von Michael Wuliger
Hängen Sie täglich mehr als zwei Stunden vor der Glotze? Trinken Sie regelmäßig Alkohol? Onanieren Sie lieber zu Pornos, statt mit Ihrer Frau oder Freundin zu schlafen? Dann sind Sie ein kaputter Typ – und damit repräsentativ für den Zustand des ehemals starken Geschlechts. Das schreibt Rabbiner Shmuley Boteach in seinem neuen Buch The broken American male and how to fix him (Der zerbrochene amerikanische Mann und wie man ihn wieder reparieren kann). Boteach, ein Schüler des verstorbenen Lubawitscher Rebben Menachem Mendel Schneerson, ist, so das Magazin Time, »Amerikas berühmtester Rabbiner«. Sein Millionenbestseller Kosher Sex von 1999 wurde in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Als erster Jude wurde er von der Londoner Times zum »Prediger des Jahres« ernannt.
»Der amerikanische Mann ist kaputt und verloren, seiner Würde beraubt«, konstatiert Boteach. Schuld daran sei eine aus den Fugen geratene Leistungsgesellschaft: »Anerkennung bekommt man nicht dafür, dass man seinen Kindern bei den Hausaufgaben hilft und seiner Frau treu ist. Nur Geld bringt Prestige und nur Macht bringt Respekt.« Wer von beidem nicht im Übermaß besitze, was auf 99 Prozent aller Männer zutreffe, fühle sich als Versager. Die Frustration darüber ließen die vermeintlichen Loser oft an Frau und Kindern aus. Manchmal als offene häusliche Gewalt, meist jedoch in subtileren, aber genauso zerstörerischen Formen, wie verbaler Erniedrigung oder auch »nur« emotionaler Vernachlässigung.
Zur Leistungsfixierung kommen die Schattenseiten der sexuellen Befreiung. »Männer sind mit Frauen zusammen, die zuvor mit so vielen Männern zusammengewesen sind, dass der moderne Mann das Gefühl hat, schon körperlich an Normen gemessen zu werden, die er unmöglich erreichen kann.« Statt Sex mit ihren Partnerinnen zu haben, flüchteten sich die verunsicherten Männer deshalb in Pornografie, die, so Boteach, in Amerika inzwischen epidemische Ausmaße angenommen habe. Andere Fluchtmechanismen seien exzessives Sportfantum, Arbeitssucht, Fremdgehen und Alkoholis- mus. Sie alle dienten immer nur einem selben Zweck, schreibt der Rabbiner, nämlich, sich seelisch zu betäuben. Der moderne Mann »will nichts fühlen, denn wenn er fühlt, dann Schmerz«.
Den Weg aus dieser Misere, in der Männer nur noch als »Leistungsmaschinen« funktionieren, sieht Boteach, wie es sich für einen orthodoxen Rabbiner ziemt, in einer Rückkehr zu den traditionellen Werten der Tora. Die Gesellschaft müsse weg von ihrer Fixierung auf Macht, Geld und Ruhm, hin zu einer größeren Achtung moralischer Leistungen. Und in den Familien solle der Mann endlich wieder das von einer liebenden Frau unterstützte Oberhaupt sein, statt nur »ein wandelnder Geldautomat«.
Männer, die sich in Boteachs Beschreibung wiedererkennen, mag eines trösten. Auch mit Geld und Macht würde es ihnen nicht viel besser gehen. Zu den kaputtesten Typen Amerikas rechnet der Rabbi den Immobilienmilliardär Donald Trump (»gibt ständig damit an, wie reich und sexuell begehrenswert er ist«), Popstar Michael Jackson (»Geisel seines öffentlichen Ruhms«) und natürlich Ex-Präsident Bill Clinton (»süchtig danach, im Mittelpunkt zu stehen, verträgt kaum Kritik«). Wer wohl alles in einer deutschen Ausgabe als typisch hiesiges Exempel des kaputten Promis figurieren würde?