Kardinal Meisner

Abgekoppelt

von Ingo Way

Schwer zu glauben, dass die Wirkung nicht kalkuliert war. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner pflegt seine Worte wohl zu setzen. Gedankenlosigkeit wird man ihm also nicht unterstellen können, als er am Freitag vergangener Woche anlässlich der Einweihung des neuen Kölner Diözesanmuseums im Dom predigte: »Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte.«
In der Tat ist Meisner das Wort »entartet« nicht einfach so rausgerutscht. Es findet sich im vorbereiteten Predigtmanu-
skript, das die Pressestelle des Erzbistums vorab zur Verfügung gestellt hatte. Der Kontext lässt sich unschwer als eine Anspielung auf das neue Kirchenfenster im Kölner Dom verstehen, das der Künstler Gerhard Richter entworfen hat. Meisner lehnt das Fenster als zu abstrakt und nicht christlich genug ab.
Die Öffentlichkeit konzentrierte sich auf die Assoziation zu dem Nazibegriff »entartete Kunst«. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, sagte: »Das ist ein Begriff, den die Nationalsozialisten in Bezug auf jüdische Kunst und Kultur gebraucht haben.« Der Kölner Schriftsteller Ralph Giordano warf Meisner mangelndes Geschichtsbewusstsein vor. Der Künstler Gerhard Richter sprach von einer »schlimmen Entgleisung«. Doch auch innerkatholisch sind Meisners Äußerungen nicht unumstritten. Die Deutsche Bischofskonferenz teilte der Jüdischen Allgemeinen auf Anfrage zwar mit, dass sie Meisners Worte und die Reaktionen darauf nicht kommentieren werde. Der Medienbischof der Bischofskonferenz, Gebhard Fürst, bezeichnete Meisners Wortwahl aber als »nicht nachvollziehbar«. Thomas Sternberg (CDU) vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken sagte, Meisners Kunstverständnis sei auch innerhalb der Kirche isoliert. »Die Autonomie der Kunst ist in unserer Kirche theologisch völlig unbestritten.« Er habe, so Sternberg, Mitleid mit einem Mann, »der in jedes Fettnäpfchen tritt«.
Bereits vor drei Jahren hatte Meisner Abtreibungen mit dem Holocaust verglichen. Im aktuellen Fall bedauerte er lediglich die »Missinterpretation« seiner Worte. Seinen Generalvikar Dominik Schwaderlapp ließ er mitteilen, Meisner habe genau das Gegenteil von dem gemeint, was ihm unterstellt werde. Das Vokabular einer »gottlosen« Gesellschaft sollte gegen diese selbst in Stellung gebracht werden. Zentralratspräsidentin Knobloch sagte, sie akzeptiere Meisners Klarstellung. Dennoch stehe das Wort »entartet« weiterhin im Raum.

Video

Was Sinwar kurz vor dem Überfall auf Israel machte

Die israelischen Streitkräfte haben Videomaterial veröffentlicht, das Yahya Sinwar am Vorabend des Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 zeigt

 20.10.2024

Gaza

100.000 Dollar für jede lebende Geisel

Der Unternehmer und ehemalige Sodastream-CEO Daniel Birnbaum hat den »guten Menschen in Gaza« ein Angebot gemacht

 20.10.2024 Aktualisiert

Baden-Württemberg

Jüdisches Mosaik in Karlsruhe beschädigt

War es ein Unfall, Vandalismus oder eine gezielte Tat?

 15.10.2024

80. Jahrestag

Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert an ermordete KZ-Häftlinge

Auch mehrere Kinder und Enkel von Opfern nahmen teil

 14.10.2024

Zahl der Woche

Unsere Zahl der Woche

Fun Facts und Wissenswertes

 11.10.2024

Kulturgeschichte

Erfundene Tradition

Wie das Dirndl zuerst jüdisch und dann nationalsozialistisch wurde

von Karin Hartewig  11.10.2024

Berlin

Wanderwitz: AfD »lebt ein völkisch-rassistisches Menschenbild«

Die rechtsextreme Partei vertrete »ihr Ziel der sogenannten Remigration ganz offen«, sagt der SPD-Abgeordnete

 11.10.2024

7. Oktober 2023

Baerbock betont Israels Recht auf Selbstverteidigung

»Wir stehen an Eurer Seite«, sagt die Außenministerin in Richtung Israel

 06.10.2024

Interreligiöser Dialog

»Jede Klasse ist da sehr verschieden«

Muslime und Juden gehen im Rahmen des Projekts »Meet2Respect« gemeinsam an Berliner Schulen

 05.10.2024