»Noch unter Trauer überblicken wir ein Leben, das für jene vielen steht, die aus ihrer deutschen Heimat vertrieben wurden, und für jene wenigen, die als Überlebende in das Land ihrer Geburt zurückgekehrt sind. Sie alle haben dafür einen Preis gezahlt, auch Paul Spiegel sel. A. Er verlor seine Heimat in einem Alter, in dem das heranwachsende Kind den Begriff Heimat noch nicht kennt oder gar rational erfassen kann, wohl aber dessen gefühlsmäßigen Anteil, den Erwachsene Urvertrauen nennen. Dieses Urvertrauen war beschädigt und blieb es, eine niemals ganz verheilte Wunde, die sich hinter einem scheinbar normalen Verhalten verbarg. Und hier steht Paul Spiegel für jene deutschen Juden, deren Rückkehr in ihr Geburtsland nicht wirklich Rückkehr in die Heimat ihrer Kindheit bedeutete, selbst wenn nach außen hin die Zeit diese Wunde geheilt zu haben schien. Solche Sicht war und blieb verständliches Wunschdenken vieler Nichtjuden, die so etwas wie deutsch-jüdische Normalität herbeisehnen, ja sie zu Lebzeiten verwirklicht sehen wollen. Die Wirklichkeit anerkennen heißt aber, zu erkennen, deutsch-jüdische Normalität läßt sich weder her-
beireden noch herbeizwingen. (...)
Mit seinem ausgleichenden Wesen, seiner versöhnlichen Haltung hat er bei allen Erfordernissen des politischen Alltags nach gelegentlicher Härte den Zentralrat der Juden in Deutschland umsichtig und klug geführt. Er war – trotz der von nichtjüdischer Seite überdefinierten Rolle dieses Amtes – ein würdiger Präsident und ein geachteter Vertreter der Juden in Deutschland. Und wie sein Vorgänger im Amt, Ignatz Bubis sel. A., suchte auch er im ynderen – ob Christ, Jude oder Moslem – stets den Nächsten und nicht den Fremden zu sehen.
Paul Spiegel