Schweiz

Zwecks späterer Heirat

Auf der Suche nach dem Richtigen: Regisseurin Gabrielle Antosiewicz in ihrem Dokumentarfilm »Matchmaker« (Schweiz 2005) Foto: c-films

David (31) möchte endlich eine jüdische Frau und mit ihr eine Familie gründen. Der Single-Mann wohnt in Basel und arbeitet für ein Pharmaunternehmen. »In der Schweiz eine jüdische Frau zu finden, ist schwierig. Ich kenne doch schon alle, die für mich infrage kommen«, konstatiert er.

Der Genferin Sara geht’s ähnlich. Vor Kurzem feierte sie ihren 33. Geburtstag. Die Ärztin hat sich bislang voll ihrem Studium gewidmet und möchte nun endlich einen jüdischen Mann für eine ernsthafte Beziehung kennenlernen. »Die Gemeinde in der Schweiz hat bescheidene 18.000 Mitglieder. Da ist die Auswahl an Männern, die mir entsprechen, sehr gering.«
Nicht nur Sara und David bereitet die Partnersuche Kopfzerbrechen. Vielen jüdischen Singles in der Schweiz geht es ähnlich. Denn die Auswahl ist sehr beschränkt.

VERNETZEN Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), der Dachverband der orthodoxen jüdischen Gemeinden, hat das Problem erkannt. Er möchte Singles, national und international, besser miteinander vernetzen und Möglichkeiten für Begegnungen schaffen.

Eine Delegation aus Basel setzte sich bei der jüngsten SIG-Generalversammlung mit ihrem Antrag durch, dass der Verband aktiv jüdische Ehen fördern soll. Der Sprecher dieser Delegation, Jean-Claude Spira, erklärt: »Wir wollen den jüdischen Singles Möglichkeiten bieten, einen jüdischen Partner zu finden – sofern sie dies wünschen. Durch unseren Antrag haben wir Bewegung in die Problematik gebracht.«

Evelyne Morali vom Jugendressort des SIG soll den beschlossenen Antrag umsetzen. »Wir wollen Begegnungen fördern, die Leute sollen sich in lockerem Rahmen kennenlernen. In Zukunft werden wir eine Koordinationsfunktion für verschiedene nationale und internationale Anlässe übernehmen«, sagt Morali. Bis Frühjahr 2011 wolle der SIG selber einen Großanlass für 25- bis 45-Jährige auf die Beine stellen. Im Internet führt der SIG außerdem einen Veranstaltungskalender mit nationalen und internationalen Events.

Weiter unterstütze die Dachorganisation entsprechende Happenings in der Schweiz und im europäischen Raum, sagt Morali. Ebenfalls wolle der SIG eine Datenbank jüdischer Singles aufbauen. Auch jene, die nicht Mitglied einer Gemeinde seien, will der Verband erreichen, etwa in der Schweiz wohnhafte Israelis. »Wir müssen mit viel Fantasie und Kreativität an die Leute gelangen«, so Morali.

VORBEHALTE Nicht bei allen stoßen die Pläne auf Begeisterung. Ein Zürcher Gemeindemitglied, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sieht das Projekt kritisch. »Es ist nicht Aufgabe des Dachverbands, aktiv zu werden in der Single-Organisation. Die Ressourcen sollten anderswo eingesetzt werden«, empört er sich. Es gebe bereits entsprechende Vereine, etwa den jüdischen Singles-Club Zürich. Auch bei Events der Studentenverbände könne man jüdische Singles kennenlernen. Wer einen Partner finden wolle, der finde auch einen. »Man muss eben Eigeninitiative zeigen.«

Auch Nicole Poëll, Präsidentin der Plattform der liberalen Juden Schweiz, äußert Zweifel an der SIG-Singlevermittlung: »Die jungen Leute lassen sich heute nicht mehr sagen, wie sie zu ihren Partnern kommen sollen.« Eine große Menge von nicht-orthodoxen aber bewussten Juden, die nicht nur in jüdischen Kreisen verkehren, fänden die Bemühungen weniger attraktiv, sagt Poëll. Dennoch begrüßt sie es, dass man über das Thema diskutiert. Es gebe verschiedene Wege, um das Judentum weiterzuvermitteln.

Balance Auch der Basler Historiker Daniel Gerson, der sich mit den Entwicklungen des Schweizer Judentums beschäftigt, kennt das Thema. »In den hiesigen Gemeinden, die mehrheitlich religiös-konservativ geführt werden, herrscht ein gewisser Druck zur innerjüdischen Heirat«, sagt Gerson. Es bestehe eine Spannung zwischen den Bedürfnissen der jüdischen Gemeinschaft, die auf eine gewisse soziale und religiöse Abgrenzung angewiesen ist, und der weitgehend säkularen, pluralistischen Gesellschaft, in der wir leben. »Dieser Gegensatz kommt dann am stärksten zum Ausdruck, wenn es um die Eheschließung geht«, so Gerson.

Zum großen Event, den der SIG auf die Beine stellen möchte, kämen wohl eher ältere Leute und solche, die etwas Schwierigkeiten hätten bei der Partnersuche, vermutet er. Der Event könne aber durchaus zu der einen oder anderen Chuppa führen. Junge Erwachsene ließen ihre Lebensplanung kaum von einem solchen Event beeinflussen. Zudem sei eine Bezeichnung wie Single-Treffen wohl ein zu deutliches Etikett.

Studententreffen Heute gebe es diskrete Möglichkeiten für Juden zwischen 20 und 40, sich sozial zu vernetzen, meint Gerson. An Bedeutung zugenommen haben in den vergangenen Jahren neben dem Internet auch Veranstaltungen wie etwa das Limmud, die »Summer U« und andere Studententreffen. Dort begegnen sich Leute mit ähnlichem Hintergrund und Interesse. »Dabei gibt es keinen Druck zur Partnerwahl«, betont Gerson.

Ob die Bemühungen des SIG den beiden Singles Sara und David helfen, ihre Partner fürs Leben zu finden, ist offen. Möglicherweise ziehen sie auch nach London, New York oder Tel Aviv. Denn dort ist die Auswahl einfach größer.

www.swissjews.ch/de/jugend_bildung/singles/index.php

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