Schweiz

Corona-Rebellen und Schoa-Verharmloser

Der Innenraum der Synagoge in Basel Foto: picture alliance/KEYSTONE

Die Zahl der registrierten physischen Gewalttaten gegen Juden blieben in der Schweiz 2020 auf einem relativ niedrigen Niveau. Allerdings gab es vor allem im deutschsprachigen Landesteil wegen der Corona-Pandemie vermehrt antisemitische Statements im Internet.

AUSLÖSER Nach dem am Dienstag vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) veröffentlichten Jahresbericht für die Deutschschweiz, der in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) erstellt wurde, sticht vor allem die Zunahme judenfeindlicher Verschwörungstheorien hervor. Hier gebe es, so der SIG-Bericht, einen signifikanten Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Diese habe sich als »Antisemitismus-Trigger« erwiesen.

Außerhalb des Online-Bereichs wurden 2020 in der Deutschschweiz insgesamt 47 antisemitische Vorfälle registriert. Darunter waren 11 Beschimpfungen,15 Schmierereien und eine Sachbeschädigung. Tätlichkeiten gegen Juden wurden 2020 keine gemeldet. Damit bewege sich die Anzahl der Vorfälle wie im Vorjahr auf einem tiefen Niveau, mit Ausnahme einer Steigerung bei den Schmierereien, so der Bericht.

Da die Erhebungen auf freiwilligen Meldungen basierten, könne man aber von einer gewissen Dunkelziffer ausgehen. Dasselbe gelte für den Onlinebereich, in dem zusätzlich aufgrund des immensen Umfangs eine vollständige Abdeckung nicht möglich gewesen sei, erklärte der Verband in einer Pressemitteilung. Als hochproblematisch wertete der SIG die zunehmende Instrumentalisierung der Schoa unter den Corona-Rebellen.

CORONA-LEUGNER Mit 485 Fällen wurden 2020 im Netz exakt so viele Vorkommnisse wie 2019 registriert, was einem Verharren auf einem hohem Niveau entspreche. Innerhalb dieses Felds seien aber bemerkenswerte Verschiebungen in den Kategorien zu beobachten. Im Umfeld von Corona-Leugnern und innerhalb von Gruppenchats des Messenger-Dienstes Telegram seien zahlreiche antisemitisch eingestellte Personen aufgefallen. Fast ein Drittel aller Fälle wurden in sieben dieser Gruppenchats registriert.

Es habe aber auch kritische Reaktionen auf antisemitische Posts gegeben, betonte der SIG, ein »mehrheitsfähiges, antisemitisches Gedankengut bei den Corona-Rebellen« könne somit nicht erkannt werden. Zudem seien in der Deutschschweiz im Vergleich zu anderen Ländern weniger judenfeindliche Vorfälle in Zusammenhang mit der Pandemie verzeichnet worden.

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Der SIG und die GRA forderten die Behörden dazu auf, mehr bei der Prävention und Strafverfolgung zu tun. Andererseits müssten sich die Betreiber der sozialen Netzwerke ihrer Verantwortung stellen und Maßnahmen gegen die Verbreitung antisemitischer Inhalte treffen.

»Hochproblematisch« seien wiederum die in der Szene der Corona-Leugner beobachteten Vergleiche der aktuellen Situation mit der der Juden während der Schoa. Mehrfach seien »Judensterne« mit der Aufschrift »ungeimpft« oder »Maskenattest« sowohl bei Telegram als auch auf Demonstrationen gesichtet worden, so der Dachverband.

SIG und GRA riefen eindringlich dazu auf, die Instrumentalisierung der Schoa als Element politischer Debatten zu unterlassen und entgegenzutreten.

WESTSCHWEIZ In der französischsprachigen Westschweiz wird der jährliche Antisemitismusbericht von der Coordination Intercommunitaire contre l’Antisémitisme et la Diffamation (CICAD) separat erhoben. Die Entwicklungen seien aber grundsätzlich in beiden Landesteilen ähnlich.

Bei den Vorfällen ohne Onlinebereich wurde in der Westschweiz eine Abnahme bei körperlichen und verbalen Übergriffen und kein Vandalismus gegenüber Synagogen verzeichnet. Im Internet erfasste das CICAD hingegen eine deutliche Zunahme von Vorfällen. Die Leugnung der Schoa, ein kleineres Phänomen in der Deutschschweiz, sei im Jahresvergleich wieder zurückgegangen, so der SIG in seiner Pressemitteilung.

Allerdings sind offenbar seit Jahresbeginn und dem am 22. Dezember verhängten Lockdown in der Schweiz die antisemitischen Vorfälle wieder in die Höhe geschnellt. Vergangene Woche wurde die Synagoge von Biel im Kanton Bern geschändet; Unbekannte ritzten ein Hakenkreuz und Hassparolen in die Tür des Gotteshauses. mth

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