Radiostation

Auf einer Welle

von David Byers

Juden und Muslime in Großbritannien – dabei denkt man sicherlich erst einmal nicht an Frieden und Harmonie. Ein tief sitzender Argwohn ist im Nahostkonflikt verwurzelt – und hat Auswirkungen: Wie die Bombenattentate vom 7. Juli 2005 und der wachsende Antisemitismus bei britischen Muslimen. Heute gibt es zwischen Juden und Muslimen in Großbritannien etwa so viel Kontakt wie zwischen israelischen und palästinensischen Friedensstiftern.
Solche Überlegungen gingen Farooq Siddique, Leiter der muslimischen Kulturgesellschaft der Stadt Bristol, durch den Kopf, als er und eine Gruppe jüdischer und muslimischer Freunde beschlossen, dass sich daran etwas ändern müsse. »Ein jüdischer Freund von mir meinte, bei jedem terroristischen Anschlag – egal wo auf der Welt – reagiere die jüdische Gemeinde Bristols nervös, weil es in der Stadt nur 600 Juden und 30.000 Muslime gibt«, erzählt er. »Das machte mich sehr traurig. Ich fragte den Freund: ›Warum fühlst du dich so? Warum fühlst du dich nervös unseretwegen, meinetwegen?‹ Das war der Moment, in dem wir beschlossen, etwas zu ändern.«
Dank der Entschlossenheit Farooqs und einer Menge anderer Mitglieder der muslimischen und der jüdischen Gemeinde und Studenten, beherbergt die Stadt Bristol –ein Ballungsgebiet etwa 200 Kilometer westlich von London – heute eine der wichtigsten jüdisch-muslimischen interreligiösen Bewegungen des Landes. Am 1. Februar wurde in dieser Stadt ein ungewöhn- liches Projekt geboren – ein Radiosender mit dem Auftrag, Frieden und Harmonie zwischen den islamischen und jüdischen Gemeinden zu fördern.
Radio Salaam/Shalom wird über das Internet ausgestrahlt und von jüdischen und muslimischen Moderatoren gemacht, die eine Mischung aus Musik, Talk und Dokumentationen präsentieren. Anscheinend handele es sich um das erste derartige Projekt europaweit, sagt Farooq. »Bislang betreibt niemand in Europa einen solchen Sender. Wir machen hier Geschichte.«
Farooq Siddique, der dem Vorstand des Senders angehört, erklärt, dem Projekt liege der Gedanke zugrunde, etwas an der Feindschaft und dem Argwohn zu ändern, die zwischen den jüdischen und muslimischen Gemeinden auf lokaler und nationaler Ebene seit Langem bestehen. »Ich bin immer davon ausgegangen, dass die religiösen Juden zu den Menschen gehören, die Israel immer blindlings unterstützen«, sagt Farooq. »Mein jüdischer Freund seinerseits hat alle Muslime in religiöser Kleidung schlicht und einfach als potenzielle Terroristen angesehen. Jetzt denken wir anders übereinander. Das sind genau die Einstellungen, die wir hier zu verändern versuchen.«
Zu den Aufgaben des Senders gehöre es, die Menschen daran zu erinnern, dass Juden und Muslime eine lange Geschichte der Freundschaft verbindet. »Wir hörten auf, uns als Vettern zu betrachten und fingen an, uns als Feinde anzusehen. Die Frage lautet: Warum lassen wir es zu, dass die vergangenen 50 Jahren über ein Verhältnis bestimmen, das tausende Jahre alt ist?«
Um die Idee zu einem Radiosender zu verwirklichen, bewarben sich Vertreter der muslimischen und der jüdischen Gemeinde der Stadt sowie Studenten der Bristol University und der University of the West of England bei einer interreligiösen Stiftung der britischen Regierung um einen Zuschuss. Zu ihrer großen Überraschung und Freude wurden der Initiative 50.000 Pfund (75.600 Euro) zugesprochen. Und so wurde ihr Traum Wirklichkeit.
Die Rundfunkstation, die auf Englisch sendet, wird von 35 freiwilligen Mitarbeitern betrieben. Peter Brill, der jüdische Vorsitzende der Organisation, meinte, für ihn sei ein persönlicher Traum wahr geworden. »Die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen und Kulturen sind viel größer als alles Trennende. Leider ist die Ignoranz zwischen den beiden Religionen gegenwärtig enorm. Aber hier in Bristol besteht der Wunsch, an dieser Ignoranz etwas zu ändern und etwas übereinander zu erfahren.«
Nach Auskunft Brills errege der Sender in der Öffentlichkeit sehr großes Interesse: Die Zahl der Hörer sei seit seinem Start im vergangenen Monat sehr gestiegen. Auf den Medien-Seiten der englischen Tageszeitung The Guardian wurde von ihm berichtet, und auch international nimmt man ihn wahr: Vor wenigen Tagen bat der staatliche italienische Rundfunksender RAI um ein Interview.
Im ersten Monat gab es neben vielen anderen eine Sendung, die von einer muslimischen Mutter, Shazia Riaz, und ihren beiden Söhnen – dem zwölfjährigen Hanza und dem elfjährigen Ses – moderiert wurde. Ein anderes Programm mit dem Titel »Dana the Flying Carpet«, richtet sich an Kinder und bringt Lieder aus beiden Gemeinden auf Hebräisch und Arabisch sowie interkulturelle Lektionen.
Täglich von 15.00 bis 21.00 Uhr werden Wortbeiträge gesendet, in der übrigen Zeit läuft Musik. Der Sender ist abrufbar auf www.salaamshalom.org.uk.

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