untersuchung

Die Akte Gasa

Israels Präsident Schimon Peres bemüht starke Worte: Der Bericht der von Richard Goldstone geleiteten UN-Kommission über Israels angebliche Kriegsverbrechen während der Militäraktion im Gasastreifen vor acht Monaten sei »ein Gespött der Geschichte«. Und im Jerusalemer Außenministerium brandmarkt man die 575 Seiten starke Schrift als »Kriegserklärung an Israel«.
Im Auftrag des UNO-Menschenrechtsrates hat der südafrikanische Richter Goldstone das Verhalten der Israelis und Palästinenser im Gasakrieg untersucht. Beide Seiten hätten sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht, heißt es in dem Abschlussbericht, der vergangene Woche in New York vorgestellt wurde. Goldstone sagte, »dass die Aktionen des israelischen Militärs auf Kriegsverbrechen und in mancher Beziehung vielleicht auch auf Verletzung der Menschenrechte hinauslaufen«. Indem Zahal nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden habe, sei wiederholt und bewusst gegen internationales Recht verstoßen worden.

strafgericht Zunächst hatte Israel die Kommission ignorieren wollen. Deren Untersuchungen seien nicht relevant. Folgerichtig verweigerte die Regierung auch die Zusammenarbeit – in der Hoffnung, so für eine geringere Legitimität zu sorgen. Doch das Kalkül ging nicht auf. Der Bericht könnte schwerwiegende Konsequenzen haben, meint Mosche Hirsch, Völkerrechtler an der Hebräischen Universität. Denn Goldstone empfiehlt dem UNO-Sicherheitsrat, den Fall Gasa am Internationalen Strafgerichtshof (IGH) in Den Haag zu verhandeln. Dagegen würden die USA ein Veto einlegen, beruhigen Diplomaten in Jerusalem.
Mehr Sorgen bereitet ihnen jedoch die Möglichkeit, dass der Gerichtshof selbst die Rechtsprechung für Gasa beanspruchen will. Der IGH kann nämlich auch von sich aus aktiv werden, und »Goldstone könnte ihn dazu ermuntern«, vermutet Hirsch. Die zentrale Gerichtsinstanz der Vereinten Nationen entscheidet zwar nur in Rechtsstreitigkeiten zwischen Staaten. Aber die Palästinenser haben sich ein Argument einfallen lassen, um in den Zuständigkeitsbereich der Haager Richter zu gelangen: Sie seien »fast ein Staat«. Diesem Argument könnte sich der IGH anschließen. Denn er ist darauf aus, eine möglichst weltweite Zuständigkeit zu erhalten, damit es kein völkerrechtliches Vakuum mehr geben kann. Sollte Den Haag für den Gasakrieg zuständig werden, könnten israelische Offiziere, die während der Operation »Gegossenes Blei« gedient haben, wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden. Dann müssten auch Politiker, zum Beispiel Verteidigungsminister Ehud Barak, mit einem internationalen Haftbefehl rechnen. Denn Israels Argument, der Krieg in Gasa sei eine Antwort auf die Raketen der Hamas gewesen, lassen die Autoren des Goldstone-Berichts nicht gelten. Die Militäraktionen hätten, zumindest teilweise, ein anderes Ziel verfolgt – »die Bevölkerung von Gasa als Ganzes«.

Selbstverteidigung Langsam nimmt Jerusalems Strategie gegen die drohende Klagewelle und den sich abzeichnenden PR-Gau Formen an. Aber der Erfolg ist fraglich. So bearbeitet die israelische Diplomatie derzeit Angehörige des UNO-Sicherheitsrates, die Untersuchung zu verwerfen. Es handele sich um einen »politischen Bericht«, argumentiert ein Sprecher von Außenminister Avigdor Lieberman. Goldstone habe nicht untersucht, was Israel zur Operation »Gegossenes Blei« veranlasst habe. Damit spreche er Israel implizit das Recht auf Selbstverteidigung ab. Außerdem versucht Jerusalem, die Glaubwürdigkeit der Autoren infrage zu stellen.
Dies wird kaum gelingen. Denn der südafrikanische Jurist Richard Goldstone gilt als Autorität auf dem Gebiet von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. So hat er sich als Chefankläger beim UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda einen Namen gemacht. Auch einen anderen Vorwurf, wie den, er sei ein Antisemit, kann man dem Richter nicht machen. Der aus einer jüdischen Familie stammende Goldstone ist mit Israel eng verbunden.

Debatte

Israels Verteidigungsminister ruft zu Stopp von Justizreform auf 

Joav Galant: Die nationale Sicherheit wird sonst schweren Schaden nehmen

 25.03.2023

Meinung

An der Seite Israels

Trotz aller Kritik an der aktuellen Regierungspolitik: Jüdinnen und Juden stehen zum jüdischen Staat

von Josef Schuster  24.03.2023

Meinung

Gibt es ein palästinensisches Volk?

Rafael Seligmann antwortet dem israelischen Finanzminister Bezalel Smotrich

von Rafael Seligmann  23.03.2023

Wissenschaft

Oumuamua ist kein außerirdisches Raumschiff

Lange verblüffte der interstellare Besucher Astronomen: Dass Oumuamua auf seiner Bahn beschleunigte, befeuerte sogar Spekulationen über ein außerirdisches Raumschiff. Nun liefern Forscher eine Erklärung

 22.03.2023

FU Berlin

Knochenfunde werden beerdigt

Ein Teil der Gebeine könnte von Opfern nationalsozialistischer Verbrechen stammen

 22.03.2023

Italien

Polizei: Mann mit »Hitlerson«-Trikot bei Rom-Derby ist Deutscher

Aufnahmen der Überwachungskameras führten die Behörden zum Täter

 22.03.2023

Italien

Empörung nach antisemitischen Vorfällen bei Römer Derby

Der Verein Lazio Rom verurteilte »jegliche diskriminierende, rassistische oder antisemitischen Kundgebungen«

 21.03.2023

CDU

Friedrich Merz reist nach Israel

Der deutsche Oppositionsführer wird Ministerpräsident Netanjahu treffen

 17.03.2023

Hessen

Verfassungsschützer warnt vor »trügerischer Ruhe« bei Islamismus

Seit Ende des vergangenen Jahres sei eine »verstärkte Agitation« zu beobachten, sagt Bernd Neumann

 16.03.2023