Cottbus

»In Stille teilhaben«

Bundespräsident Joachim Gauck bei der Kranzniederlegung an der Gedenktafel für die am 9. November 1938 zerstörte Synagoge Foto: dpa

Am Mittwoch hat Bundespräsident Joachim Gauck in Cottbus offiziell der Pogromnacht vor 78 Jahren gedacht. An der Gedenktafel für die am 9. November 1938 zerstörte Synagoge nahe der heutigen Stadtwerke legte er gemeinsam mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und dem Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch einen Kranz nieder.

In seiner Gedenkrede erinnerte Kelch an die Schicksale von Cottbuser jüdischen Familien während der Nazizeit. Der 9. November 1938 sei ein Symbol für systematische Verfolgung, Demütigung und Ermordung. »Es darf für uns keinen Moment geben, uns diese Verantwortung aus der Geschichte und der wiedergewonnenen Freiheit nicht zu vergegenwärtigen«, betonte der Oberbürgermeister. Umso erfreulicher sei das »Wiedererblühen jüdischen Lebens« in Cottbus.

Nach der Kranzniederlegung sprach Rabbiner Nachum Pressman das El Male Rachamim und das Kaddisch. Anschließend besuchte Bundespräsident Gauck gemeinsam mit dem Oberbürgermeister und dem brandenburgischen Ministerpräsidenten nach einem Gedenkgang die neue Synagoge in der Cottbuser Innenstadt. Die einzige Synagoge Brandenburgs ist noch jung – sie war am 27. Januar 2015 eingeweiht worden und befindet sich in der ehemaligen evangelischen Schlosskirche.

dankbarkeit Rabbiner Nachum Pressman dankte Bundespräsident Gauck für sein Kommen an einem Tag, der für die jüdische Gemeinde so schmerzvoll sei. Zugleich empfinde er aber auch Freude und Dankbarkeit, denn seit heute habe die Synagoge einen Toratisch – ein Beweis dafür, dass die Gemeinde und die Synagoge, die die Nazis einst zerstört haben, weiter aufgebaut werde. Diese Tatsache erfülle ihn daher ganz besonders an diesem Tag mit »großer Freude«, sagte Pressman.

Eine Nacht habe das Schicksal eines ganzen Volkes auf tragische und katastrophale Weise verändert, sagte Gennadi Kuschnir, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Land Brandenburg im Gedenken an die Pogromnacht vor 78 Jahren. Heute könne man sich schwer vorstellen, wie so etwas passieren konnte.

»Warum müssen wir nach so vielen Jahren an diese schlimme Zeit erinnern?«, fragte Kuschnir. Einige würden glauben, man solle keine alten Wunden aufreißen und Zeit würde alle Wunden heilen. Doch gerade die Gegenwart zeige, dass »wir daran erinnern müssen, damit so etwas nie wieder passiert«, so Kuschnir.

schatten Diese Worte griff Joachim Gauck in seiner Ansprache auf. Eigentlich sei es sein fester Vorsatz gewesen, so Gauck, »in Stille teilzuhaben«. Doch nach all dem Gehörten bringe er es nicht übers Herz, seine Glückwünsche zu der wiedererblühten Gemeinde nicht laut und deutlich auszudrücken.

Es sei für ihn ein sehr bewegender Moment – in einer Zeit, die von Unsicherheit geprägt sei und in der in Europa und auf der Welt wieder neue Zeichen von Menschenfeindlichkeit zutage treten. »In einer solchen Zeit treffen wir uns hier im Schatten dieses historischen Datums.«

Er sei heute nach Cottbus gekommen, um »ein gutes Deutschland kennenzulernen«. Hier sei eine Synagoge entstanden in einem Raum, der früher eine Kirche war. In Freundschaft und Kooperation habe sich die Kirche von dem Gebäude getrennt und hätten Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft das Wiederentstehen einer jüdischen Gemeinde unterstützt.

miteinander »Dieses konstruktive Miteinander, Menschen jüdischen Glaubens in diesem Deutschland eine Zugehörigkeit und Heimat zu vermitteln, das ist das, was mich freut«, sagte Gauck sichtlich bewegt.

Cottbus sehe er als »schönes Zeichen eines guten Deutschland«, so Gauck. Denn Land, Stadt und Menschen hätten die jüdischen Neuankömmlinge aus der ehemaligen Sowjetunion »mit offenen Armen empfangen und unterstützt. Wenn Willkommenskultur so funktioniert wie hier und keine leere Worthülse bleibt, dann beglückt mich das als Präsident und auch als Bürger.«

Oft genug habe er sich auseinandersetzen müssen mit Menschen, die fremdenfeindlich agierten und »unsere Demokratie verachten«, fügte Gauck hinzu.

In diesem Zusammenhang kommentierte er auch das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl. Es sei ein Tag, »der viele Menschen in der Welt beunruhigt«. Dennoch zeigte sich Gauck hoffnungsvoll, »dass der neu gewählte Präsident eintritt in eine Tradition des transatlantischen Miteinanders«. Dieses gründe sich nicht nur auf Interessen, sondern auch auf universelle Werte. Europa trage in Zukunft noch mehr Verantwortung, diese Werte zu verteidigen und zu bewahren: »Deshalb sind die kommenden Jahre für uns eine Bewährungsprobe.«

ehre Vorstandsmitglied Max Solomonik zeigte sich berührt vom Besuch des Bundespräsidenten. Er sei »eine große Ehre« für die Gemeinde. Am Rande der Gedenkstunde habe er Gelegenheit gehabt, mit Gauck auch einige persönliche Worte zu wechseln, sagte Solomonik der Jüdischen Allgemeinen.

Er habe ihm von dem Chanukkaleuchter erzählt, der aus der 1938 in der Pogromnacht zerstörten Synagoge gerettet worden war und der nun die neue Synagoge schmückt. Der Bundespräsident habe die Geschichte schon gekannt, so Solomonik. Dennoch habe er ihm aufmerksam zugehört. Er sei ein warmherziger, zugewandter Mensch, so Solomoniks Eindruck. Die Cottbuser Gemeinde werde diesen Besuch noch lange in Erinnerung behalten.

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