Bundeswehr

Flagge zeigen

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen Foto: imago

Ursula von der Leyen setzt Zeichen. Vor zwei Wochen hat die CDU-Politikerin im Bundestag erneut ihren Amtseid als Verteidigungsministerin abgelegt. Und schon am gestrigen Mittwoch unterzeichnete sie in Hannover den neuen Traditionserlass der Bundeswehr – mit klarem Tenor: »Der verbrecherische NS-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht traditionswürdig.« Künftig beruft sich die Bundeswehr vor allem auf ihre eigene Geschichte.

Angehörigen der Bundeswehr ist in Zukunft ausdrücklich untersagt, »dienstliche Kontakte mit Nachfolgeorganisationen der Waffen-SS oder der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger« zu unterhalten. Kontakte, die in der Vergangenheit durchaus von Bundeswehroffizieren gepflegt wurden – von Offizier zu Ex-Offizier sozusagen.

devotionalien Die Änderung des geltenden Traditionserlasses war von der Ministerin angeordnet worden, nachdem im April 2017 ein Oberleutnant wegen des Verdachts der Vorbereitung rechtsextremen Terrors festgenommen worden war. Bei einer Überprüfung der Militärstandorte waren in Kasernen NS-Devotionalien gefunden worden. Auch die sind in Zukunft verboten: »Das Ausschmücken von Diensträumen mit Exponaten und Darstellungen aus der Wehrmacht und der NVA ist außerhalb von Ausstellungen in Militärgeschichtlichen Sammlungen grundsätzlich nicht gestattet.«

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, hat in Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr »überwiegend Zustimmung« zum neuen Traditionserlass erfahren. Für ihn ist besonders wichtig, dass »glasklar« deutlich wird, dass sich das Selbstverständnis der Bundeswehr nicht auf der Wehrmacht gründet.

parlament Allerdings hätte sich Bartels gewünscht, dass im Erlass nicht nur die »Werte des Grundgesetzes« beschworen, sondern auch klarer benannt würden. Und in Hinblick auf »demokratische Militärtraditionen« hätte er sich die Erwähnung des Paulskirchenparlaments gewünscht. Schließlich schufen die Abgeordneten mit ihrem Beschluss vom 14. Juni 1848 eine erste deutsche Reichsflotte. »Das war das erste wirklich gesamtdeutsche Militär. Und es steht am Anfang unseres Prinzips der Parlamentsarmee.«

»Die klare und eindeutige Benennung der Verbrechen und die eindeutige Abgrenzung von der Nazi-Diktatur sowie das unmissverständliche Verbot, die Wehrmacht als Traditionsvorbild zu betrachten, war längst überfällig«, sagt auch der frühere Wehrbeauftragte Reinhold Robbe. Allerdings sei der neue Erlass als »Grundlage für die Vermittlung soldatischer Traditionen« vorerst nur »bedrucktes Papier«. In der Vergangenheit hätten den Erfordernissen zur inhaltlichen und praktischen Umsetzung nicht selten »Personalmangel und fehlendes Interesse der verschiedenen Führungsebenen« entgegengestanden.

Skeptisch ist dagegen der Blick des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Harald Kujat. Als Bezugsgröße für die Tradition der Bundeswehr nenne der Erlass die eigene Geschichte und die Werteordnung des Grundgesetzes. »Entscheidend ist nicht das System, wie der Begriff ›Ordnung‹ insinuieren mag«, gibt der frühere Luftwaffengeneral zu bedenken, »sondern die jeweiligen Werte an sich, die teilweise bereits in der griechischen Antike Maßstab für menschliches und demokratisches Verhalten waren. Beide Aspekte im Zusammenhang betrachtet sprechen gegen eine Beschränkung der Traditionsbildung ausschließlich auf die Bundeswehr«, urteilt Harald Kujat.

Dem emeritierten Historiker Michael Wolffsohn, der an der Universität der Bundeswehr in München lehrte, ist von der Leyens Text »zu stark funktionalistisch und fundamentalethisch zu schwach«. In einem Beitrag für die »Frankfurter Allgemeine« bemängelte er bereits frühzeitig unter der Überschrift »Bundeswehr: Du sollst nicht morden« die Einengung des Wertebegriffs. »Statt eines neuen Traditionserlasses oder zumindest zusätzlich zu ihm braucht die Bundeswehr des seit 1990 vereinten Deutschlands einen Ethik-Kodex beziehungsweise einen Ethik-Kompass.«

ethik-kodex Militärische Vernunft sei nicht die Ultima Ratio einer Armee. »Ein Ethik-Kodex der Bundeswehr sollte – ohne zum Geschichtsbuch auszuufern – gerade Berufssoldaten verdeutlichen, dass militärisch Vernünftiges politischer Selbstmord und damit Grundstein einer militärischen Niederlage sein kann.« Gerade weil die »Bundeswehr die Streitkraft eines demokratischen Staates ist, entfällt jedem Zivil und Militär das Recht auf Widerstand. Widerspruch als Fehlerkorrektiv muss möglich sein. Auch das muss ein Ethik-Kodex leicht verständlich erklären.«

Auf jeden Fall hat von der Leyen Flagge gezeigt. Gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Erlasses »Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr« wurde in ihrer Anwesenheit die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover in »Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne« umbenannt. Nicht mehr der preußische General Otto von Emmich, dessen Armeekorps 1914 die belgische Stadt Lüttich eroberte, und der Ort einer Panzerschlacht sollen künftig geehrt werden. Ganz im Geiste des neuen Erlasses trägt die Kaserne den Namen des Feldjägers, der 2011 bei der ISAF-Mission der Bundeswehr in Afghanistan durch ein Sprengstoffattentat getötet wurde.

Georg M. Hafner

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