Musik

Herr der Chöre

Ist derzeit viel unterwegs zwischen Berlin, München und Oslo: der 26-jährige Dirigent Yuval Weinberg Foto: Christian Rudnik

Die Chormusik hat es ihm angetan. Vor allem, wenn er sie dirigieren darf. »Ich würde immer lieber Chöre leiten, egal auf welchem Niveau, als irgendeinen anderen Beruf zu haben«, sagt Yuval Weinberg. Musik zu machen, sei seine Lebensaufgabe. Aber einen schlechten Chor musste er nie übernehmen, denn als Dirigent hat er sich bereits einen so klangvollen Namen erarbeitet, dass Ensembles ihn anfragen, ob er mit ihnen arbeiten würde, darunter sowohl Laien- als auch Profichöre.

Dabei ist der 26-Jährige bescheiden, zurückhaltend und ein Arbeitsmensch. Keine Frage, es geht ihm um die Musik, mit der er viele Stunden täglich verbringt. Klavier spielen, Partituren studieren, die Texte sorgfältig – oft in Original und Übersetzung – lesen und dann noch möglichst viel über ihre Entstehung erfahren: Das macht er so gründlich und so gut, dass er bereits mehrere Preise gewonnen hat.

Zuletzt wurde er 2014 beim Internationalen Chordirigierwettbewerb »Towards Polyphony« in Polen mit drei Preisen ausgezeichnet, davor mit einem Sonderpreis beim 7. Internationalen Wettbewerb für junge Chordirigenten in St. Petersburg.

märchen In den vergangenen zwei Jahren pendelte er zwischen Berlin, wo er Chorleitung studiert hat und immer noch mehrere Ensembles dirigiert, und Oslo in Norwegen. Dort hat er jetzt seinen Meisterstudiengang erfolgreich abgeschlossen. Ab Herbst wird er noch ein Semester in Berlin studieren, aber auch weiter einige Chöre in Oslo leiten, weshalb er auch in Zukunft viel unterwegs sein wird. Neu hinzugekommen ist nun auch noch der Nationale Jugendchor Norwegens, mit dem er zweimal im Jahr für zwei Wochen arbeitet und konzertiert.

Dass man bei einem Ensemble etwas zusammen macht und erlebt, findet Weinberg wichtig. Und natürlich die Musik – wobei er auch gerne Konzepte für Konzerte entwickelt. »Viele A-cappella-Chorstücke sind nur ein paar Minuten lang, da finde ich es eine gute Idee, sich etwas darüber hinaus zu überlegen.«

Bei einem Konzert mit dem Neuen Chor Berlin hatte er etwa eine Schauspielerin gebeten, zwischen der Musik Märchen zu lesen. Auch mag er es, der musikalischen Literatur eine Überschrift zu geben, wie beispielsweise Klagelieder, Träume oder Märchen, Mythen und Legenden. Dafür sucht er dann Literatur aus – von der Renaissance bis zu zeitgenössischen Komponisten. Bei deren Auswahl wird immer wieder sichtbar, wie umfangreich seine Kenntnisse sind, denn er bezieht auch die Noten von Werken noch lebender Komponisten ein.

europa Mit acht Jahren begann Yuval Weinberg, Klavier zu spielen, und wurde in den Kinder- und Jugendchor Li-Ron in Herzliya aufgenommen. »Die Chorleiterin war streng, sie war ein Typ, der nie aufgibt.« Mehrmals in der Woche wurde drei bis vier Stunden geprobt, und zwar ohne Pause. »Ich war der einzige Junge und so etwas wie der kleine Bruder von allen.«

Zum Repertoire zählten israelische Gesänge, Gebete und Auftragskompositionen ebenso wie romantische Werke von Brahms und Mendelssohn. Als Jugendlicher übernahm er bereits Soloparts. Später studierte er Orchesterdirigieren an der Bachmann-Mehta-Musikhochschule in Tel Aviv, was mit einem Exzellenzstipendium gefördert wurde.

Doch stand es für ihn bald fest, nach Berlin umzuziehen, denn er wollte unter den Fittichen von Jörg-Peter Weigle weiterlernen – mit Umwegen über europäische Städte wie Amsterdam, Helsinki und Leipzig, wo er weiteren Unterricht nahm. Berlin jedoch sagte ihm am meisten zu. Seitdem hat er seinen Hauptwohnsitz in Pankow.

großmutter Da Weinbergs Ausbildung in Tel Aviv so gut war, wurden ihm an der Hanns-Eisler-Hochschule Kurse anerkannt. »Mit Weigle habe ich während des Bachelorstudiums viel Zeit verbracht – und auch heute besuche ich ihn noch regelmäßig, um mich mit ihm über das Dirigieren und die Musik auszutauschen.« Nun freut er sich, dass er weiter bei ihm studieren kann. Seit zwei Jahren ist Yuval Weinberg zudem auch Stipendiat des Dirigentenforums des Deutschen Musikrats.

