Rechtsextremismus

Gebete und Torastunden gestört

Screenshot der »Zoom«-Konferenz der Lauder-Morasha School in Berlin

Mit Nicknamen wie »Hitler«, auf dem Bildschirm gezeichneten Hakenkreuzen und dem Ruf »Jude, Jude«  haben Rechtsextremisten in den vergangenen Tagen mindestens vier Gebete und Torastunden gestört, die von Rabbinern in Deutschland per Zoom abgehalten wurden.

Rund um den 20. April, den Jahrestag des Geburtstags von Adolf Hitler, drangen die Täter in Online-Veranstaltungen der orthodoxen Rabbiner Avichai Apel (Frankfurt am Main) und Raphael Evers (Düsseldorf) ein.

Frankfurt In Frankfurt war eine Gruppe von etwa 15-jährigen Mädchen aus ganz Deutschland betroffen, die gemeinsam online Tora lernten.

Sie schrien »Jude, Jude«, gleichzeitig zeichneten sie Hakenkreuze auf den Bildschirm«, sagte Rabbiner Apel.

»Sie haben die Kontrolle über das ZOOM-Meeting übernommen. Sie schrien »Jude, Jude«, gleichzeitig zeichneten sie Hakenkreuze auf den Bildschirm«, sagte Rabbiner Apel der Jüdischen Allgemeinen. Er habe das Meeting sofort beendet.

»Man hat das Gefühl, dass jemand in die eigene Intimsphäre eindringt. Als Moderator kann ich das verkraften. Aber die Teilnehmerinnen fühlten sich von Nazis bedroht, viele konnten es nicht gleich verkraften. Das ist hart. Wir mussten mit vielen anschließend Gespräche führen«, berichtete der Frankfurter Gemeinderabbiner weiter.

Apel bilanzierte: »In der letzten Zeit hatte ich das Gefühl, dass alle mit Corona beschäftigt sind, dass wir alle gleich sind. Ich habe von Antisemitismus kaum etwas gemerkt. Und dann passiert so etwas am Abend von Jom Haschoa. Genau das Gegenteil von dem, was man sich wünscht.«

LEIPZIG Zudem störten Neonazis die Zoom-Übertragung des Maariw-Gebets von Rabbiner Zsolt Balla am Montagabend in der Synagoge von Leipzig sowie eine Veranstaltung der Lauder-Morasha School in Berlin. Rabbiner Balla sagte der Jüdischen Allgemeinen, er habe das Zoom-Meeting sofort beendet, nachdem sich ein Teilnehmer namens »Hitler« angemeldet habe und Fragen wie »Are you Jewish?«gestellt wurden.

Rabbiner Balla kündigte an, in Zukunft die Zugangsdaten für die Gebete bei Zoom nicht mehr zu veröffentlichen.

Noch am selben Abend habe er die Polizei informiert, die ihn umgehend zurückgerufen und seine Anzeige aufgenommen habe. Bei seinen Zoom-Meetings erlaube er schon seit Wochen keine Teilnahme per Bild, sagte Balla. »Jetzt sind wir noch vorsichtiger als vorher.«

Mit solchen Vorfällen habe er nicht gerechnet: »Die Welt ist noch nicht ganz so, wie wir sie uns vorgestellt hatten.« Balla kündigte an, in Zukunft die Zugangsdaten für die Gebete bei Zoom nicht mehr zu veröffentlichen. Er überprüfe jetzt genau, wer sich anmelde, sagte er.

Er werde die Videokonferenzplattform auch in Zukunft weiter nutzen, betonte Balla. Die Gebete in den Tagen nach dem Vorfall, die der Leipziger Rabbiner dreimal am Tag online überträgt, seien ungestört verlaufen.

