NS-Geschichte

Die Zeit heilt keine Wunden

von Tobias Blanken

Vor sechs Jahren hat die Kassenärztliche Vereinigung Berlin mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte im Nationalsozialismus begonnen. Derzeit präsentiert die Ärzteorganisation die ersten Forschungsergebnisse in einer Vortragsreihe. Unter dem Titel Anpassung und Ausschaltung – die Berliner Kassenärztliche Vereinigung im Nationalsozialismus setzen sich darin Ärzte und Medizinhistoriker mit der Rolle der Berliner Kassenärzte im NS-Regime und den Schicksalen der Opfer auseinander.
Den Forschungen zufolge gehörten 1933 rund 2.050 jüdische Ärzte der Berliner Kassenärztlichen Vereinigung an, in der zu diesem Zeitpunkt insgesamt 3.600 Ärzte organisiert waren. Die jüdischen Ärzte wurden schrittweise von »deutschblütigen« Ärzten verdrängt, bis es schließlich Ende 1938 in ganz Deutschland nur noch 285 jüdische Ärzte gab. Begleitend zur Vortragsreihe wird im Haus der Kassenärztlichen Vereinigung die Ausstellung Alt Rehse und der gebrochene Eid des Hippokrates gezeigt, die über die ehemalige Reichsärzteführerschule und die Perversionen der ärztlichen Berufsauffassung Auskunft gibt, die schließlich in den medizinischen Massenversuchen an lebenden Menschen endeten.
Am ersten Vortragsabend am 31. Oktober berichtete Roman Skoblo, Vorsitzender des Bundesverbandes Jüdischer Ärzte und Psychologen in Deutschland, über die Erfahrungen mit der medizinischen Versorgung von Überlebenden des Holocaust in Israel. Entgegen der Phrase, dass die Zeit alle Wunden heilt, verschlimmern sich die physischen und psychischen Folgen gerade im Alter. Überlebende leiden deutlich öfter an Osteoporose und sind deutlich suizidgefährdeter als der Rest der Bevölkerung. Die Wiederkehr von Traumata und Depressionen, die schließlich in Selbstmorde münden können, hängen oft mit dem Verlust menschlicher Beziehungen und mit Stresssituationen zusammen. Skoblo wies auf die psychischen Folgen für Holocaustüberlebende hin, die durch die Bedrohung Israels erwachsen. Besonders die Angst vor Giftgasangriffen durch irakische Raketen, die Allgegenwart von Terroranschlägen und der Libanonkrieg hätten bei den Überlebenden zu einer Reaktivierung traumatischer Situationen geführt.
Im Anschluss an den Vortrag wurde der Film The Last Transfer vorgeführt, der Überlebende in psychiatrischen Einrichtungen in Israel zeigt. In bedrückender Weise traten in deren Handlungen ihre schrecklichen Erlebnisse unter dem NS-Regime hervor: Ein Mann führt ständig einen Koffer mit Radios und Zeitungen mit sich herum, eine Frau putzt ständig die Toiletten, weil dies ihre Aufgabe im Konzentrationslager gewesen ist. Eine andere Frau, die unter deutscher Besatzung eine Totgeburt erlitt, hält sich trotz ihrer 80 Jahre für schwanger; diese Flucht in die Psychose ist nach Angaben der Betreuer das letzte Exil, das den Überlebenden noch bleibt.
Die Vortragsreihe wird noch bis zum 12. Dezember im Haus der Kassenärztlichen Vereinigung (Masurenallee 6A, Berlin-Charlottenburg) fortgesetzt.
www.kvberlin.de

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