Stuttgart

Der Schrei der Steine

Der Schrei
der Steine

Stuttgart: Ein Mahnmal zur Erinnerung an
die Deportationen

von Heidi Hechtel

Fünf Schienenstränge, auf denen noch die Jahreszahl 1933 und der Name des Herstellers Krupp zu lesen sind, alte Prellböcke, Steine und Schotter, lediglich von Unkraut und Unrat gereinigt: ein Stück Bahn- gelände im Stuttgarter Nordbahnhof. Einst zum Ort der Schande geworden, weil von hier aus fast 2.300 Juden aus Stuttgart, Württemberg und Hohenzollern die Reise in den sicheren Tod antreten mußten.
Schienen, Schotter und Bahnsteig wurden zu einem Mahnmal gestaltet und jetzt der Öffentlichkeit übergeben. Ein »Zeichen der Erinnerung« zum Gedenken an die Opfer, deren Namen auf einer 70 Meter langen Mauer festgehalten und ins Gedächtnis der Stadt eingemeißelt sind.
Am 1. Dezember 1941 verließ der erste Zug mit etwa tausend Juden diesen Stuttgarter Bahnhof mit dem Ziel Riga. Weitere Deportationen folgten am 26. April 1942 nach Izbica und am 22. August 1942 nach Theresienstadt. Nur wenige überlebten, noch weniger kamen zurück.
Jahrzehntelang kümmerte sich niemand um diesen Schauplatz unmenschlicher Verbrechen. »Doch die Vergangenheit holt uns ein«, sagt Roland Ostertag. Der Stuttgarter Architekt hatte den Anstoß des Grünen-Stadtrats Michael Kienzle, hier eine Gedenkstätte zu schaffen, weiter verfolgt. Er gründete zusammen mit der Rechtsanwältin Regine Breinersdorfer den Verein Zeichen der Erinnerung und warb unermüdlich für dieses Projekt. Mit Erfolg: 250.000 Euro bewilligte die Stadt, durch Spenden wurde in nur einem Jahr noch einmal dieselbe Summe aufgebracht. Entstanden ist nach den Plänen der Berliner Architekten Ole und Ann-Christin Saß eine Gedenkstätte, die dem Ort mit den Originalrelikten der Todesfahrten seine Authentizität beläßt und damit umso mehr beeindruckt und fassungslos macht.
Denn Schienen, Schotter, Prellböcke und Rampe bekamen nur eine Umrahmung mit erhöhten Betonstegen, einer überdachten Rampe mit Informationsschaukästen und einer 2,60 Meter hohen und 70 Meter langen Mauer, auf der in scheinbar nicht enden wollenden Reihen die Namen der Opfer zu lesen sind. »Wenn die Menschen schweigen, so werden die Steine schreien«, zitiert Ostertag dazu Johann Gottfried Herder. Hier seien es die Steine und Schienen, die zum Schreien gebracht wurden und zur Toleranz mahnen.
»Das ist kein abstrakter Gedenkort, hier gab es eine Zäsur, hier hat das große Leiden angefangen, mitten unter der Stuttgarter Bevölkerung«, stellte Meinhard Tenné, der ehemalige Vorstandssprecher der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, bei der Übergabe fest. Dieser Ort könne den Hinterbliebenen der Stuttgarter Deportierten ein Ort des persönlichen Gedenkens sein. Und er beweise noch etwas sehr Wichtiges, sagte Tenné an die Adresse der feindlich Gesinnten oder Irrgeleiteten: »Die Leugnung der Schoa ist vergeblich.«

Bericht

Deutschland und die »Diskriminierungskrise«

Ihr Kollege Felix Klein fordert, die Diskriminierung von Israelis endlich ernsthaft zu bekämpfen

 11.09.2024

Münster

Oberverwaltungsgericht verhandelt über jüdisches Bethaus in Detmold

Hintergrund ist ein jahrelanger Streit um eine verfallende Synagoge aus dem 17. Jahrhundert

 11.09.2024

Berlin

Vorstellung des bundesweiten Berichts zu Diskriminierung

Neben Antidiskriminierungsbeauftragter Ataman auch Antisemitismusbeauftragter Klein anwesend

 10.09.2024

München

Ermittler hoffen auf weitere Erkenntnisse

Ermittler treffen sich am Tatort des Terroranschlags von München

 09.09.2024

Thüringen

»Entjudungsinstitut«-Ausstellung dauerhaft in Eisenach

Dies geschieht auch unter dem Eindruck der Landtagswahlergebnisse in Thüringen, so Museums-Direktor Birkenmeier

 06.09.2024

Sicherheit

Höchste Priorität

Sprecher des Bundesinnenministeriums betont die Bedeutung des Schutzes jüdischer und israelischer Einrichtungen

von Detlef David Kauschke  06.09.2024

Baden-Württemberg

Heidelberg: Ehepaar attackiert, Täter flüchtig

In der Altstadt wurde ein Ehepaar von einem Mann wegen eines T-Shirts mit Davidstern und dem Aufdruck »Bring them home now« angegriffen

 05.09.2024

Zahl der Woche

4 jüdische Gemeinden

Fun Facts & Wissenswertes

 04.09.2024

Hannover

Maxim Biller erhält Literaturpreis des Landes Niedersachsen

Der 64-Jährige wird jetzt als eine der wichtigsten Stimmen seiner Generation geehrt

 04.09.2024