neurowissenschaft

Baumeister des Geistes

Sein Interesse für das Gehirn wurde vor etwa 30 Jahren geweckt – während seines Armeedienstes. Der junge Tsahal-Angehörige hatte seine Eltern früh verloren und kam sich selber in der Welt verloren vor. »Berufliche Entscheidungen haben immer psychologische Gründe«, sagt Idan Segev heute. »Ich wollte das Gehirn verstehen, weil ich mich selbst verstehen und Kontrolle über mein Leben haben wollte.« Die scheint der Hirnforscher inzwischen gefunden zu haben. Gerade hat er auf einem Fachkongress den Eröffnungsvortrag gehalten und entspannt sich im obersten Stockwerk eines Hochhauses, weit über den Dächern von Berlin.
Hoch hinaus will Regev auch heute noch. Er ist mittlerweile Inhaber des Lehrstuhls für Computational Neuroscience am »Interdisziplinären Zentrum für Neural Computation« an der Hebräischen Universität Jerusalem. So neu sind diese Fachrichtungen, dass es noch gar keine deutschen Begriffe für sie gibt. Ziel ist es, das Verhalten von Gehirnzellen mit Hilfe von Computermodellen zu simulieren. Und Segev möchte mithelfen, ein künstliches Gehirn zu bauen. Dabei wirkt er keineswegs wie Doktor Frankenstein oder der verrückte Professor, eher ein wenig jungenhaft mit seinem zerzausten, wenn auch inzwischen ergrauten Haar.

baukasten Und wie der Traum eines Jungen klingt auch der Plan, das menschliche Gehirn eins zu eins nachzubauen. Doch es handelt sich dabei keineswegs um die Spinnerei eines Einzelnen. Das »Blue Brain Project«, von dem die Rede ist, wurde 2005 von dem Biologen Henry Markram ins Leben gerufen. An der Ècole Polytechnique im Schweizerischen Lausanne steht ein Riesencomputer, den die Firma IBM zur Verfügung gestellt hat – »BlueGene«, der schnellste Rechner der Welt. Darin wollen Markram und Co. langfristig ein vollständiges Gehirn auf der Ebene von Mikroprozessoren nachbauen, wobei jeder Prozessor einer Gehirnzelle entspricht. Ein ehrgeiziges Unterfangen, denn das menschliche Gehirn hat etwa 100 Milliarden Zellen.
Zunächst beschränken sich die Forscher aber auf Rattengehirne. Einen Teil davon haben sie schon rekonstruiert: eine kortikale Säule, aus denen die Hirnrinde – die »graue Masse« – aller Säugetiere aufgebaut ist; ein Baustein des Gehirns, zwei Millimeter lang, aus 10.000 Zellen bestehend, nun durch 10.000 Chips repräsentiert.
synapsen Neurowissenschaftler, Informatiker und Biologen aus aller Welt sind am »Blue Brain Project« beteiligt. Die Praktiker sitzen in Lausanne, Idan Segev, studierter Mathematiker und Informatiker, sorgt von Jerusalem aus für die Theorie. »Wir haben noch keine umfassende Theorie des Gehirns«, bedauert er, »weil wir noch nicht genau wissen, wie es funktioniert. Erst wenn wir eine genaue Kopie eines Gehirns gebaut haben, die sich verhält wie ein wirkliches Gehirn, können wir sagen, wir hätten es verstanden.« Segevs Schwerpunkt ist dabei die Gedächtnisforschung. »Wenn wir etwas Neues lernen, entstehen neue Synapsen« – die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen – »beziehungsweise bestehende Synapsenverbindungen werden verstärkt. Der Mechanismus, nach dem das abläuft, lässt sich in mathematische Modelle übertragen, die dann wiederum in ein Computermodell umgesetzt werden können.«
Das Ganze ist nicht nur Spielerei. Segev und seine Kollegen hoffen, dass ein besseres Verständnis der Funktionsweise des Gehirns dazu beiträgt, neurologische Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder Autismus besser zu erklären und wirksamere Medikamente zu entwicklen.

freier wille Wäre ein solches Gehirn in der Maschine mit einem Bewusstsein ausgestattet? »Das muss es, sonst wäre es keine vollständige Rekonstruktion«, ist Segev überzeugt. »Wir können nicht sicher sein, ob es klappt, aber wenn, wird dieses Gehirn auch Bewusstsein haben.« Man könne es dann an Roboter anschließen, die sich wie Menschen verhielten. Noch klingt das nach Science Fiction, doch Segev hält es für realistisch, in 30 bis 40 Jahren so weit zu sein.
Doch wird ein solcher Roboter mit Computerhirn auch über einen freien Willen verfügen? Dies verneint Segev: Einen freien Willen gebe es ohnehin nicht. »Ich kann als Wissenschaftler in Ihr Gehirn schauen und weiß, bevor Sie es wissen, was Sie als nächstes tun werden. Ich sehe die unbewussten Abläufe, die Sie gar nicht mitbekommen. Sie glauben, Sie können sich jederzeit zwischen A und B entscheiden. Ich glaube das nicht. Das Gehirn ist ein physisches System, und ein solches kann per se keinen freien Willen haben, da es nach Naturgesetzen abläuft.« Es sei denn, schränkt Segev ein, wir hätten irgendetwas Fundamentales in der Physik bisher übersehen. »Denn jeder möchte das Gefühl haben, frei handeln zu können. Auch ich.« Sagt’s und bricht zu seinem nächsten Termin auf – freiwillig? Zurück bleibt ein leichtes Schaudern darüber, was der Blick ins eigene Gehirn wohl noch alles zutage fördert.

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