Yom Tov HaLevi Schwarz

Das Salz in der Suppe

von Detlef David Kauschke

Israelis sind ständig auf 180. Kassams, Katjuschas, Kriegsgefahr – das Leben auf dem Pulverfass hinterlässt Spuren. Wer gestresste Autofahrer im Dauerstau der Tel Aviver Innenstadt oder aufgeregte Kundinnen im Gedrängel an der Supermarktkasse erlebt, weiß, dass auch der ganz normale Wahnsinn des Alltags den Puls mächtig in die Höhe treiben kann. Haben die Israelis deshalb mehr Probleme mit Bluthochdruck (Hypertonie)? »Nein, das ist ein Vorurteil«, winkt Reuven Viskoper ab. Der Mediziner hat seit Jahrzehnten die Hand am Puls der Menschen im jüdischen Staat und ist sich sicher: »Israelis haben auch nicht mehr mit dem Problem der Hypertonie zu kämpfen als die Bewohner anderer westlicher Industriestaaten.« Im Gegenteil: »Israelis essen gesünder als viele Menschen in Nordeuropa. Hier kommt mehr frisches Obst und Gemüse auf den Tisch, außerdem wird häufiger Olivenöl verwendet. Das wirkt sich sehr positiv auf den Blutdruck aus.«
Selbstverständlich gebe es Zeiten und Regionen in Israel, in denen der Blutdruck der Menschen angesichts der Sicherheitslage ansteigt. »Das ist bei den Bewohnern von Sderot oder der Kibbuzim und Moschawim nahe des Gasastreifens festzustellen. Aber dieses Phänomen haben wir auch schon vor einigen Jahren in Kirjat Schmona untersucht, als der Norden unter andauerndem Beschuss lebte. Derartige Ereignisse erhöhen den Blutdruck für eine bestimmte Zeit, aber dann sinkt er auch wieder.« Insgesamt, erläutert Viskoper, seien nur bei einer geringen Zahl von Patienten die hypertonen Blutdruckwerte auf Angst und Aufregung zurückzuführen. Andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle. »Wer unter Stress steht und dazu kaum Bewegung hat und nicht gesund isst, vielleicht sogar auch noch raucht, hat oder bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit Blutdruckprobleme.« Auch genetische Veranlagung kann ein Risikofaktor sein. Viele Betroffene leben mit einer Dauerhypertonie, mindestens ein Drittel weiß von dem Zustand nichts. Dabei ist Bluthochdruck die gefährlichste Volkskrankheit, Ursache für Herzerkrankungen, Nierenschwäche und Schlaganfälle.
Seit Jahrzehnten macht Viskoper auf diese Gefahren aufmerksam. Lange war er in der praktischen medizinischen Arbeit und der Forschung an der Fakultät für die Wissenschaft des Lebens der Ben-Gurion-Universität und dem Barzilai-Medical-Center in Aschkelon tätig. In der Mittelmeerstadt führte er seit Anfang der 80er-Jahre eine Langzeitstudie durch, bei der 12.000 Menschen untersucht wurden. Dabei stellte sich heraus, dass 1.200 von ihnen Hochrisiko-Patienten waren – Menschen mit gefährlicher Hypertonie. »Diese Patienten haben wir im Zeitraum von zehn Jahren behandelt. Und nach noch einmal zehn Jahren haben wir bei ihnen eine Senkung der Sterblichkeitsrate um 24 Prozent erreicht.«
Ein bemerkenswertes Ergebnis dieser Studie war auch, dass es gelang, mit Entspannungsübungen den Blutdruck entscheidend zu senken. »25 Prozent der Pa-
tienten konnten danach sogar die Einnahme blutdrucksenkender Mittel einstellen.« Betreut wurden die Patienten in einem so-
genannten Vorbeugungszentrum. Nach dem Erfolg dieser Studie wurde in Israel ein Programm zur landesweiten Einrichtung solcher Zentren gestartet.
Als Bluthochdruck-Experte hat sich Reuven Viskoper auch international einen Na-
men gemacht. Zuletzt gehörte er acht Jahre lang dem Steuerungsausschuss der International Society of Hypertension an. Noch immer ist er zu Kongressen und Fachtagungen weltweit unterwegs. In Israel widmet sich der 70-Jährige inzwischen hauptsächlich seiner Arbeit im »Forum zur Verhinderung von Herz- und Gefäßkrankheiten«. Für diese Einrichtung hat er zahlreiche Aufklärungs- und Vorbeugungsprogramme entwickelt. »Wir bemühen uns, die Anstrengungen der Ärzte, Behörden und Krankenkassen zu bündeln, um die Zahl der Erkrankungen in Israel zu reduzieren.« Die Maßnahmen richten sich bereits an Kinder, die durch besondere Programme in den zweiten und dritten Klassen unter anderem über die Gefahren von Übergewicht aufgeklärt werden.
Auf der Internetseite www.2life.co.il bietet das Forum zudem zahlreiche Tipps für Menschen jedes Alters. Einer der wichtigsten ist, den Blutdruck immer mal wieder zu kontrollieren. Eine leichte Hypertonie liegt vor, wenn die Werte wiederholt bei einem Wert von über 140 zu 90 liegen. Wobei die Faustformel »140 als Obergrenze« nicht immer richtig ist: »Man kann schon ein hohes Risiko einer Herz-Gefäß-Erkrankung in sich tragen, wenn man Werte von 130 zu 90 misst, aber vielleicht raucht und zu viel Fettes isst.«
Viskoper rät dringend zu gesunder Le-
bensweise mit entprechender Ernährung: Viel Obst und Gemüse, wenig Fette, Fisch ja, Fleisch nur einmal pro Woche. »Und da bei der koscheren Zubereitung des Fleisches sehr viel Salz verwandt wird, kommt noch ein Problem hinzu. Man muss die Stücke etwa achtmal abwaschen, bis das Salz verschwunden ist.« Denn mit erhöhter Kochsalzaufnahme steigt der Blutdruck. Nicht nur in Fastfood, sondern auch in Suppen und anderen Speisen komme Salz in viel zu großen Mengen vor. Und ganz wichtig: viel Bewegung. »Wenigstens 90 Minuten in der Woche. Das muss gar nicht so schweißtreibend sein, es reicht das etwas schnelleres Gehen. Mindestens dreimal pro Woche. Besser mehr.« Ob er sich selbst an diese Ratschläge hält? »Selbstverständlich«, versichert er. Dazu gehört, dass er seinen Blutdruck häufig kontrolliert. »Heute hatte ich 126 zu 70. Das ist doch für mein Alter nicht schlecht, oder?«
Das Forum zur Verhinderung von Herz- und Gefäßkrankheiten trägt übrigens den Namen »Bischwil HaChaim« (»für das Leben«). Die Arbeit dort, so scheint es, ist zu Viskopers Lebensaufgabe geworden – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Reuven Viskoper hat für sein Engagement einen ganz besonderen Grund: die Schoa. Der geborene Holländer ist Auschwitz-Überlebender. »Für mich ist die Vergangenheit sehr lebendig. Tag für Tag.« Er habe stets viel gear- beitet, auch um die Erinnerung etwas verdrängen zu können. »Und was ich jetzt mache, geschieht freiwillig, das ist eine Art von Geschenk an Israel. Ich will damit etwas aus Dankbarkeit für die Tatsache geben, dass ich lebe.«

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