Vortrag

Faszination Nahost

Schon als Jugendlicher war Johannes Gerster in einem Kibbuz in Israel. Seither hat ihn dieses Land nie mehr losgelassen, wie er bei seinem Vortrag auf Einladung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) und des Kulturzentrums der IKG München bekannte. Im Gemeindezentrum am Jakobsplatz sprach er über Verbindendes und Trennendes in sechs Jahrzehnten Israel und Deutschland. Dass er hier durchaus mitreden kann, erklärt sich nicht nur aus der Funktion des Juristen, der seit 2006 Präsident der DIG ist. Er lebte von 1997 bis 2006 in Israel, als Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dass er sich dabei wie bereits zuvor in seinem politischen Leben engagierte, zeigen Auszeichnungen wie der Ehrendoktor der Ben-Gurion Universität des Negev, der President‘s Award der Universität Tel Aviv oder der Teddy-Kollek-Award der Jerusalem Foundation, aber auch die Ehrenplakette der europäisch-palästinensischen Handelskammer, die er 2005 verliehen bekam. Den langjährigen Bundestagsabgeordneten zeichnen Kompromissfähigkeit und diplomatisches Geschick aus. Letzteres hob nach seinem Vortrag auch Präsidentin Charlotte Knobloch hervor, als sie für das Highlight bei der Darstellung der Lage in Nahost dankte.
Johannes Gerster wurde am 2. Januar 1941 als jüngstes von sechs Kindern geboren. Vater Gottfried war nach dem Krieg Gründungsmitglied der Mainzer CDU, was das Kind ebenso prägte wie die Tatsache, dass die Schoa und der Alltag der Zeit zwischen 1933 und 1945 in der Familie nie verschwiegen wurden. Bereits 1960 trat Gerster in die CDU ein, deren Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz der Jurist lange Jahre war.
Gerster zeigte sich überzeugt, dass nur eine Zwei-Staaten-Lösung diesen Nahost-Konflikt beenden kann. Dieser Konflikt sei jedoch nur einer von vielen im Nahen und Mittleren Osten. Neben dem israelisch-palästinensischen sei da noch der Kampf der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon, die Auseinandersetzung des Iran um die Vormacht im Nahen Osten und eine bedrohliche Entwicklung in Pakistan. Dabei halte er den israelisch-palästinensischen Konflikt für den am leichtesten zu lösenden. Noch vor 30 Jahren habe es eine Front gegen Israel gegeben, heute ginge diese durch die arabische Welt. Denn diese habe heute Angst nicht vor Israel, sondern vor der Vormachtstellung des Iran mit einer Atombombe und einer Radikalisierung der arabischen Welt. In den letzten fünf Jahren habe es eine neue Entwicklung gegeben, eine Chance, dass die USA mit Europa und mit den arabischen Nachbarstaaten, die einen Ausgleich wollen, eine Regelung zweier Staaten mit internationalen Sicherheiten garantieren. Allerdings: Israelis wie Palästinenser seien in ihrer Mehrheit für eine Zwei-Staaten-Lösung. Doch im Gegensatz zum demokratischen Israel lebe in den palästinensischen Gebieten die Mehrheit in einer Art Geiselhaft der Hamas. Was aber habe Deutschland damit zu tun? Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland hätten sich in einem Maß entwickelt, wie es sich Adenauer und Ben Gurion nicht hätten träumen lassen. Dennoch müsse in Deutschland gegen das Vergessen und eine »Flapsigkeit« im Umgang mit der Schoa weiter angekämpft werden. Miryam Gümbel

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