Wuligers Woche

Mit Rechten reden? Ein Selbstversuch

Erinnerung an ein Gespräch mit einem AfDler

von Michael Wuliger  07.11.2017 10:06 Uhr

Überhaupt kam Kommunikation, wenn man darunter den wechselseitig befruchtenden Austausch von Meinungen versteht, nicht zustande. Foto: Montage: Marco Limberg

Erinnerung an ein Gespräch mit einem AfDler

von Michael Wuliger  07.11.2017 10:06 Uhr

Das Buch Mit Rechten reden von Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn habe ich nicht gelesen. Das tun genug andere. Der Band steht auf den Bestsellerlisten und im Amazon-Ranking ziemlich weit oben. Dafür habe ich aber einmal tatsächlich mit einem Rechten geredet. Der Mann ist AfD-Politiker, nicht einer der ganz prominenten Mitglieder der Partei, eher aus der zweiten Reihe. In den Bundestag hat er es nicht geschafft. Dafür fehlten seinem Verein in Berlin ein paar Prozent zusätzliche Wählerstimmen.

Zustande kam das Gespräch, nachdem besagter AfD-Mann (nein, den Namen werde ich nicht nennen) einen Text von mir auf seiner Facebook-Seite geteilt und enthusiastisch kommentiert hatte. Für das Lob bedankte ich mich per persönlicher Nachricht. Prompt kam die Antwort: Er würde mich gerne einmal auf einen Kaffee treffen und sich mit mir unterhalten. Aber: Ob ich denn überhaupt mit AfDlern reden würde? Für den Vertreter einer üblicherweise von sich so überzeugt auftretenden Partei wirkte das seltsam verdruckst.

Islam Wir trafen uns dann tatsächlich, nachdem ich ihm versichert hatte, dass ich zwischen Person und Politik zu unterscheiden wüsste. Mein Gesprächspartner bekannte sich als großer Fan des Staates Israel und ebenso großer Feind des Islam in allen seinen Spielarten. Vor allem Letzteres. Es kam mir fast ein wenig obsessiv vor. Dabei stehe ich dieser Religion selbst skeptisch gegenüber, vor allem, wenn sie sich politisch geriert und versucht, ihre Wertvorstellungen der Gesellschaft aufzuoktroyieren.

Aber der Mann von der AfD wirkte auf mich fast so, als befände er sich auf einer Art Kreuzzug. Verweise darauf etwa, dass in dem von ihm so geschätzten Israel weitaus mehr Muslime leben als in Deutschland – 20 zu vier Prozent – und es doch schafft, ohne permanente Aufgeregtheit mit ihnen halbwegs zurechtzukommen, schienen nicht zu ihm vorzudringen.

Überhaupt kam Kommunikation, wenn man darunter den wechselseitig befruchtenden Austausch von Meinungen versteht, nicht zustande. Nicht, weil mein Gegenüber von der AfD zu den fanatischen Geiferern gehörte, von denen seine Partei reichlich besitzt. In Habitus, Wortwahl und Tonlage vertrat er mehr die gesittete, gutbürgerliche Richtung der extremen Rechten. Aber wirklich zu reden war mit ihm trotzdem nicht. Er suchte wohl auch gar nicht die Auseinandersetzung. Eher schien mir, dass er mich bekehren wollte.

Taubstumme Die Unterhaltung mit ihm erinnerte mich an ähnliche vergebliche Kommunikationsversuche mit Rechtgläubigen anderer Provenienz, etwa überzeugten Kommunisten oder dogmatischen Charedim. Dialog der Taubstummen nennt man das. Für meinen Gesprächspartner selbst war die Unterhaltung mit mir offenbar wohl auch nicht das, was er erwartet hatte. Ich habe jedenfalls seither von ihm nie wieder gehört.

Kann man mit Rechten reden? Natürlich. Es kommt dabei nur offenbar nichts heraus. Außer der Erkenntnis, dass man es genauso gut auch lassen kann.

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024

KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Die Zeitung »Welt« hat gefragt, wie man Jugendliche an die Thematik heranführen sollte

 21.04.2024

Memoir

Überlebenskampf und Neuanfang

Von Berlin über Sibirien, Teheran und Tel Aviv nach England: Der Journalist Daniel Finkelstein erzählt die Geschichte seiner Familie

von Alexander Kluy  21.04.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Nur nicht selbst beteiligen oder Tipps für den Mietwagen in Israel

von Ayala Goldmann  20.04.2024