Tourismus

Mit Miki nach Betlehem

Hey Miki, keif al-hal? Wie geht es dir?», ruft der palästinensische Polizeibeamte und läuft lächelnd auf die Touristengruppe zu. Reiseleiter Miki Horesh öffnet seine Arme. «Hissam! Alhamdulillah, schukra», sagt er auf Arabisch, lacht und drückt dem Beamten zwei Küsse auf die Wangen. «Schön, wieder hier zu sein.» Hier, das ist im Herzen Bethlehems, auf dem Krippenplatz vor der Geburtskirche. Hier, mitten im Westjordanland, wo sich nun ein israelischer Touristenführer und ein palästinensischer Polizist in den Armen halten. Die amerikanischen Reisenden, die Miki Horesh heute führt, halten den Moment mit ihren Kompaktkameras fest.

Stimmung «Seht ihr, ich fühle mich hier sicher», sagt Horesh kurz darauf, als er seinen Freund aus Bethlehem loslässt. «Man kennt mich hier, und Hissam und seine Kollegen sorgen schon dafür, dass nichts passiert.» Die leicht sorgenvollen Züge in den Gesichtern der amerikanischen Touristen aus Horeshs Gruppe entspannen sich langsam. Natürlich vertrauten sie Miki, er sei ein toller Reiseleiter – aber beim Anblick der israelischen Sperranlage und des militärischen Kontrollpunkts, den der aus Jerusalem kommende Bus passieren musste, um in das im Westjordanland gelegene Bethlehem zu gelangen, sei ihnen doch etwas mulmig geworden. «Man kennt das zwar alles aus dem Fernsehen», sagt die Touristin Lauryn Corbin aus Washington D.C., «aber das dann in echt zu sehen ist schon etwas anderes».

Miki Horesh hingegen versetzt es noch immer in eine fast schon euphorische Stimmung, wenn er den Übergang überqueren darf. Keine Unsicherheit, keine Furcht spürte der Reiseleiter aus Haifa, als er im Juni zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder nach Bethlehem kommen durfte. Nur reine, pure Freude. «Ich habe auch während der Intifada über all die Jahre den Kontakt zu meinen Freunden hier gehalten», sagt der 54-Jährige.

Mit dem Ausbruch des zweiten Palästinenseraufstandes war Bethlehem – wie alle anderen Städte der Autonomiegebiete – zur Sperrzone für jüdische Israelis geworden. Aus Sicherheitsgründen. Dass heute nun wieder israelische Reiseführer ihre Besuchergruppen nach Bethlehem begleiten dürfen, ist für Raphael Ben-Hur, Generaldirektor des israelischen Tourismusministeriums, ein starkes Symbol. «Wenn die Armee uns dort hineinlässt, dann heißt das ja, dass sie davon ausgeht, dass wir heil wieder raus kommen», sagt er. Das im Juni mit je 25 israelischen Reiseleitern und Busfahrern gestartete Pilotprojekt läuft so gut, dass es nun aufgestockt werden soll. 200 weitere Touristenführer und Fahrer haben gerade die Erlaubnis bekommen, mit ihren Reisegruppen die Städte Bethlehem und Jericho betreten zu dürfen. «Das ist ein riesiger Erfolg», schwärmt Ben-Hur. «Der Tourismus ist eine Brücke für den Frieden. Hier klappt, was die Politik nicht hinbekommt.»

Miki Horesh ist mit seiner Besuchergruppe mittlerweile in einer der Felskammern unterhalb der Katharinenkirche angekommen, die neben der Geburtskirche liegt. Die 18 amerikanischen Touristen, die die Israel-Reise als Pauschal-Paket in den USA gebucht haben, sind schon seit einer Woche mit «Miki», wie sie ihn nennen, unterwegs. Horesh erzählt in fließendem Englisch von Herodes, von dem Kindermord und von Marias und Josefs Flucht nach Bethlehem. «Erinnert ihr euch an Herodes?», fragt Horesh in die Runde. «Das Grab von ihm, das Herodium, haben wir vom Bus aus gesehen.»

Rundreise Zehn Tage lang begleitet Horesh die Gruppe, ist 24 Stunden am Tag für sie da. In Tel Aviv, Jaffa, Caesarea, Haifa, Akko, Nazareth und anderen Orten Galiläas sind sie bereits gewesen, am Morgen haben sie die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem besucht. Und nun Bethlehem. «Früher, als ich nicht mit rüber durfte, musste ich meine Leute immer am Checkpoint alleine lassen – und wusste dann nicht, was auf der anderen Seite mit ihnen passiert. Ein schlechtes Gefühl», erinnert sich Horesh, der – obwohl im gleichen Alter wie die meisten seiner Reiseteilnehmer – ein bisschen wie der Vater der Gruppe wirkt. Zehn Mal ist er seit Projektbeginn nun schon wieder in Bethlehem gewesen, «und ich genieße jeden Moment hier». Auch die Reiseteilnehmer sind froh, dass ihr Tourleiter sie begleitet. «Der Vorteil ist, dass Miki in den ersten Tagen unserer Reise das Fundament gelegt hat», sagt Lauryn Corbin. «Jetzt kann er sich immer wieder auf Dinge beziehen, die wir schon gesehen haben oder die er uns schon erzählt hat.»

Hoffnung Dass ein jüdischer Israeli sie ins palästinensische Westjordanland begleitet, sieht niemand als Problem an. «Mi-
ki hat uns einen soliden, unvoreingenommenen Hintergrund geliefert, hat uns alle Perspektiven – die der Juden, die der Christen und Muslime, die der Israelis, die der Palästinenser – aufgezeigt», sagt Carl Ferris aus Florida. «Ganz ehrlich, ich fahre nach dieser Reise nach Hause mit dem Gefühl: Es gibt Hoffnung!»

Hoffnung, zumindest für seine Freunde in Bethlehem, hat auch Miki Horesh. «Die Christen hier stehen mit ihren Problemen ja zwischen den Juden und den Muslimen», sagt der 54-Jährige. «Wir wissen, dass sie nicht Teil des Konflikts sind. Auch sie sind von der Intifada stark getroffen worden.» Die Wirtschaft vor Ort anzukurbeln, ist daher ein weiteres Ziel des Projekts. Ein Stopp im Souvenir-Shop der «Lama Brothers» ist auf jeder Tour Horeshs eingeplant wie das Mittagessen im Sababa-Restaurant. Als die Gruppe den geräumigen Laden betritt, ist die Überraschung groß: Neben Krippenfiguren und Rosenkränzen, neben Holzkreuzen und Jesus-Abbildungen steht in Glasvitrinen eine riesige Judaica-Sammlung: Chanukkiot, Mesusot und siebenarmige Leuchter in massivem Silber. «Miki, sind das nicht jüdische Symbole? Warum verkaufen die das denn dann hier?», fragt eine Touristin. Horesh schmunzelt: «Warum denn nicht? Ich habe euch doch gesagt, wir verstehen uns gut.»

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