Österreich

Wo Pakistanis und Israelis miteinander reden

Nir Boms (l.) und Mustafa Jalil Foto: Alexia Weiss

Ein warmer Sommertag Anfang August. Mustafa Jalil und Nir Boms trinken gemeinsam auf dem Campus der Universität Wien Kaffee. »Wären wir nicht hierhergekommen, könnten wir nicht persönlich miteinander sprechen«, sagt Jalil, und Boms nickt. Jalil ist Moslem und Pakistani, Boms Jude und Israeli. Da Pakistan Israel nicht anerkennt, gibt es für gegenseitige Besuche keine Visa.

Jalil, im Marketing tätig, so wie Boms, Journalist, Student und als Vertreter des Jüdischen Weltkongresses nach Wien gereist, sind zwei der insgesamt 60 jungen Teilnehmer der ersten »Muslim Jewish Conference« (MJC). Die Kaffeepause zwischen zwei Diskussionsblöcken nutzen die meisten, um im Freien zu plaudern. Es ist genau diese lockere offene Umgebung, die Jalil staunen lässt. »Wir können hier als Individuen aufeinanderzugehen, auf einer persönlichen, privaten Ebene.«

Alliierte Natürlich gebe es Stereotype und Vorurteile und diese habe man heute als Jude und Moslem über die jeweils andere Gruppierung im Kopf. »Die Medien berichten tendenziell negativ über Moslems«, meint etwa Jalil. Boms wiederum räumt ein, dass man als Jude einem gläubigen Moslem meist abspricht, aufgeschlossen zu sein. »Dabei müssten wir einander als Alliierte sehen«, betont Jalil. Und gemeinsam gegen Ausgrenzung kämpfen.

Mit dieser Meinung ist Jalil ganz auf der Linie von Walter Ruby, einem der Gastredner der Konferenz. Ruby, ein säkularer Jude aus New York, ist seit drei Jahren Muslim Jewish Relations Officer der »Foundation for Ethnic Understanding« (FFEU). Seit 2008 organisiert die Organisation jeweils im November ein »Weekend of Twinning«. Weltweit kooperieren dabei jeweils eine Moschee und eine Synagoge und veranstalten ein gemeinsames Programm.

Miteinander Rubys Funktion dabei: »Ich bin sozusagen der Schadchen. Ich bringe die Rabbis und Imame zusammen.« Dabei laute seine Botschaft: »Wir können es uns nicht leisten, zu warten. Wir müssen zu einem guten Miteinander kommen. Wahrscheinlich können wir nicht den Nahostkonflikt lösen. Aber wir können in unserer Nachbarschaft dafür sorgen, dass wir gut zusammenleben.«

MJC-Generalsekretär Ilja Sichrovsky findet es wichtig, die moslemisch-jüdischen Beziehungen auf einer globalen Ebene zu sehen. Es sei bedauerlich, findet er, dass junge Leute aus dem Westjordanland, die nach Wien zu der Konferenz anreisen wollten, kein Visum erhalten haben. Aber auch Interessenten aus Nigeria und Venezuela ist die Einreisegenehmigung verwehrt worden. »Es ist schade – aber die Abwesenheit gefährdet nicht die Idee dieser Konferenz.«

Das Ziel der Konferenz, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man miteinander in einen Diskurs eintrete, sei erreicht worden. Es werde miteinander geredet, aber immer auf einer sachlichen, nicht verletzenden Ebene. Verbale Übergriffe hat es in dieser Woche nicht gegeben. »Schockierenderweise nicht«, sagt Sichrovsky. Schockierenderweise? »Weil es mich positiv schockiert, dass tatsächlich über fast alles diskutiert werden kann.« Die drei großen Themenblöcke, die von den Konferenzmachern vorgegeben waren, lauteten: Islamophobie und Antisemitismus, Abbau von gegenseitigen Stereotypen und Vorurteilen durch Bildung sowie die Rolle der Medien.

Kontaktnetzwerk Organisator Ehab Bilal, Wiener Moslem mit libyschen Wurzeln, geht ebenso wie Sichrovsky davon aus, dass die Konferenz nur der Start einer globalen Plattform war. »Es wäre schade, hier nicht darauf aufzubauen«, so Bilal. »Mein Ziel war ja auch, ein Kontaktnetzwerk aufzustellen – und es klappt«, zeigt sich Sichrovsky erfreut. »Die MJC funktioniert nicht als einwöchiges Event, sie funktioniert nur, wenn es Nachhaltigkeit gibt.«

Damit es dazu kommen kann, sind die beiden Organisatoren auf der Suche nach finanzieller Hilfe von einer Stiftung oder einem Spender. Mit etwas Glück finden sich möglicherweise ein jüdischer und ein moslemischer Unterstützer. Bilal und Ilja würde dies ganz besonders freuen.

Mexiko

Präsidentschaftskandidatin von Bewaffneten aufgehalten

Steckt ein Drogenkartell hinter dem bedrohlichen Zwischenfall?

 22.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

USA/Israel

Biden: Pessach-Fest ist besonders hart für Familien der Geiseln

Die abscheulichen Gräueltaten der Hamas dürften niemals vergessen werden, sagt der Präsident

 22.04.2024

Ukraine

Mazze trotz Krieg

Kyivs älteste Synagogen-Bäckerei produziert seit Jahrzehnten, und nun auch bei Raketenbeschuss

von Michael Gold  22.04.2024

Pessach

Der eigene Exodus

Wie erlangt der Mensch persönliche Freiheit? Wir haben sechs Jüdinnen und Juden gefragt

von Nicole Dreyfus  22.04.2024

London

Initiative gegen Antisemitismus: Polizeichef soll zurücktreten

Hintergrund ist ein Vorfall bei einer antiisraelischen Demonstration

 22.04.2024

Columbia University

Nach judenfeindlichen Demos: Rabbiner warnt eindringlich

Jüdische Studierende sind auf dem Campus nicht mehr sicher, sagt Elie Buechler

 22.04.2024

London

Polizeichef steht in der Kritik

Die »Initiative Campaign Against Antisemitism« fordert den Rücktritt von Sir Mark Rowley

 21.04.2024

Großbritannien

Der erste Jude in 1000 Jahren

Nick Rubins ist neuer Sheriff von Nottingham – und hat nur bedingt mit Robin Hood zu tun

von Sophie Albers Ben Chamo  20.04.2024