Wuligers Woche

Unter Intellektuellen

Was haben Maxim Biller, Henryk M. Broder, Micha Brumlik, Dan Diner, Salomon Korn, Eva und Robert Menasse sowie Michael Wolffsohn gemein? Sie alle sind jüdisch. Sie alle stehen auf der diesen Monat von der Zeitschrift »Cicero« veröffentlichten Liste der 500 wichtigsten deutschsprachigen Intellektuellen. Und nicht alle haben sie nur Gutes übereinander zu sagen.

Vorneweg natürlich Henryk M. Broder, der nicht nur im »Cicero«-Ranking den ersten jüdischen Rang mit Platz 14 belegt, sondern auch bei Zahl und Qualität der Invektiven eindeutig an der Spitze steht. Über Micha Brumlik (Platz 66) hat er schon mal geschrieben: »Kann sein, dass er nur ein politisch überkorrekter sprachloser Schwätzer ist«, um nur eine seiner harmloseren Schmähungen zu zitieren.

Den Schriftsteller Robert Menasse (Platz 215) titulierte Broder als einen »Wiener Caféhaus-Adabei, der in seinem ganzen Leben noch nie ein größeres Risiko eingegangen ist, als besoffen über den Naschmarkt zu torkeln«. Den renommierten Geschichtsprofessor Dan Diner (Platz 263) nannte er einen »Nachwuchshistoriker« – Diner ist Jahrgang 1946. Michael Wolffsohn (Platz 124) sei »der Beweis dafür, dass man aus Erfahrung dümmer werden kann«.

Sex Nicht, dass Broder nur austeilt. Er muss gelegentlich auch einstecken. Robert Menasse kommentierte in dieser Zeitung dessen Aussage, er träume immer öfter von gutem Essen statt von Sex, süffisant: »Damit gibt Broder nur sein Alter bekannt.« Micha Brumlik prophezeite ihm den »Absturz in die Bedeutungslosigkeit«. Und Salomon Korn (Platz 381) meinte: »Man kann nicht alles wörtlich nehmen, was er sagt, und man kann auch nicht immer alles ernst nehmen, was er sagt.«

Auch Maxim Biller (Platz 77), der seine Autorenkarriere in den 90er-Jahren mit der Kolumne »100 Zeilen Hass« im Lifestyle-Magazin »Tempo« begründete, ist gelegentlich für eine persönliche Breitseite gut. In der ZDF-Sendung Das Literarische Quartett im Februar 2016 ging er seine Mitdiskutantin Eva Menasse (Platz 375 und Halbschwester von Robert Menasse) persönlich an, als die ein von ihm geschätztes Buch etwas zu kritisch besprach. Menasse sei »langweilig«, »zu alt« um das Werk zu verstehen, und zu akademisch: »Man merkt, dass Sie Germanistin sind.« Dabei hat Biller selbst auch ein Studium der Literatur abgeschlossen.

beleidigungen Nicht im Zusammenhang mit Beleidigungen bekannt geworden sind die anderen Juden auf der Liste: Josef Joffe (Platz 113), Ruth Klüger (Platz 178), Wladimir Kaminer (Platz 180), Julius Schoeps (Platz 287), Michael Brenner (Platz 403), Jossi Wieler (Platz 433) und Charles Lewinsky (Platz 456).

Vielleicht haben sie die Weisheit eines anderen jüdischen Intellektuellen beherzigt – Henry Kissinger. Der antwortete einmal auf die Frage, warum Debatten zwischen Geistesmenschen stets so heftig ausgetragen werden: »Weil es um so wenig geht.«

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024

KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Die Zeitung »Welt« hat gefragt, wie man Jugendliche an die Thematik heranführen sollte

 21.04.2024