Special Olympics

Alles Sieger

von Christine Schmitt

An Fahrkarten für die Straßenbahn hatten sie keinen Gedanken verschwendet. »Wir haben doch die Medaillen«, sagten die Sportler zum Kontrolleur. Stolz zeigten sie sie ihm immer wieder. »Wir kommen gerade vom Sportfest der Special Olympics«, argumentierten die Athleten, die geistig behindert sind, und ließen sich nicht von ihrer Siegerlaune abbringen. Denn wer da Medaillen gewinne, bräuchte kein Ticket mehr. Am nächsten Morgen klingelte prompt das Telefon im Büro von Gerd van Dam, Landesvorsitzender der Special Olympics Deutschland (SO) in Nordrhein- Westfalen. Der Schaffner erzählte ihm von der ungewöhnlichen Kontrolle, drückte aber beide Augen zu.
Gerd van Dam bekommt gute Laune, wenn er davon erzählt. »Sie geben mir so viel«, sagt der 62jährige über die geistig- und schwerbehinderten Menschen, die er trainiert, bei Sportfesten trifft und für die er ehrenamtlich acht bis zehn Stunden an mindestens fünf Tagen in der Woche im Einsatz ist. »Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.« Special Olympics bietet ganzjähriges Sporttraining und Wettbewerbe für geistig und mehrfach behinderte Menschen und will ihnen so helfen, mehr Anerkennung, Selbstvertrauen und Lebensfreude zu gewinnen.
Derzeit hat van Dam noch mehr um die Ohren als sonst: Am 12. September werden die viertägigen Special Olympics National Games in Berlin in der Max-Schmeling-Halle eröffnet. 2.500 Athleten aus Deutschland, Israel, Italien, England, Polen und den USA werden in die Hauptstadt kommen. Dazu 800 Trainer und Betreuer und noch einmal 1.000 freiwillige Helfer. In Basketball, Badminton, Judo, Roller-Skating, Gewichtheben, Boccia, Schwimmen, Leichtathletik, Tischtennis, Voltigieren, Reiten und Kanu soll um die ersten Plätze gekämpft werden. Gekämpft? Gerd van Dam winkt ab. Bei diesem Sportfest gibt es keine Verlierer, sondern nur Sieger. »Laßt mich gewinnen. Doch wenn ich nicht gewinnen kann, laßt mich mutig mein Bestes geben«, heißt der spezielle olympische Eid. Er habe es schon erlebt, daß ein Sportler kurz vor der Zielgeraden umkehrt, um einem Sprinter hochzuhelfen und mit ihm Hand in Hand ins Ziel zu laufen, erzählt van Dam.
Sein Büro ist zwar klein, dennoch möchte Gerd van Dam an keinem anderen Ort hinter einem Schreibtisch sitzen müssen. Denn durchs Fenster kann er auf die Alte Synagoge Essen schauen. Und die bedeutet dem liberalen Juden viel. Oft geht er einfach mal so hinüber. Als Jugendlicher kam er aus einem Dorf in Baden-Württemberg mit seiner Mutter nach Essen, hier trat er zum Judentum über, und hierher zog es den Vater zweier erwachsener Kinder auch wieder, als er aus Amerika zurückkam. Seit sechs Jahren ist er Ansprechpartner für Makkabi Essen, dessen Neugründung er damals angeregt hatte. Und seit Frühjahr dieses Jahres ist er als Fußballtrainer auch für die deutsche Makkabi-Auswahlmannschaft mit verantwortlich.
Gerd van Dam ist ein eher zurückhaltender, nachdenklicher Mensch. Aber wenn er von »seinen« behinderten Sportlern erzählt, wird seine Begeisterung spürbar. »Diese Athleten verlangen alles vom Trainer«, sagt er. Mitunter sagen sie ihm ins Gesicht, daß sie ihn nicht mögen. »Und was dann?« fragt van Dam vergnügt. Anfeuern, viel erklären und selber gute Laune haben – das kann helfen, die meisten langfristig zu motivieren. Aber auch die eigenen Erfolge regen an und die vielen Sportfeste, die van Dam mit organisiert. Zu denen lädt er gerne Schüler von Regelschulen und Sonderschulen ein, aber auch Sportidole wie die Fußballer von Rot-Weiß Essen oder ehemalige Spitzensportler wie Frank Busemann (Zehnkämpfer) oder Sabine Braun (Siebenkämpferin). Mit den Dankesbriefen, die er von Schülern und Lehrern erhält, könnte er Ordner füllen. »Wir sind von dem unbefangenen Miteinander von behinderten und nichtbehinderten Menschen auf dem Sportplatz begeistert«, heißt es immer wieder.
Am liebsten würde van Dam alle überzeugen, regelmäßig zu trainieren. Er selber joggt und geht regelmäßig ins Fitneßstudio. »Jeder Mensch kann Sport machen. Alle Menschen mit geistiger Behinderung sollten die Chance haben, sich fit zu halten und Spaß dabei zu haben.« So viele Menschen wie möglich zu erreichen, lautet seine Mission. Regelmäßig besucht er Behinderten-Werkstätten, um dort für Sport zu werben. Er fahndet nach Sponsoren und arbeitet mit Wohltätigkeitsverbänden zusammen. Dam nahm auch an Seminaren der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland teil, als es um behinderte Angehörige ging. Gerade in den jüdischen Gemeinden hofft er, noch mehr Menschen für den Sport gewinnen zu können. Vielleicht könnte man ja mal über ein Makkabi-Sportfest für behinderte Menschen nachdenken? Van Dam schweigt kurz, doch dann legt er los. »Ich könnte mir das so vorstellen: Sackhüpfen, Weitsprung aus dem Stand, Weitwurf, Rollstuhl-Parcours und ein schönes Rahmenprogramm für alle Nichtteilnehmer.«
Vor mehr als 35 Jahren, als Eunice Kennedy-Shriver, die Schwester von John F. Kennedy, gerade dabei war, Special Olympics ins Leben zu rufen, ging Gerd van Dam in die USA, um in Santa Cruz Sport und Marketing zu studieren. Schnell lernte er die SO kennen, die dort seit 1968 etabliert sind. Eunice Kennedy-Shriver arbeitete mit geistig behinderten Menschen und stellte fest, daß auch sie sehr viel Freude am Sport haben. In Amerika entstanden rasch Landesverbände, die diese Idee des besonderen Sportfestes mit trugen. SO ist die weltweit größte – vom Internationalen Olympischen Komitee offiziell anerkannte – Behindertensport-Bewegung. Mittlerweile gibt es sie in mehr als 190 Staaten. »In vielen Ländern sind Behinderte besser in die Gesellschaft integriert als hierzulande«, sagt van Dam. Zum Beispiel in den USA und in Israel. »Dort ist es normal, daß Behinderte bei der Eröffnungsfeier der Maccabiah mit den anderen Sportlern ins Stadion einlaufen.«
Nach seinem Studium in den Vereinigten Staaten kehrte Gerd van Dam nach Deutschland zurück und wurde sportlicher Leiter einer Behinderteneinrichtung. Die Idee der SO ließ ihn nicht los. 1991 wurde auch auf seine Initiative hin Special Olympics Deutschland gegründet. Wenig später erhielt er für seinen Einsatz das Bundesverdienstkreuz. Bis vor zwei Jahren war er Präsidiumsmitglied, dann Geschäftsführer der SO in Essen. Er möchte mehr Lan- desverbände aufbauen. »Mittlerweile haben wir zehn.« Doch das reicht ihm noch lange nicht.

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