Dieser Abend sollte ein besonders »schöner und unbeschwerter« werden, hatte sich Rosario Nagero vorgenommen. Denn der Inhaber eines italienischen Restaurants im Bayerischen Viertel erwartete seltenen Besuch: Eine Gruppe von Überlebenden des sogenannten Todesmarsches von Dachau. Für sie schmückte er sein Lokal mit israelischen Fahnen. Außerdem lud er noch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde ein. Insgesamt seien es etwa 70 Gäste gewesen, die bei ihm essen und trinken konnten. Der 45-Jährige sponserte den Abend. »Ich wollte den Menschen einen guten Eindruck von Deutschland mitgeben«, sagt Nagero.
Kennengelernt hatte der aus Kalabrien stammende Italiener die Schoa-Überlebenden, als sie vor fünf Jahren schon einmal in Berlin gewesen waren. Eine Reiseleiterin hatte ihn gefragt, ob er eine Grup-
pe von etwa 30 Menschen bewirten könnte. Als die Gäste in sein Lokal kamen, zeigte ein Mann ihm seine eintätowierte Nummer auf dem Arm. »Ich war geschockt«, erinnert sich Rosario Nagero. Keinen Cent wollte er damals annehmen, die Rechnung ging aufs Haus. Es sei ihm »eine seelische Verpflichtung« gewesen. Er unterhielt sich intensiv mit einigen, die nach der Schoa in Israel ein neues Zuhause fanden, und blieb mit ihnen in Kontakt.
Die bayerische Gemeinde Gauting hatte die Israelis damals und auch jetzt wieder nach Deutschland eingeladen. Seit elf Jahren erinnert die Gemeinde mit einem jährlichen Gedenkzug an die Leiden der KZ-Häftlinge, die in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 in der dortigen Region »ins Ungewisse« getrieben worden waren. Der frühere Gautinger Bürgermeister Ekkehard Knobloch hatte die Aktion initiiert. Auch dieses Mal begleitete er die Überlebenden. Mit zum Reiseprogramm der Israelis gehörte auch die Fahrt nach Berlin, wo sie das Bundespräsidialamt, den Bundestag und das Haus der Wannseekonferenz besuchten. Zum Reiseausklang der Abend im Restaurant: »Wahrscheinlich waren sie zum letzten Mal bei mir, denn sie sind doch schon alt geworden«, bedauert Nagero. Christine Schmitt
Schoa-Überlebende