Es waren deutliche Worte. Und nicht jeder wird sie gern gehört haben. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel würden vor einer Bewährungsprobe stehen, so der israelische Botschafter Shimon Stein. 42 Jahre nach ihrer Aufnahme stünden sie mehr im Zeichen des Wandels als der Kontinuität, sagte Stein am Montag bei der 17. Jahrestagung der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Stein stellte Entfremdung und zunehmende Kritik an Israel fest. Das Gedenken an den Holocaust sei »nicht mehr die tragende Säule der Beziehung«, sagte Stein. »Es gibt einen Generationenwechsel.« Beide Länder müssten sich nun der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Realität stellen.
Lobende Worte für den israelischen Staat fand Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Zypries mahnte anlässlich der viertägigen Juristentagung einen verantwortungsvollen Umgang mit Grundrechten an. »Israel zeigt, dass beim Kampf gegen Terror der Rechtsstaat nicht auf der Strecke bleiben muss«, hieß es in einem schriftlichen Grußwort der Ministerin, in dem sie auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Israel verwies.
»Wenn man bedenkt, wie viel geringer die terroristische Bedrohung in Deutschland ist, dann stimmt es nachdenklich, wie leichtfertig hier gelegentlich über ein sogenanntes Feindstrafrecht oder die Aufweichung des absoluten Folterverbots spekuliert wird«, so Zypries. Die Bundeminis- terin steht den Sicherheitsplänen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) skeptisch gegenüber. Dieser strebt unter anderem rechtliche Änderungen für die heimliche Ausspähung von Computern an und will im Kampf gegen den Terrorismus auch unter Folter erpresste Informationen fremder Geheimdienste nutzen.
Die Deutsch-Israelische Juristenvereinigung wurde 1989 in Jerusalem gegründet und hat eigenen Angaben zufolge etwa 400 Mitglieder. Seit 1998 gibt es in Israel eine Schwestervereinigung. Die 17. Jahrestagung stand unter dem Motto »Wertewandel in Gesellschaften – Welche Chance hat das Recht?« Von Montag bis Donnerstag diskutierten rund 250 Juristen unter anderem über die Gefahren durch den islamischen Terrorismus.
Im Rahmen der Tagung erinnerte die Leipziger Universität an das Unrecht, das während der Nazizeit an der juristischen Fakultät begangen wurde. Bei einem Festakt wurde die Aberkennung von Doktorgraden in mehr als 70 Fällen zurückgenommen. In Anwesenheit vieler Nach- kommen wurden die Dissertationen ausgestellt und eine Gedenkschrift mit den Biografien der Betroffenen vorgestellt.
Die Leipziger Hochschule ist nach eigenen Angaben bundesweit die fünfte, die die Opfer des Nazi-Regimes in dieser Weise gewürdigt hat. In Leipzig war neben anderen dem späteren Universitätsrektor Julius Lips (1895-1950), dem jüdischen Rechtswissenschaftler Max Fried- länder (1873-1956) und dem evangelischen Widerstandskämpfer Hermann Reinmuth (1902-1942) der Doktortitel entzogen worden. dpa/epd
Entfremdung