Amberg

Jüdisch in der Oberpfalz

Auf einem Tisch im Gemeindesaal der Israelitischen Kultusgemeinde Amberg liegen mehrere Baupläne. Rabbiner Elias Dray möchte der Presse die Umbaupläne für Synagoge, Gemeindehaus und Sukka vorstellen. Neben dem Architekten Peter Wagner und Oberbürgermeister Michael Cerny hat Dray die langjährige Kommunalpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Barbara Lanzinger (CSU) eingeladen.

Sie alle unterstützen die Pläne des Rabbiners. Denn es geht hier um weit mehr als um Sanierung und die bautechnische sowie gestalterische Überarbeitung von Synagoge und Gemeindehaus. Hier soll Raum entstehen für ein Miteinander, für Begegnung von Juden und Menschen anderer Religionen. Gleichzeitig denkt Elias Dray auch an ein Zentrum für das oberpfälzische Judentum in Amberg. »Wenn wir uns besser kennenlernen, mehr übereinander wissen, dann kann das Miteinander gelingen«, ist der junge Rabbiner überzeugt.

Er selbst kennt Stadt und Region gut. Er ist hier geboren und aufgewachsen. Der Familientradition entsprechend hätte Elias Dray eigentlich einen kaufmännischen Beruf ergreifen sollen. Nach dem Abitur an der Amberger Fachoberschule wollte er aber erst einmal die Religion seiner Vorfahren besser kennenlernen. Dabei führte ihn sein Weg auch nach Israel. Aus dem geplanten einjährigen Studienaufenthalt wurden zehn Jahre – und Elias Dray wurde Rabbiner.

Gemeinderabbiner Seit 2014 ist er Gemeinderabbiner in seiner Heimatstadt. Neben Amberg gibt es heute nur noch in Weiden und Regensburg jüdische Kultusgemeinden in der Oberpfalz. Dem Vorstand seiner Gemeinde, der jeweils für eine vierjährige Amtsperiode gewählt wird, gehören neben Elias Dray Alexander Iolowitsch und Ignaz Berger an.

An Arbeit fehlt es nicht, weder in der Verwaltung noch im religiösen Bereich. »Heute hat die Gemeinde rund 130 Mitglieder, etwa so viele wie in den 20er-Jahren. Allerdings kommen diese nicht mehr wie damals aus Amberg und den umliegenden Orten. Unsere Gemeinde ist durch die Zuwanderung von Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion wieder gewachsen«, erzählt Elias Dray.

Sein Arbeitsalltag ist vielfältig. »Wir sind eine kleine Gemeinde mit vielen Menschen im Alter von über 60 Jahren«, die es zu berücksichtigen gelte. Außerdem umfasst der Einzugsbereich die Landkreise Amberg-Sulzbach und Schwandorf. »Aber auch aus den Nachbarorten kommen Menschen zu den Schabbat-Gottesdiensten, die bislang einmal im Monat stattfinden.« Und natürlich zu den Feiertagen, dann ist die Synagoge weit über ihre Sitzplätze hinaus gefüllt.

Neben seinem Amt als Rabbiner betätigt sich Dray auch als Hebräischlehrer. Die meisten seiner Schüler sind zwischen 30 und 60 Jahren alt. Den Kindern erteilt Dray nachmittags Religionsunterricht. Um diesen altersgerecht zu gestalten, hat er zwei Gruppen eingerichtet: die Acht- bis Zehnjährigen und die Elf- bis 14-Jährigen. Vor zwei Jahren hat er einen Jungen im Einzelunterricht bis zum Abitur begleitet.

Werte In den Unterricht integriert der junge Familienvater auch viele Alltagsfragen. »Ich möchte, dass wir viele Dinge diskutieren: Welche Werte und welches Verhalten sind uns wichtig? Dabei versuche ich immer wieder, etwas Besonderes zu machen, damit die Kinder auch zuhören, zum Beispiel Fragespiele. Bei den Antworten binden wir dann die jüdische Sicht dazu ein.« Dabei kann bei schönem Wetter der Unterricht schon einmal im Park oder in einem Café stattfinden. Seit Elias Dray in Amberg amtiert, hat es bereits fünf Bar- und Batmizwa-Feiern gegeben. Die Vorbereitung darauf ist ihm ein wichtiges Anliegen.

