Talmudisches

Wer hat die Tora geschrieben?

Mosche, ein Diktat Gottes oder Inspiration – auf der Suche nach einer Antwort

von Chajm Guski  16.07.2018 20:57 Uhr

Auf die Frage, wer die Tora geschrieben hat, gibt es viele Antworten. Foto: Uwe Steinert

Mosche, ein Diktat Gottes oder Inspiration – auf der Suche nach einer Antwort

von Chajm Guski  16.07.2018 20:57 Uhr

Auf die Frage, wer die Tora geschrieben hat, gibt es viele Antworten. Einige werden sagen: Mosche. Andere werden antworten, Mosche habe sie nach dem Diktat G’ttes selbst geschrieben. Dann gibt es wieder andere, die das alles für »inspiriert« halten. Und dann sind da noch diejenigen, die meinen, ein Autoren- und Redaktionsteam habe die Tora aus verschiedenen Quellen zusammengebastelt.

Dies alles hängt davon ab, welcher »Denkschule« oder Ideologie man angehört. Da der Talmud wirklich alles diskutiert, überrascht es also nicht, dass auch dieses Thema diskutiert wird, auch wenn die g’ttliche Autorschaft natürlich nicht angezweifelt wird – jedenfalls nicht vollständig.

Baba Batra Im Traktat Baba Batra (15a), das sich eigentlich mit Eigentum, Immobilien und Grundstücken beschäftigt, wird darüber diskutiert, wer welches Buch der hebräischen Bibel verfasst haben könnte: »Chiskija und seine Kollegen schrieben Jeschajahu, Mischlej, Schir Haschirim und Kohelet. Die Männer der großen Versammlung (des Sanhedrins) schrieben Jecheskel, die zwölf (kleinen) Propheten, Daniel und die Esther-Rolle. Esra schrieb sein eigenes Buch und das Buch der Chroniken bis zu ihm selbst.«

Das dürfte für einige Leser schon überraschend sein.
Am Ende von Baba Batra 14b heißt es: »Mosche schrieb sein eigenes Buch« und übrigens das Buch Ijow (Hiob). Mit »seinem eigenen Buch« ist natürlich die Tora gemeint.

In 15a wird das dann etwas genauer beschrieben: »Der Heilige, gepriesen sei Er, diktierte, und Mosche wiederholte und schrieb es nieder.«

Wenn dies zu Ende gedacht wird, heißt das, Mosche muss auch die letzten acht Verse der Tora geschrieben haben. Im 5. Buch Mose 5,34 heißt es jedoch: »Und es starb daselbst Mosche, der Knecht G’ttes, im Land Moaw, auf Befehl des Ewigen.« Und dann folgen sieben weitere Verse. Hat Mosche dies also auch geschrieben? Rabbi Schimon meint genau dies. Er sagt, Mosche habe diese Verse »mit Tränen in den Augen geschrieben«, allerdings ohne sie zu wiederholen.

Um die Tragweite zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, was das be­deutet: Die Tora wurde von Mosche vollständig niedergeschrieben – nach dem Diktat des Ewigen. Das bedeutet, dass er eine fertige Torarolle in die Lade mit den Gesetzestafeln legen konnte: »Nehmt dieses Buch der Lehre und legt es zur Seite der Bundeslade« (5. Buch Mose 31,26).

Talmud Und das ist im Talmud auch das Argument von Rabbi Schimon: Eine Tora mit nur einem fehlenden Buchstaben wäre ja schon unbrauchbar. Was wäre dann mit einer Rolle, in der acht Verse fehlen?

Rabbi Jehuda war davon unbeeindruckt. Er sagt, Jehoschua habe »sein eigenes Buch geschrieben und acht Verse der Tora«. Damit wären genau die acht Verse gemeint, die von Mosches Tod handeln.

Maimonides, der Rambam (1135–1204), hat seinerseits Schlüsse daraus gezogen und deshalb in seinen Hilchot Tefila (13,6) erlaubt, dass man diese acht Verse in der Synagoge auch ohne Minjan lesen dürfe – denn sie behandelten ja die Zeit nach Mosches Tod.

Andererseits wird damit erklärt, warum es üblich ist, dass diesen Abschnitt ausschließlich eine Person liest. Dies war bereits zur Zeit des Talmuds fest installierte Praxis, und das wird von den Rabbinen hinterfragt.

Verse Darf man sie aufteilen oder nicht? Die Antwort lautet, dass Rabbi Jehoschua bar Abba sagt, dass Rabbi Giddel sagt, dass Rav gesagt hat: Es spielt keine Rolle, ob man die Meinung von Rabbi Schimon teilt oder die von Rabbi Jehuda. In beiden Fällen seien die letzten acht Verse etwas Besonderes und dürften deshalb nicht geteilt werden.

Und vielleicht ist das dann die entscheidende Botschaft: Es spielt keine primäre Rolle, wer die Tora geschrieben haben könnte, solange sie etwas Besonderes für uns bleibt. Chajm Guski

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 23.04.2024

Korban Pessach

Schon dieses Jahr in Jerusalem?

Immer wieder versuchen Gruppen, das Pessachopfer auf dem Tempelberg darzubringen

von Rabbiner Dovid Gernetz  22.04.2024

Pessach

Kämpferinnen für die Freiheit

Welche Rolle spielten die Frauen beim Auszug aus Ägypten? Eine entscheidende, meint Raschi

von Hadassah Wendl  22.04.2024

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 23.04.2024

Mezora

Die Reinheit zurückerlangen

Die Tora beschreibt, was zu tun ist, wenn Menschen oder Häuser von Aussatz befallen sind

von Rabbinerin Yael Deusel  18.04.2024

Tasria

Ein neuer Mensch

Die Tora lehrt, dass sich Krankheiten heilsam auf den Charakter auswirken können

von Yonatan Amrani  12.04.2024

Talmudisches

Der Gecko

Was die Weisen der Antike über das schuppige Kriechtier lehrten

von Chajm Guski  12.04.2024

Meinung

Pessach im Schatten des Krieges

Gedanken zum Fest der Freiheit von Rabbiner Noam Hertig

von Rabbiner Noam Hertig  11.04.2024

Pessach-Putz

Bis auf den letzten Krümel

Das Entfernen von Chametz wird für viele Familien zur Belastungsprobe. Dabei sollte man es sich nicht zu schwer machen

von Rabbiner Avraham Radbil  11.04.2024