Iris Berben

Israel im Herzen

»Ich bin noch furchtloser geworden«: Iris Berben Foto: imago

Iris Berben kommt in einem sommerlichen Tunika-Kleid, sie nimmt ihre Corona-Maske ab und begrüßt einen Schauspielkollegen. Die beiden plaudern. In der Lounge eines Hotels über den Dächern Berlins, wo Presse- und Fernsehleute warten, wird es auf einmal still. Alle hören zu. Im deutschen Film- und TV-Geschäft gibt es nur wenige Schauspielerinnen, die in der Liga von Iris Berben spielen. An diesem Mittwoch wurde sie 70 Jahre alt.

Mehr als 150 Rollen, eine lange Liste mit Preisen, politisch engagiert, ein Leben mit Geheimnissen: Wenn es eine Fernsehkönigin gäbe, dann wäre es Iris Berben. Während des dpa-Interviews sagt sie einem zögernden Fotografen mit leichter Ironie: »Drücken Sie ab. Es wird schon gut gehen.« Das stimmt natürlich, sie sieht gut aus.

DIVA Ein Fernsehkollege sagt: Sie sei eine Diva – wenn das positiv für eine ausdrucksstarke Frau gemeint ist. Sie lache gern über sich selbst. Wer sie trifft, merkt: Sie ist eine nachdenkliche Frau, die überlegt, was sie sagen möchte. Ihre Stimme hat Gewicht. Sie weiß, dass sich eine unbedachte Äußerung schnell verselbstständigt.

Ganz früher war sie mal mit dem Sänger Abi Ofarim liiert, mehr als 30 Jahre war sie mit dem israelischen Geschäftsmann Gabriel Lewy zusammen.

Zum Thema Alter ist Berben, mittlerweile zweifache Großmutter, oft gefragt worden. So oft, dass ein Artikel einmal nur Interviewfragen dazu versammelt hat. »Super, oder? Andere nehmen so viel mehr an meinem Alter Anteil als ich selbst. Ich lebe einfach von einem Tag zum nächsten«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Charakterdarstellerin, Sexsymbol, Ulknudel. Etiketten hatte sie in ihrer Filmkarriere einige. Ihr Leben im Schnelldurchlauf: Geboren in Detmold bei Bielefeld, aufgewachsen in Hamburg, von der Schule geflogen, in der 68er-Protestszene gelandet, bei Demos mitmarschiert. Erste Filme mit den Programmkino-Größen Rudolf Thome und Klaus Lemke. Die Fernsehzuschauer kennen sie seit den 70er Jahren, seit »Zwei himmlische Töchter« mit Ingrid Steeger, später folgte »Sketchup« mit Diether Krebs - mit Einschaltquoten von 40 Prozent.

Ein Meilenstein war die Familienserie »Das Erbe der Guldenburgs«, in den 80er Jahren Deutschlands Antwort auf den »Denver-Clan«. Ein Kritiker fand: »Selten gab es Iris Berben besser als in der Rolle der labilen Grafentochter.« Später kamen die »Die Patriarchin«, »Die Buddenbrooks«, »Der Wagner-Clan«, »Die Protokollantin«, »Hanne«. Fernsehen mit Anspruch. Aber auch Internationales ist dabei: Mit Cannes-Gewinner Ruben Östlund (»The Square«) drehte sie aktuell das satirische Drama »Triangle of Sadness«.

PARTNER Fast 20 Jahre lang, bis 2013, spielte sie die ZDF-Kommissarin »Rosa Roth«– wie so oft ein Gemeinschaftswerk mit ihrem 1971 geborenen Sohn Oliver Berben, einem der wichtigsten Produzenten in Deutschland. Das führt zum Kapitel »Privates«. Sie lebt in Berlin. Ganz früher war sie mal mit dem Sänger Abi Ofarim liiert, mehr als 30 Jahre war sie mit dem israelischen Geschäftsmann Gabriel Lewy zusammen, danach folgte bis heute der Stuntman und Unternehmer Heiko Kiesow. »Mein Partner« nennt sie ihn.