Dabei stammt er aus einer Familie, die nur wenig mit Musik zu tun hatte: Die Vorfahren seines Vaters kommen aus Polen, die seiner Mutter aus Israel. Seine beiden Schwestern, eine ist beim Militär, die andere arbeitet in der Computerbranche, interessieren sich für andere Themen. Allerdings spielte seine Großmutter Klavier und unterrichtete ihren jüngeren Bruder darin, sodass dieser eine Pianisten-Laufbahn einschlagen konnte und heute in New York doziert.

debüt Innerhalb kürzester Zeit lernte Yuval Weinberg Deutsch. Wenn er neue Stücke einstudiert, beginnt er fast immer mit dem Text. Dabei erlebt er oft Überraschungen. Einmal hatte er beispielsweise für ein Konzert Madrigale – mehrstimmige Vokalstücke aus der Renaissance und dem Barock – von Paul Hindemith geplant, dessen Werke während der Nazi-Zeit nicht aufgeführt werden durften. Weinberg beeindruckten die Texte dieser Werke, die von dem österreichischen Lyriker Josef Weinheber stammen. Doch als er dessen Biografie las, stellte er fest, dass Weinheber ein Nazi war. Es erstaunte ihn, dass jemand wie er solche Texte schreiben konnte und dass ausgerechnet Hindemith sie vertonte. Dennoch wollte er die Madrigale einstudieren und diskutierte mit den Sängern darüber. Die Werke wurden schließlich aufgeführt.

Drei Listen werden bei ihm derzeit immer länger: zum einen die Datei, auf der er Entwürfe für Konzepte speichert, dann die Aufzählung von Dirigenten, mit denen er zusammengearbeitet hat, darunter Simon Halsey, Grete Petersen und Peter Dijkstra.

Die momentan am schnellsten wachsende Liste allerdings ist die der Chöre: So leitete er bereits den Neuen Chor Berlin, enchore Berlin, hortus vocalis, den Radiochor Berlin, den Chor der Deutschen Oper Berlin und den Philharmonischen Chor Berlin. Dazu kommen Ensembles wie der Norwegische Solistenchor, der Kammerchor NOVA und der Chor Norske Kammersangere. Seit Kurzem konzertiert der 26-Jährige in München – mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks. Sein Debüt im Mai nächsten Jahres wird im Programmheft angekündigt als »der israelische Chordirigent, der derzeit vielerorts von sich reden macht«.

Die nächsten Konzerte mit dem Ensemble hortus vocalis sind am 19. November um 19 Uhr in der Genezareth-Kirche, Neukölln, sowie am 20. November um 18 Uhr in der Kirche am Lietzensee, Charlottenburg

Hannover

Die Vorfreude steigt

Die Jewrovision ist für Teilnehmer und Besucher mehr als nur ein Wettbewerb. Stimmen zu Europas größten jüdischen Musikevent

von Christine Schmitt  29.03.2024

Dialog

Digital mitdenken

Schalom Aleikum widmete sich unter dem Motto »Elefant im Raum« einem wichtigen Thema

von Stefan Laurin  28.03.2024

Jugendzentren

Gemeinsam stark

Der Gastgeber Hannover ist hoch motiviert – auch Kinder aus kleineren Gemeinden reisen zur Jewrovision

von Christine Schmitt  28.03.2024

Jewrovision

»Seid ihr selbst auf der Bühne«

Jurymitglied Mateo Jasik über Vorbereitung, gelungene Auftritte und vor allem: Spaß

von Christine Schmitt  28.03.2024

Literaturhandlung

Ein Kapitel geht zu Ende

Vor 33 Jahren wurde die Literaturhandlung Berlin gegründet, um jüdisches Leben abzubilden – nun schließt sie

von Christine Schmitt  28.03.2024

Antonia Yamin

»Die eigene Meinung bilden«

Die Reporterin wird Leiterin von Taglit Germany und will mehr jungen Juden Reisen nach Israel ermöglichen. Ein Gespräch

von Mascha Malburg  28.03.2024

Hannover

Tipps von Jewrovision-Juror Mike Singer

Der 24-jährige Rapper und Sänger wurde selbst in einer Castingshow für Kinder bekannt.

 26.03.2024

Party

Wenn Dinos Hamantaschen essen

Die Jüdische Gemeinde Chabad Lubawitsch lud Geflüchtete und Familien zur großen Purimfeier in ein Hotel am Potsdamer Platz

von Katrin Richter  25.03.2024

Antisemitismus

»Limitiertes Verständnis«

Friederike Lorenz-Sinai und Marina Chernivsky über ihre Arbeit mit deutschen Hochschulen

von Martin Brandt  24.03.2024