von Brian Harris
Vom Schleppen der Zementblöcke tun ihnen alle Muskeln weh, und sie haben seit Tagen keine Spültoilette gesehen. Man könnte es den jüdischen Teenagern aus den vornehmen New Yorker Vororten nicht verdenken, wenn sie sich über ihren Einsatz beim Bau einfacher Häuser in abgelegenen nicaraguanischen Orten beklagten. Doch die einzigen Beschwerden, die laut wurden, galten dem Lebensstil der oberen Mittelschicht zu Hause und der kurzen Dauer ihres Aufenthalts. »Negatives habe ich bis jetzt nicht erlebt. Ich genieße die körperliche Arbeit«, sagt der 17-jährige Evan Lobell aus New York. Nicaragua, ein überwiegend katholisches Land, ist ein ungewöhnlicher Ort für jüdische Freiwillige: Die 50 Teenager und ihre Begleiter verdoppelten die jüdische Bevölkerung des Landes.
Die 62 Teenager und ihre Begleiter lebten Ende Februar für gut eine Woche als Teil einer interkonfessionell aufgestellten »Brigade« von zwei Reformsynagogen und zwei presbyterianischen Kirchen in diesem armen mittelamerikanischen Land, um acht Familienhäuser zu errichten. Die Familien sind zu arm und können sich nur Hütten aus Zweigen und Plastikplanen leisten – eine typische Behausung in dem nach Haiti ärmsten Land Amerikas.
In New York würden die Häuser, die sie bauen, nicht mehr sein als Verschläge – drei mal fünf Meter große Ein-Raum-Gebilde mit Blechdach und ohne fließendes Wasser –, doch die soliden Betonwände sind für die Bewohner eine Verbesserung. »Sie werden einen gefliesten Fußboden haben, das ist wunderbar für die Kinder, wenn es regnet«, sagt Sophie Lombeck, 17, aus New York. »Und sie haben ein Dach, das dicht ist.«
Die Häuser wurden in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Bridges to Community gebaut, die freiwillige Bauprojekte im Auslandseinsatz organisiert. Baufirmen vor Ort, bezahlt durch Spenden der Freiwilligen und ihrer Sponsoren, werden die Bauten fertigstellen, die Böden fliesen und die Stahlträger schweißen, auf denen das Dach ruht – eine teure Option, auf die auch wohlhabendere Familien oft zuguns- ten von Holzbalken verzichteten. »Für unsere Kinder ist es eine Verantwortung und ein Privileg, hier zu sein und zu helfen«, sagt Rabbiner Douglas Krantz aus Armonk, New York, der gemeinsam mit den Teenagern die Schwerarbeit verrichtete. »Unsere Kinder haben fast alle ihr eigenes Zimmer, von denen die meisten größer sind als die Häuser, die wir bauen.«
Die Teilnehmer an dem Projekt lebten ohne fließendes Wasser. Sie mussten das Wasser für eine Dusche mit dem Eimer schleppen, und der Bauplatz lag etwa 100 Meter von der nächsten Straße entfernt. Das Baumaterial musste per Hand dorthin getragen werden. »Außer dass wir eine Woche lang ohne allen Komfort leben würden, wusste ich nicht, was mich erwartete«, sagte der 16-jährige Max Applebaum über seine Entscheidung, nach Nicaragua zu kommen. »Für mich ist das ein Reality-Check. Wo ich herkomme, geht es ziemlich behütet zu. Westchester ist das genaue Gegenteil von dem hier.«
Die interkonfessionelle Baubrigade, dieses Jahr mit deutlicher jüdischer Mehrheit, gibt es seit fünf Jahren. Bei Mitgliedern des Shaaray-Tefila-Tempels aus Bedford, New York, fand sie so großen Anklang, dass ein zweiter Aufenthalt für August geplant ist. Die Reisen sind inzwischen zu einer interkonfessionellen Tradition geworden, und die betroffenen Gemeinden in Nicaragua warten sehnlich auf die Brigaden.
Dieses Jahr haben die Menschen aus dem Dorf etwa 35 Kilometer westlich der Hauptstadt Managua ihre Häuser für die Freiwilligen geöffnet und vor deren Ankunft neue Latrinen gegraben. Die meisten Mahlzeiten bestanden jedoch aus den Grundnahrungsmitteln des Landes, Reis, Bohnen und Kochbananen – kein Milchkaffee oder Bagel weit und breit. Jeder Teilnehmer zahlte für die Reise etwa 2.000 Dollar. Von den Spenden, die sie eintrieben, durften bis zu 800 Dollar zur Deckung dieser Summe herangezogen werden. Sammelten sie mehr, ging alles, was darüberlag, an Bridges to Community. Adam Frankel, 15, aus Bedford, schätzt, er habe für die gute Sache ein paar tausend Dollar beschafft.
»Ich bin so viel glücklicher hier als in den USA«, sagt er und legt einen Zementblock auf den zum Bauen verwendeten, per Hand gemischten Mörtel. »Ich bin kein großer Fan unserer Gesellschaft. So viele Menschen in den USA sitzen in der Falle der ›Gesellschaft‹ und wollen ihre materiellen Besitztümer zur Schau stellen.«
Nach einem Tag schwerer Arbeit und nichts in Aussicht außer einer Nacht unruhigen Schlafs auf Schaumstoffmatratzen in einer Behausung ohne Elektrizität, schienen die Teenager immer noch voller Energie. Die Vorstellung, dass sie mit ihrer Arbeit eine Mitzwa vollbrächten, taten sie verächtlich ab.