Ein wichtiger Begleiter in ihrem Leben war auch Terrier Paul, der vor zwei Jahren starb. Wie wäre es mit noch einem Hund? »Mit Paul Berben kann keiner mithalten. Er ist die große Liebe. Er war 17 Jahre bei mir und ist immer noch da. Er lässt mich nicht los, um anderen Platz zu geben.«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Iris Berben: »Sie beziehen klar und kompromisslos Position gegen jede Form von Antisemitismus, Ausgrenzung, Gewalt und Ressentiment«.

ISRAEL Besonders am Herzen liegt ihr Israel. Sie drehte eine Fernsehreportage über das Land, engagiert sich gegen Antisemitismus und bekam den renommierten Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland. Auch das deutsche Kino hat sie als eine Fürsprecherin. Sie war neun Jahre lang Präsidentin der Deutschen Filmakademie, war die Stimme der Branche und hat sich auch in der MeToo-Debatte zu Wort gemeldet. Was sie da über den einst mächtigen Regisseur Dieter Wedel sagte, war wenig schmeichelhaft.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte der Schauspielerin bereits am Dienstag. In seinem Schreiben heißt es: »Als wundervolle Schauspielerin begeistern Sie Ihr Publikum schon so viele Jahre – sei es als Kommissarin, als Komödiantin oder als zerrissener Charakter. Wir Zuschauer können Ihnen nur immer wieder aufrichtig danken für den Zauber Ihrer vielfältigen Schauspielkunst.«

Der Bundespräsident dankte Berben auch »für Ihr großes Engagement für Demokratie und Toleranz. Sie beziehen klar und kompromisslos Position gegen jede Form von Antisemitismus, Ausgrenzung, Gewalt und Ressentiment« - gerade, da vielerorts wieder ein Klima der Hetze, der geistigen Brandstiftung und Stimmungsmache zu erleben sei.

Und Steinmeier fuhr fort: »Mit Ihrem ganz persönlichen Einsatz und Ihrer Haltung sind Sie zum Vorbild für alle diejenigen geworden, die um ihre Verantwortung vor unserer Geschichte, vor den Opfern und auch den Überlebenden wissen. Sie mischen sich ein und zeigen Gesicht. Für all das sage ich Ihnen heute meinen Dank.«

THRILLER Am Montag lief im ZDF der Thriller »Nicht tot zu kriegen« von Nina Grosse. Dort spielte Berben eine alternde Schauspieldiva mit Pelzmantel und Roséflasche, die sich melancholisch alte Filme ansieht. Ein Stalker bedroht sie, ein Ex-Polizist (Murathan Muslu) soll ihr helfen, als Bodyguard. Ein klassischer ZDF-Thriller mit etwas München-Touch wie in der Serie »Kir Royal«.

»Ich will wissen, was noch möglich ist. Ich bin noch furchtloser geworden, gesichertes Terrain zu verlassen.«

Iris Berben

Kennt Berben das Diven-Szenario aus dem Film? Als sie in der Vorbereitung alte Fotos und Filme durchguckte, kam sie, die von den wilden 60ern und 70ern geprägt ist, ins Grübeln. »Natürlich bleibt man da mal hängen und denkt: Hat man eigentlich noch diese Rotzigkeit wie mit 20? Dieses Gefühl, mir gehört sowieso die Welt. Es war eine tolle Zeit. Es gibt auch Melancholie. «

Vor ihrem 70. Geburtstag sprach der Freigeist aus ihr: »Ich will wissen, was noch möglich ist. Ich bin noch furchtloser geworden, gesichertes Terrain zu verlassen.« Den Geburtstag feiert sie nicht. Sie dreht. »So wie ich gerne feiern würde, geht es ja dieses Jahr nicht. Champagner kann ich auch alleine trinken.« dpa

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