitel: Es handelt sich um eine Lyriklesung. »Ein wenig wie ein jüdischer Witz«, kommentiert der Amerikaner Wayne Koestenbaum den Titel: »Gedichtbände werden nie Bestseller werden.« Es sei dies übrigens das erste Mal, dass er seine jüdische Identität in einem seiner Bücher herausstelle, fügt der Dichter, Romancier und Essayist hinzu. Normalerweise thematisiere er eher seine Homosexualität. Aber nicht nur die. Der Professor für Englische Literatur in Yale hat auch Bücher über Oper und Literatur geschrieben sowie eine Art Biografie von Jackie Kennedy-Onassis. Der Auftritt in Berlin ist für Koestenbaum auch eine Art Heimkehr: Sein Vater lebte in Zehlendorf, bevor er 1937 emigrieren musste.
Noch bis zum 16. September dauert das Literaturfestival an. Auf dem Programm stehen weitere jüdische Highlights. András Nyerges wird aus seinen Budapester Kindheitserinnerungen Nichtvordemkind lesen, in denen er die Jahre der deutschen Besatzung schildert. Moderiert wird die Lesung von György Dalos, dessen neuer Roman Jugendstil gerade erschienen ist. Arno Lustiger berichtet über Deutschen Widerstand, Militär und Judenretter. Maxim Biller liest neue Liebesgeschichten. Wolf Biermann singt von seiner Heimkehr nach Berlin Mitte. Der Argentinier Edgardo Cozarinsky, der in Die Braut aus Odessa, und Man nennt mich flatterhaft von jüdischem Leben in Südamerika schreibt, tritt im Rahmen des »Focus Lateinamerika« auf. Und der US-Schriftsteller Allan Kurzweil unterhält sich mit Paul Holdengräber über seine Leidenschaft für Bücher und Bibliotheken.
www.literaturfestival.com

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