In Erfurt erinnert seit Mittwoch eine Installation vor dem Thüringer Landtag an die Opfer der rechtsextremistischen Terrorzelle des sogenannten »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU). Die Wahl des Standortes unmittelbar vor dem Parlament als Herzkammer der Demokratie im Freistaat spiegele die besondere Verantwortung Thüringens für die Mordserie wider, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zur Einweihung des Erinnerungsortes. An der Feierstunde im Thüringer Landtag nahmen auch Angehörige und Opfer der Verbrechen teil.
Mit dem Erinnerungsort habe das Land einen öffentlichen Ort des Innehaltens geschaffen, sagte Ramelow. Er sei nicht nur für die Hinterbliebenen der Mordopfer und die Geschädigten der Sprengstoffanschläge des NSU, sondern für alle Bürger geschaffen worden. So werde klar, dass Thüringen zu seiner freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft stehe und sich nicht der menschenverachtenden Ideologie des Rechtsextremismus beuge.
Für die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen und Opfer des Terrors des NSU, Barbara John, sprach von einem wichtigen Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls mit den Opfern und ihren Familien. Der Ort solle Mahnung und Auftrag zugleich sein, gegen Gewalt in der Gesellschaft vorzugehen. Nach der Enttarnung der Täter sei es der Landesregierung und dem Landtag des Freistaats eine Verpflichtung gewesen, die betroffenen Familien aktiv in die Erinnerungsarbeit einzubeziehen. Dies sei in vorbildlich gelungen, sagte John.
Die Rechtsterroristen des NSU, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, stammten aus Jena in Thüringen. Nach ihrer Flucht in den Untergrund 1998 ermordete die rechtsextremistische Terrorgruppe aus rassistischen Motiven bis 2007 insgesamt zehn Menschen. Zudem verübte sie in diesem Zeitraum von ihrem Unterschlupf im sächsischen Zwickau aus neben zahlreichen Banküberfällen wenigstens drei Sprengstoffanschläge mit zahlreichen Verletzten. Zwei Untersuchungsausschüsse des Thüringer Landtags stellten nach 2011 fest, dass die Flucht des Trios und das Leben in der Illegalität auch durch Versäumnisse der Thüringer Strafverfolgungsbehörden ermöglicht worden sei.
Der Erinnerungsort wurde von dem Künstlerduo Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper als Ergebnis eines von der Staatskanzlei 2017 beauftragten offenen Wettbewerbs gestaltet. Die Installation »Schattenwurf« besteht aus mehreren rechteckigen Torbögen aus Stahl, auf denen lange Stahlbänder ruhen. Daraus sind die Namen der Opfer des NSU als Schablonen herausgelasert worden, sodass diese bei durchscheinendem Sonnenlicht auf dem Boden sichtbar werden.
Über QR-Codes an der Unterkonstruktion können Besucher Audiobeiträge zu den NSU-Mordopfern auf einer vom Künstlerduo gestalteten Internetseite abrufen. Zu hören sind Erinnerungen der Hinterbliebenen, vorgetragen von einer Sprecherin und einem Sprecher.
Ergänzt wird dieses digitale Angebot von einer Webseite des Freistaats mit Hintergrundinformationen zum Erinnerungsort, dem NSU-Komplex und der Aufarbeitung der Mord- und Anschlagsserie durch den Thüringer Landtag.