Paris

Premiere im Hôtel de Ville

Das prachtvolle Pariser Rathaus hat in seiner Geschichte schon viele bewegende Ereignisse erlebt. Erbaut Anfang des 16. Jahrhunderts, war das riesige Gebäude im Herzen der französischen Hauptstadt sowohl während der Französischen Revolution als auch 80 Jahre später in der Zeit der Pariser Kommune Schaltzentrale der politischen Macht.

Doch die Versammlung europäischer Rabbiner, die Start-up-Unternehmern aus dem Hightech-Bereich einen Innovationspreis verliehen, war wohl auch für das Hôtel de Ville eine Premiere.
Mehr als 100 Gäste kamen vergangene Woche im Festsaal des Rathauses zur Verleihung des jährlichen Preises für Internet-Unternehmer der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER) zusammen.

Gleich drei Unternehmer wurden ausgezeichnet. Der mit 26.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an den Israeli Moaz Ben-Ari, der für sein CardioScale-System ausgezeichnet wurde, das es Ärzten erlaubt, eine Verschlechterung des Herz-Kreislauf-Systems bei Patienten zu bemerken, bevor sich diese äußerlich niederschlägt. So kann Leben gerettet werden.

Jeweils 18.000 Euro bekamen Claudiu Leverenz aus München für seine Smartglass-Entwicklung für Menschen im Rollstuhl und der Franzose Thierry Lamidieu, der mit GreenPack innerstädtische Windkraft- und Photovoltaikanlagen vorantreiben möchte.

technologie So mancher im Saal fragte sich: Was haben jüdische Geistliche mit Hightech am Hut? Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Rabbinerkonferenz, drückte es so aus: »Als religiöse Anführer haben wir die Pflicht, gegenüber neuen Technologien aufgeschlossen zu sein, sie als eine positive Kraft zu sehen.

Viel zu lange standen Rabbiner dem Internet ablehnend gegenüber, schauten nur darauf, welchen Schaden es womöglich durch die Verbreitung von Hass und Hetze verursacht. Heute wenden wir uns dem Internet zu. Wir wollen eine Brücke bauen zwischen der traditionellen und der digitalen Welt.« Die Preisträger und viele andere Internetpioniere hätten gezeigt, dass bei der digitalen Revolution das Positive das Negative überwiege, so Goldschmidt.

So entwickelte der Münchner Claudiu Leverenz beispielsweise eine auf Google Glass basierende App, die Menschen im elektrisch betriebenen Rollstuhl, wenn sie diesen wegen einer Behinderung oder Muskelerkrankung nicht mehr mit den Händen bedienen können, mehr Mobilität ermöglicht.

App Ungefähr die Hälfte der rund 500.000 Menschen in Deutschland, die auf einen solchen Rollstuhl angewiesen sind, könnten von der App profitieren, schätzt Leverenz. Das amtliche Zulassungsverfahren für seine Anwendung läuft, könnte aber noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Auch in Israel und den USA will Leverenz sein Produkt bald auf den Markt bringen. Er sei per Zufall in Israel auf den Preis der Rabbinerkonferenz aufmerksam gemacht worden und habe sich spontan darum beworben, berichtet er. Die Auszeichnung sei für ihn und seine Mitarbeiter Ehre und Ansporn.

Der CER-Preis ist für Bewerber aus ganz Europa und Israel offen, unabhängig von ihrer Religion oder Nationalität. In diesem Jahr prüfte die dreiköpfige Jury fast 500 Bewerbungen, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Seit 2013 wird der Internet-Preis der Rabbinerkonferenz, die 700 Rabbiner in ganz Europa vertritt, einmal im Jahr verliehen.

»Vor drei Jahren ist er an ein israelisches Start-up vergeben worden, das eine App entwickelt hatte, die bei der frühzeitigen Erkennung von Cyber-Mobbing gegenüber Kindern hilft. Ohne die Auszeichnung, das damit verbundene Preisgeld und den Prestigegewinn würde die Firma heute wahrscheinlich nicht mehr existieren«, sagt Francisca Goldschmidt-Kosman, Tochter des CER-Präsidenten.

In seinem Impulsreferat appellierte der deutsche Investor und »Business Angel« Cornelius Boersch an die Festgäste, ihr Geld nicht nur in sichere Anlagen wie Immobilien und Firmenbonds zu stecken, sondern mehr Risikobereitschaft zu zeigen und in Start-ups zu investieren. »Die digitale Revolution hat gerade erst begonnen, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir alle von diesem Hurrikan erfasst werden – ob wir es wollen oder nicht«, ruft der ehemalige Berater des verstorbenen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle in den Saal.

Thema Europa liege schon jetzt weit hinter den USA zurück, weil es in konservativem Denken verfangen sei, sagte Boersch, und europäische Politiker interessierten sich viel zu wenig für dieses wichtige Thema.

Mounir Mahjoubi, der für Digitales zuständige Staatssekretär der französischen Regierung, hob in seinem Grußwort hervor, dass besonders Menschen mit Migrationshintergrund oft zu innovativen Unternehmern würden: »Wer einmal ganz woanders neu angefangen, etwas aufgebaut und zwischen der alten und der neuen Heimat eine Brücke geschlagen hat, der hat Dinge erlernt, die auch einen Unternehmer auszeichnen: Mut, Ausdauer, Belastungsfähigkeit und Solidarität. Das ist es, was wir in Unternehmern finden.«

Unternehmer könnten so auch zum gesellschaftlichen Frieden beitragen, sagte der Sohn marokkanischer Einwanderer, der schon im Alter von 16 Jahren seinen ersten Job in einer Internetfirma fand.

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