»Der ewige Sündenbock«

Ritualmord und Protokolle

Über kein Land gibt es so viele Vorurteile und Lügen wie über Israel. Der Jurist und Autor Tilman Tarach hat sich die Mühe gemacht, die schlimmsten Geschichtsfälschungen und Gerüchte zu sammeln und zu entkräften. Der ewige Sündenbock, mittlerweile in fünfter Auflage und gänzlich neu überarbeitet, sollte Pflichtlektüre in Schulen, Universitäten und Redaktionen sein.

Der Teufel steckt im Detail. Etwa im Foto des blutüberströmten Tuvia Grossman, das als Ausdruck israelischer Aggression um die Welt ging und allerorten als Bild eines Palästinensers gedruckt wurde – in Wahrheit aber einen Talmudstudenten aus Chicago zeigt, der auf dem Weg zur Kotel beinahe Opfer eines palästinensischen Lynchmobs wurde. Oder im Fall des Scheichs Khaled al-Mughrabi, der die alte Ritualmordlegende vom Schlachten nichtjüdischer Kinder, um deren Blut zum Mazzen-Backen zu verwenden, wieder aufwärmte.

Jener Scheich behauptete im Mai 2015 in seiner Predigt in der Al-Aksa-Moschee, die Juden »suchen nach einem Kleinkind, entführen es und stecken es in ein mit Nägeln gefülltes Fass«. All das, um ihrem Wunsch nach ewigem Leben dadurch nachzuhelfen, dass sie »mit Kinderblut geknetetes Brot« verzehren.

Allegorie Man möchte diese absurden mittelalterlichen Vorurteile für Satire halten. Aber leider zeigt Tarachs Recherche nur zu deutlich, dass selbst die atavistischsten Gräuel-Allegorien auch heute noch taugen, wenn es darum geht, Juden im Allgemeinen und Israelis im Besonderen zu diskreditieren.

So ist es kein Vergnügen, sich mit dem Autor chronologisch durch die absurdesten Denunziationen zu pflügen. Zumal das Buch mit einem gänzlich realen Blutbad beginnt: dem Massaker von Hebron, dem am 23. August 1929 mindestens 133 Juden zum Opfer fielen. Im Anschluss wurden die restlichen Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft Hebrons nach Jerusalem evakuiert – und Hebron somit »judenrein«.

Was Tarachs Werk so lesenswert macht, ist die kühle Art, mit der der ganze Unfug entlarvt wird. Dass der ehemalige Großmufti von Jerusalem, Amin el-Husseini (1893–1974), von Tarach als »SS-Mufti« tituliert, auch heute noch großen Einfluss hat, zeigt nicht nur die Tatsache, dass er als Ideenstifter von Fatah und anderen palästinensischen Terrororganisationen gilt, sondern auch, dass er die Protokolle der Weisen von Zion, die Ende des 19. Jahrhunderts vom zaristischen Geheimdienst in die Welt gesetzt wurden, wiederbelebte.

Neuere Beispiele sind die Boykott-Kampagnen gegen israelische Produkte oder die Demonstrationen während des Gaza-Konflikts 2014. Und der Irrsinn reißt nicht ab, wie etwa die jüngsten anti-israelischen Entgleisungen führender Labour-Politiker in Großbritannien zeigen. Genug Stoff also für die nächste Auflage.

Tilman Tarach: »Der ewige Sündenbock. Israel, Heiliger Krieg und die ›Protokolle der Weisen von Zion‹«. Edition Telok, Freiburg und Berlin 2016, 336 S., 17,80 €

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024