Bei seinem Wunsch, die Gemeinde zu verjüngen, vernachlässigt er aber keineswegs die älteren Gemeindemitglieder. So ist im Spätherbst für die Amberger Senioren ein Aufenthalt im jüdischen Kurhotel Eden-Park in Bad Kissingen geplant.

Auch die Baumaßnahmen, die Dray in der vergangenen Woche vorstellte, berücksichtigen Bedürfnisse der älteren Mitglieder. Dabei sind nicht nur Sicherheitsfragen zu beachten. Die Umbauten sollen vor allem der Gemeindearbeit mehr Raum bieten.

Denkmalliste Der Architekt Peter Wagner hat einiges zu bedenken, denn der Bau ist als »Salzgasse 5, seit 1896 mit Synagoge, zweigeschossiger Walmdachbau mit Putzgliederung und Portal mit Sprenggiebel, 19. Jh.« in die Denkmalliste eingetragen. »Die Fassade muss von Grund auf saniert und instand gesetzt werden«, erklärt Wagner. »Die Haupt- und Schulungsräume im Obergeschoss des Gemeindehauses wurden bereits vor rund 25 Jahren umgebaut. Alle weiteren Räume befinden sich derzeit in einem sanierungsbedürftigen Zustand, ebenso die Sukka.«

Oberbürgermeister Michael Cerny (CSU) und seine Parteikollegin Barbara Lanzinger unterstützen die Sanierung. »Die Synagoge im denkmalgeschützten Altstadtensemble ist ein wichtiges Gebäude in der Stadt«, betont Cerny. Der 1896 errichtete Bau überstand zwar äußerlich die Pogromnacht von 1938. Die Räume wurden jedoch lange als Lager genutzt. Die Kosten für das Bauvorhaben sind auf rund 700.000 Euro veranschlagt. Aus Fördermitteln ist knapp die Hälfte dieser Summe zugesagt, der Rest soll über einen Förderverein eingeworben werden.

Dieser Förderverein befindet sich gerade in der Gründungsphase. Barbara Lanzinger, die frühere Vertreterin Ambergs im Bundestag, engagiert sich sehr für den Verein. Der »Förderverein Synagoge Amberg« könne weit mehr erreichen als die notwendigen Instandsetzungsarbeiten an der Synagoge, meint Lanzinger. Sie will mit ihren Kontakten »Türen öffnen für das Miteinander der Religionen. Ich bin überzeugt, dass dieser Verein noch eine andere wichtige Grundlage und ein Zeichen ist: für ein Ja zu Miteinander und Menschlichkeit, für ein Nein zu Hassparolen und einem Gegeneinander, für ein Nein zu Antisemitismus und für ein Nein zu Gewalt«, sagt Lanzinger.

Gemeindehaus Begegnungen und Miteinander haben bei Ambergs jungen Menschen schon seit vielen Jahren einen festen Platz. Zum Beispiel mit dem Austausch zwischen der Fach- und Berufsoberschule Amberg und Jugendlichen aus Israel. 20 Schülerinnen und Schüler der elften Jahrgangsstufe aus Amberg und Gleichaltrige aus Kirjat Motzkin im Norden Israels haben sich in diesem Jahr gegenseitig besucht. Am Mittwoch vergangener Woche waren die Israelis zum Abschluss ihres Aufenthalts zu Gast in Gemeindehaus und Synagoge.

»Das Voneinander-Lernen, der Austausch zwischen Judentum und anderen Religionen führt zu einem Miteinander«, ist Rabbiner Dray überzeugt. Die notwendigen Baumaßnahmen sind nur eine äußere Voraussetzung. »Man muss Samen in die Erde legen. Was aus der Pflanze wird, können wir nicht wissen.« Aber man müsse es versuchen, lautet Drays Devise.

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