Düsseldorf Der Düsseldorfer Gemeinderabbiner Raphael Evers berichtete: »Wir hatten am Sonntagabend einen Schiur auf ZOOM. Etwa zehn Leute haben daran teilgenommen, die meisten von ihnen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.«

Um 21 Uhr 35 kam ein neuer Teilnehmer dazu. Der Bildschirm teilte sich, und der Mann schrieb darauf: ›Heil Hitler‹ und ›Hitler did nothing wrong‹. Ich sah, wie sich noch zwei Leute einloggten und der Bildschirm sich teilte. Zum Schluss wurden auch pornografische Bilder gezeigt.«

Er sei vollkommen geschockt gewesen, sagte Rabbiner Evers: »Ich konnte einfach nicht glauben, dass das passiert. Ich war wie gelähmt. Ich wollte das Meeting beenden, aber es dauerte eine Minute, bis ich den Aus-Knopf gefunden hatte.«

Er werde jetzt  keine IDs mehr für ZOOM-Meetings veröffentlichen: »Wir müssen jetzt alle Teilnehmer vorab kontrollieren«, so Evers.

HÄUFUNG In den vergangenen Wochen ist es laut der amerikanischen Anti-Defamation League häufiger zu ähnlichen Störaktionen (»Zoom-Bombing«) rechtsextremer Aktivisten gekommen.

Am Vorabend des Holocaust-Gedenktags Jom Haschoa wurde eine von der israelischen Botschaft in Deutschland organisierte Online-Diskussion mit einem Holocaust-Überlebenden gestört. Anti-israelische Aktivisten hatten den Vortrag des aus Israel zugeschalteten Tswi Herschel unterbrochen, Bilder von Adolf Hitler gezeigt und antisemitische Slogans gerufen.

»Der Vorfall bestätigt alle Befürchtungen: Rechtsradikale nutzen die Corona-Krise skrupellos aus, um ihr braunes Gift zu verbreiten«, warnt Zentralratspräsident Schuster.

Die Veranstaltung auf der Videoplattform Zoom, bei der rund 30 Menschen zugeschaltet waren, musste daraufhin unterbrochen werden. Sie konnte aber kurze Zeit ohne die Störer fortgesetzt werden. Die Veranstaltung war vor wenigen Tagen von der Botschaft via Facebook angekündigt worden und zunächst offen für alle Interessenten. Der Berliner Staatsschutz hat Ermittlungen aufgenommen.

ZENTRALRAT Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte der Jüdischen Allgemeinen, der Vorfall »bestätigt alle Befürchtungen: Rechtsradikale nutzen die Corona-Krise skrupellos aus, um ihr braunes Gift zu verbreiten. Dabei schrecken sie wie immer nicht davor zurück, das Leiden der Schoa-Überlebenden mit Füßen zu treten und sie erneut zutiefst zu verletzen. So sehr die staatlichen Ressourcen durch die Pandemie gebunden sind, darf trotzdem der Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht vernachlässigt werden«, forderte der Zentralratspräsident.

Auch in Frankreich und vielen anderen Ländern gibt es zunehmend Probleme mit antisemitischen Störungen von Zoom-Konferenzen. Francis Kalifat, der Präsident des französischen Dachverbands der jüdischen Gemeinden in Frankreich (CRIF), twitterte am Mittwoch, er habe sich wegen des »Zoom-Bombings« an den Chef des Unternehmens in Frankreich gewandt.

»Ich habe ihn auf die Sicherheitsverletzungen der vergangenen Wochen angesprochen und habe ihn gebeten, alles zu tun, um die Ausbreitung des Hasses zu bekämpfen«, so Kalifat.

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Bereits Anfang April hatte der britische Community Security Trust (CST) eine Liste mit Sicherheitsempfehlungen zum Live-Streaming erstellt. Gemeinden sollten beispielsweise darauf achten, wo sie die Einladungen und Passwörter für die Meetings posten.

Gemeindemitglieder sollten direkt eingeladen werden. Das sei sicherer, als das Meeting öffentlich anzukündigen. Allerdings würde dies bedeuten, dass Nichtmitglieder nicht an den Online-Veranstaltungen teilnehmen könnten. Die Gemeinden, so der Hinweis von CST, sollten sich bemühen, eine richtige Balance zu finden. (mit kat)

Lesen Sie mehr in der kommenden Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

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