European Jewish Association

Reden oder sich abgrenzen?

Jahresversammlung der EJA Foto: Michael Thaidigsmann

Es dauerte nicht lange, bis es Anfang der Woche bei der Jahresversammlung der European Jewish Association (EJA) in Brüssel kontrovers wurde. Sollen Juden mit rechtspopulistischen Parteien reden oder nicht?

Der frühere Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Pacifici, wirft die Frage in den Raum und fordert eine differenzierte Betrachtung ein. Man könne nicht alle Rechtspopulisten über einen Kamm scheren, sagt er – und erntet sogleich scharfen Widerspruch von Sigmount Königsberg, dem Antisemitismusbeauftragten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, für den Parteien wie die AfD kein Gesprächspartner sein dürfen.

Auch Sacha Ghozlan, der Vorsitzende des Bundes der Jüdischen Studierenden Frankreichs, ist kategorisch dagegen: »Wenn eine jüdische Gemeinde mit ultrarechten Parteien redet, gibt man denen einen Koscherstempel. Das ist es, was sie wollen.«

EJA-Gründer und Vorsitzender Rabbiner Mena­chem Margolin plädiert zwar für ein Verbot neonazistischer Parteien, meint aber auch: »Wenn eine rechte Partei an die Regierung kommt, muss man mit ihr sprechen. Da geht es nicht um einen Koscherstempel, sondern um die Zukunft der jüdischen Gemeinde.« Israel habe schließlich auch mit dem Judenhasser Jassir Arafat über Frieden gesprochen.

Muslime Mehrere Teilnehmer warnen, man dürfe nicht in die Logik verfallen, der Feind des Feindes sei automatisch ein Freund. Wer Muslime und andere Minderheiten ausgrenze, könne kein Bündnispartner für Juden sein.

Samuel Laster, der in Wien ein jüdisches Nachrichtenportal betreibt und die Beteiligung der FPÖ an der österreichischen Bundesregierung kritisch sieht, bringt das Dilemma so auf den Punkt: »Donnerstags demonstriere ich immer gegen die FPÖ, aber an den anderen Tagen rede ich mit ihren Regierungsvertretern.«

Labour Die Teilnehmer der Tagung wenden ihren Blick nicht nur nach rechts, sondern diskutieren auch die Lage in Großbritannien und die Antisemitismusvorwürfe gegen die Labour-Partei und ihren Vorsitzenden Jeremy Corbyn. »Die extreme Linke hat Labour gekapert. Es gibt dort einen tief sitzenden Antisemitismus, der sich letztlich nur wenig von dem der Rechtsextremen unterscheidet«, resümiert der britische Journalist David Maddox.

Auch Margolin findet es zu einfach, den steigenden Antisemitismus in Europa nur den Rechtsextremen in die Schuhe zu schieben. »Wenn Linke und extrem Linke Israel attackieren, bedeutet das doch nichts anderes als ein Angriff auf Juden. Sowohl ganz rechts als auch ganz links gibt es eine Agenda, die unter dem Deckmantel von Kinderrechten oder Tierschutz die religiöse Beschneidung oder das Schächten verbieten will.«

Resolution Margolins Dachverband fordert daher nicht nur Worte von Regierungen und Parteien, sondern konkrete Taten. Politische Parteien sollten im Vorfeld der Wahlen zum Europaparlament im Mai 2019 ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus und für Minderheitenrechte abgeben sowie die antiisraelische BDS-Bewegung als antisemitisch verurteilen, heißt es in einem Resolutionsentwurf, der erst nach Redaktionsschluss beraten wurde. Außerdem solle künftig nicht nur die EU, sondern jedes einzelne Land einen Antisemitismusbeauftragten ernennen sowie die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance vollumfänglich anerkennen, so der Text der Entschließung.

»Es ist jetzt Zeit, rote Linien zu ziehen. Unsere Rechte sind nicht nachrangig oder politischen Launen unterworfen. Es geht hier um Grundrechte; daran müssen wir immer wieder erinnern«, sagt Menachem Margolin.

Der EJA-Chef sieht auch die Europäische Union in der Pflicht zu handeln: »Religionsfreiheit ist ein schönes Wort. Aber ohne politisches Gewicht, sie tatsächlich auch zu garantieren, handelt es sich nur um ein hehres Ideal«, so der Rabbiner.

Mexiko

Präsidentschaftskandidatin von Bewaffneten aufgehalten

Steckt ein Drogenkartell hinter dem bedrohlichen Zwischenfall?

 22.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

USA/Israel

Biden: Pessach-Fest ist besonders hart für Familien der Geiseln

Die abscheulichen Gräueltaten der Hamas dürften niemals vergessen werden, sagt der Präsident

 22.04.2024

Ukraine

Mazze trotz Krieg

Kyivs älteste Synagogen-Bäckerei produziert seit Jahrzehnten, und nun auch bei Raketenbeschuss

von Michael Gold  22.04.2024

Pessach

Der eigene Exodus

Wie erlangt der Mensch persönliche Freiheit? Wir haben sechs Jüdinnen und Juden gefragt

von Nicole Dreyfus  22.04.2024

London

Initiative gegen Antisemitismus: Polizeichef soll zurücktreten

Hintergrund ist ein Vorfall bei einer antiisraelischen Demonstration

 22.04.2024

Columbia University

Nach judenfeindlichen Demos: Rabbiner warnt eindringlich

Jüdische Studierende sind auf dem Campus nicht mehr sicher, sagt Elie Buechler

 22.04.2024

London

Polizeichef steht in der Kritik

Die »Initiative Campaign Against Antisemitism« fordert den Rücktritt von Sir Mark Rowley

 21.04.2024

Großbritannien

Der erste Jude in 1000 Jahren

Nick Rubins ist neuer Sheriff von Nottingham – und hat nur bedingt mit Robin Hood zu tun

von Sophie Albers Ben Chamo  20.04.2024