Jerusalem

Im dritten Raum

Für die Londonerin Jacqueline Nicholls ist es ein Traum, in Jerusalem auszustellen. Und »Traum« lautet auch das Thema ihres Werkes. Von weißem Sand umgeben liegt ein weiblicher Körper auf einem Bett, der die Stadt aus Gold darstellen soll. »Sogar zwei Träume kommen hier zusammen«, erläutert Nicholls, »der Satz ›Nächstes Jahr in Jerusalem‹ und die epische Hymne ›Jerusalem‹ von William Blake, die ich als Kind in der Schule gesungen habe. Verkörpert sind sie in der Balfour-Deklaration.«

Die dritte Biennale für zeitgenössische jüdische Kunst in Jerusalem hat ihre Pforten geöffnet und ist bis zum 15. November zu sehen. An acht verschiedenen Veranstaltungsorten in der Stadt, darunter dem Untergrund-Gefängnis der Briten, dem Bezeq-Haus und der Zitadelle Davids, stellen mehr als 200 Künstler aus der ganzen Welt – jüdische und nichtjüdische – ihre Werke aus.

Das Thema ist doppeldeutig: »Watershed«, was Wasserscheide heißt, aber auch Wendepunkt. »Es ist der Ort, an dem Wasser kommt und geht, aber auch ausschlaggebender Moment in der Zeit«, erläutert Jenna Romano, die durch die Ausstellung führt. »Hier wird Kunst gezeigt, die all das widerspiegelt, was normalerweise nicht im Alltag diskutiert wird.«

Wendepunkt An der Decke am Eingang bewegt sich die Installation Moral Victory von Avia Shemer im Wind. Die metallenen Buchstaben auf Hebräisch, Arabisch und Latein stehen für die trilinguale Realität in Israel. Für den Kurator des Jüdischen Kunstsalons, Ori Soltes, ist allein die Tatsache, dass die Biennale veranstaltet wird, ein Wendepunkt. Die Auswahl sei schwierig gewesen, weil es so unglaublich viel Interessantes zum Thema gegeben habe. Doch Soltes ist zufrieden mit dem Ergebnis, obwohl einige Werke sogar abgelehnt wurden. »Manches war zu politisch, da gab es Zensur«, bestätigt der Kurator.

Mit dem Ort für die Ausstellung Jerusalem zwischen Himmel und Erde im Untergrund-Gefängnis kämen Kunst und Historie zusammen, »was charakteristisch für die jüdische Geschichte ist, die so viele Wendepunkte kennt«, findet Soltes. Einen weiß getünchten Raum – früher Gefängniszelle – weiter steht Richard McBee aus New York und erläutert sein Werk. Auch dabei geht es um bedeutende Momente in der jüdischen Geschichte. McBee hat den Auszug aus Ägypten zur Vorlage genommen und beleuchtet ihn unter anderem aus dem Blickwinkel starker Frauen wie Deborah und Yael. »Ich möchte erreichen, dass die Menschen beginnen, anders über den Exodus zu denken – nicht nur auf die traditionelle Weise, die wir so oft wiederholen.«

Ghetto In der wohl schwierigsten Abteilung des Gefängnisses, den winzigen Zellen für die Einzelhaft, ist die Gruppenausstellung 585.000 Quadratmeter zu sehen. Verschiedene Künstler aus Ungarn zeigen hier die Geschichte und Gegenwart des jüdischen Viertels in Budapest, das während der Nazizeit ein Ghetto war, in Videoinstallationen, Bildern und Beschreibungen. Die Künstler haben sich die Struktu- rierung des Raumes zunutze gemacht: Jede Zelle repräsentiert einen Abschnitt des Viertels.

Der Gründer der Biennale, Ram Ozeri, fühlt sich glücklich und geehrt, »dass ich meine Zeit auf diese Art verschwenden kann«. Auf die Idee zu der Kunstausstellung kam er nach seiner Rückkehr aus Berlin, wo er die Biennale besuchte. 2010 setzte er seine Idee zur Ausstellung zum ersten Mal in kleinem Rahmen um. Oft würden ihn die Leute fragen, warum jüdische Kunst, und ob es nicht einfach »Kunst« sein könne?

Doch Ozeri ist von seinem Konzept überzeugt. Nach vielen Gesprächen mit Kennern der Szene und Studenten der Jerusalemer Kunsthochschule Bezalel erfuhr er, dass vieles für Ausstellungen entweder zu jüdisch und anderes zu neu sei. »Ein Dazwischen fehlte, und so hatte ich den Wunsch, der zeitgenössischen jüdischen Kunst einen Platz zu geben. Ich wollte mit der Biennale in Jerusalem einen dritten Raum schaffen.«

Installation Das ist genau der richtige Ort für Ruth Schreiber, die passend zum 100. Jahrestag der Balfour-Erklärung am 2. November ihre Videoinstallation ausstellt. Auf einem Vorhang aus Gaze läuft das legendäre Schreiben hoch und runter. »Doch die Erklärung ist ambivalent, und das wollte ich darstellen«, fügt die Künstlerin hinzu. Also laufen die Worte auf dem Boden rückwärts entlang.

Helène Aylon, die in einer strikt orthodoxen jüdischen Familie in den USA aufwuchs, gilt heute als bekannteste amerikanische Vertreterin der feministischen jüdischen Kunstbewegung. Ihre überdimensionalen Videoinstallationen nennt sie das »Gott-Projekt«. »Ich musste warten, bis ich 60 bin«, gibt Aylon schmunzelnd zu. »Erst dann hatte ich die Chuzpe, es zu tun.« Heute fühlt sie sich wohl in ihrer Haut der feministischen jüdischen Künstlerin. »Und das passt ganz gut nach Jerusalem.«

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