Berlin

»Mein Kopf war müde«

Der Angeklagte im Amtsgericht Tiergarten Foto: imago/epd

Im Prozess um den Angriff auf einen Kippa-Träger in Berlin-Prenzlauer Berg hat der 19 Jahre alte Angeklagte gestanden, im April einen Israeli mehrfach mit seinem Gürtel geschlagen zu haben. »Es tut mir leid. Das war falsch«, sagte der syrische Staatsbürger Knaan S. zum Prozessauftakt vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Berlin-Tiergarten am Dienstag. Er habe sich durch den jungen Mann aus Israel und dessen Begleiter, einen ebenfalls Kippa tragenden Deutsch-Marokkaner, provoziert gefühlt.

Die beiden Männer hätten ihn zuvor beleidigt und als »Hurensohn und Bruder einer Schlampe« beschimpft. Als das spätere Opfer schließlich auch seine Mutter beleidigt habe, habe er seinen Gürtel aus der Hose gezogen und dreimal zugeschlagen. »Ich habe mich im Recht gefühlt«, sagte der Angeklagte.

angaben Knaan S., der sich selbst als staatenlosen Palästinenser bezeichnete, sprach zunächst auf Deutsch. Seine Angaben wurden wegen widersprüchlicher und teils unverständlicher Aussagen später durch eine Dolmetscherin aus dem Arabischen übersetzt. Zum Zeitpunkt der Tat habe er unter Drogeneinfluss gestanden, habe Marihuana geraucht und Ecstasy genommen, sagte der Angeklagte: »Mein Kopf war müde.«

Dass es sich bei der Attacke um einen antisemitisch motivierten Angriff gehandelt habe, stritt er vehement ab. »Ich hasse weder Juden noch Christen. Für mich sind alle gleich.« Er habe erst nach den ersten beiden Schlägen wahrgenommen, dass der Israeli eine Kippa auf dem Kopf trug. Erst danach habe er wiederholt »Yehudi«, arabisch für »Jude«, gerufen. »Jude ist für mich ein Schimpfwort«, sagte der Angeklagte. Er habe damit aber nicht alle Juden, sondern den Mann persönlich beleidigen wollen.

Das Opfer, der Tiermedizinstudent Adam Armoush, stellte den Tathergang am Dienstag anders dar. Von seinem Freund und ihm sei keinerlei Provokation ausgegangen, sagte der 21-jährige Israeli, der im Prozess als Zeuge und Nebenkläger auftritt. Die beiden seien kurz nach dem Verlassen ihrer Wohnung in der Nähe des Helmholtzplatzes grundlos von dem Angeklagten und einem weiteren seiner zwei Begleiter beschimpft worden. »Als mein Freund rief, sie sollen uns in Ruhe lassen, kam der Täter auf unsere Straßenseite und schlug auf mich ein«, sagte Armoush. Der Angeklagte habe mindestens zehn Mal mit seinem Gürtel auf ihn eingedroschen und ihn dabei mit der Schnalle im Gesicht, am Bauch und an den Beinen getroffen. Seine Lippe sei dabei aufgeplatzt.

urteil In den Tagen unmittelbar nach dem Angriff sei es ihm vor Schmerzen schwergefallen zu schlafen. »Der seelische Schmerz ist größer als der körperliche«, sagte Armoush. Während der Attacke habe Knaan S. immer wieder »dreckiger Jude« gerufen. Die Kippa habe der Täter von seinem Standort auf der anderen Straßenseite in jedem Fall sehen müssen, wie Armoush darlegte. Seit dem Angriff fühle er sich in Berlin nicht mehr sicher. »Ich würde die Kippa nicht wieder aufsetzen, wenn ich alleine bin«, sagte er.

Im Laufe des Nachmittags wurden weitere der insgesamt acht geladenen Zeugen vernommen. Mit einem Urteilsspruch wird Anfang kommender Woche gerechnet. Der Angeklagte bleibt bis dahin in Untersuchungshaft.

Mike Samuel Delberg, der als Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin den Prozess beobachtet, hofft auf ein strenges Urteil. »Jemand, der behauptet, für ihn seien alle Menschen gleich, aber dennoch ›Jude‹ als Schimpfwort benutzt, ist komplett unglaubwürdig«, sagte Delberg.

Das Opfer hatte den Übergriff am 17. April gefilmt und ein Video ins Internet gestellt. Der Übergriff hatte international für Empörung gesorgt. In ganz Deutschland gingen Menschen aus Solidarität mit Kippa auf die Straße. In Berlin versammelten sich Ende April unter dem Motto »Berlin trägt Kippa« mehr als 2000 Menschen. Die Kippa, die Adam Armoush trug, ist seit Kurzem als »Kippa des Anstoßes« im Jüdischen Museum zu sehen.

Sachsen

Landesbeauftragter: Jüdisches Leben auch in Sachsen gefährdet

Die Hemmschwelle, in eine Synagoge zu gehen, sei größer geworden, sagt Thomas Feist (CDU)

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024