Pressefotografie

»Es ist schwer, neutral zu bleiben«

Wenn Ziv Koren über Fotos redet, dann kann er sich kaum bremsen. Er spricht schnell und leidenschaftlich, obwohl – oder gerade weil – der Israeli schon mehr als 20 Jahre als Pressefotograf arbeitet. Seine Spezialgebiete sind der Nahostkonflikt sowie Krisenregionen, in denen Kriege oder Naturkatastrophen wüten.

Am vergangenen Wochenende war Koren zu Gast in Berlin, um im Hotel Amano Grand Central einen Vortrag zu halten. »Mehr als 100 Interessierte hatten sich sofort angemeldet, als die Einladungen verschickt waren«, sagt Bella Zchwiraschwili, die die Veranstaltung organisiert hat. Die Nachfrage sei groß gewesen.

Kennengelernt haben sich die beiden vor etwa neun Jahren in Berlin anlässlich seiner Ausstellung »Mehr als 1000 Worte«. Im vergangenen Sommer kreuzten sich ihre Wege wieder. Denn der israelische Fotograf gehörte der Bikertruppe an, die auf ihren Motorrädern die Fackel zu den Europäischen Makkabi-Spielen (EMG) ins Olympiastadion brachte. Damals sei die Idee zu dem Vortrag entstanden.

preisgekrönt Während Koren von seinen EMG-Eindrücken erzählt, verbindet er den Laptop mit seiner Canon-Kamera. Eher unspektakulär wirkt der Fotograf auf den ersten Blick – ganz normal in Jeans und Pullover. Koren hat ein einnehmendes Wesen, er ist freundlich und offen, von Arroganz keine Spur. Dabei ist der Fotograf bereits mit etlichen Preisen ausgezeichnet worden, darunter mit dem »Photo District News Award«, dem »Yann Geffroy Award«, dem »International Color Award« und dem »Picture of the Year«.

Koren begann während seiner Militärzeit, professionell zu fotografieren. Geduldig hört er sich die Fragen an, die er ausführlich beantwortet – am liebsten anhand von Bildern.

»Hier sieht man ganz deutlich, dass das Photoshop-Programm nachgeholfen hat«, sagt er beispielsweise über ein 15-Millionen-Klick-Bild, das die Insassen eines kaputten Kanus im Kampf mit einem Hai zeigt.

Der israelische Fotograf scheint nicht nur ein Auge fürs Fotografieren zu haben, sondern verfolgt auch aufmerksam die Bildentstehung bei Kollegen. »Das Foto dieses verletzten Mädchens zum Beispiel wurde erst angeblich in Syrien gemacht, und später tauchte es als Bild aus dem Gazastreifen wieder auf«, kritisiert er.

themen Neben dem Thema »Fälschungen bei Fotos« widmet er sich in seinem Vortrag auch einer neuerdings weit verbreiteten Foto-Leidenschaft: Selfies.

Koren wird dabei zum Beobachter von Szenerie und Fotografie zugleich – ob bei einer Safari durch Afrika, auf der seine Kamera ein Pärchen festhält, dass einander in jeder Situation fotografiert, während sich wenige Meter neben ihm spektakuläre Tierkämpfe abspielen, die von den beiden allerdings unbemerkt bleiben, oder vor dem Pariser Eiffelturm, vor dem sich ein Paar so platziert, dass die berühmte Sehenswürdigkeit gar nicht auf das Foto passen kann.

Auch wie man das richtige Zentrum im Motiv findet, ob man näher herangehen soll, wie eine Komposition erfolgreich gestaltet werden kann, und wie es sich mit dem Licht verhält – all das sind Fragen, die Koren in seinem Vortrag beleuchtete.

Seine preisgekrönten Bilder zeigen einen spielenden Delfin vor einem U-Boot der israelischen Armee, einen kleinen Jungen, der Soldaten Kekse reicht, bevor sie aufbrechen, Kinder, die sich mit einem Spielzeuggewehr zu ihnen gesellen, aber auch Tote und Verletzte nach Selbstmordanschlägen oder Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einem Helikopter.

großeltern Zu seiner Präsentation im Hotel Amano gehört auch das Bild des Mahnmals »Bikernieki – Wald der Toten« bei Riga, wo in der Zeit von 1941 bis 1944 etwa 35.000 Juden ermordet und Massengräbern verscharrt wurden – unter ihnen die Familie seines Großvaters.

»Es ist auch der Nahostkonflikt, der mich vorantreibt«, beschreibt Koren seine Motivation. »Es ist die Tatsache, dass die Menschen keinen Schimmer haben, was wirklich passiert, und sich zu schnell eine Meinung bilden – die in den meisten Fällen einfach falsch ist«, sagt er.

Korens Anspruch ist es, den Alltag des Konflikts möglichst realistisch darzustellen. »Es ist schwer, neutral zu bleiben. Aber es ist nicht unmöglich. Ich lasse mich nicht von Emotionen treiben, sondern von harten Fakten. Ich zeige die Geschichte, egal ob ich sie mag oder nicht. Wenn ich nur die eine Seite des Konflikts zeigen würde, würde ich meine Arbeit in Propaganda verwandeln.«

pläne Mit dem Foto eines gesprengten Busses ist er berühmt geworden. Doch für ihn bedeutet diese Arbeit auch, jahrelang die Bilder im Kopf zu behalten und mit dem Trauma zu leben. Er mischt sich dann doch ein bisschen ein, etwa, indem er Geld spendet. Von dem Erlös einer Ausstellung über das Erdbeben in Haiti zum Beispiel hat Koren den Aufbau einer dortigen Schule mitfinanziert.

Nach Berlin kommt Koren immer wieder gern. Daher planen er und Bella Zchwiraschwili nach dem Vortrag bereits ein weiteres Projekt: eine Ausstellung über Schwarz-Weiß-Fotografie.

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