Glossar

Tischri

Religiöse Begriffe aus der Welt des Judentums

von Rabbiner Yaacov Zinvirt  08.09.2015 19:27 Uhr

Der Monat Tischri symbolisiert die Zahl sieben, sie steht für Heiligkeit. Foto: Thinkstock

Religiöse Begriffe aus der Welt des Judentums

von Rabbiner Yaacov Zinvirt  08.09.2015 19:27 Uhr

Der Monat Tischri ist der erste Monat im jüdischen Kalender. Im Talmud (Rosch Haschana 10b) steht: »Es gibt eine Auseinandersetzung, wann genau die Welt erschaffen wurde. Rabbi Elieser sagte: ›Im Monat Tischri wurde die Welt erschaffen.‹ Rabbi Jehoschua hingegen sagt: ›Im Monat Nissan.‹«

Wir richten uns nach Rabbi Elieser, da wir im Mussafgebet für Rosch Haschana sagen: »Heute ist der Tag des Anbeginns deiner Werke, eine Erinnerung an den ersten Tag« (Rosch Haschana 27a).

Ägypten Laut der Tora ist der Tischri der siebte Monat. Denn im 2. Buch Mose 12, 1–2 lesen wir über den Monat Nissan: »Und der Ewige sprach zu Aharon und Mosche im Land Ägypten: ›Dieser Monat sei euch der vorzügliche der Monate, er sei euch der erste unter den Monaten des Jahres.‹«

Einerseits reden wir von der Erschaffung der Welt im Tischri nach Rabbi Elieser, andererseits ist er aber auch der siebte Monat, also ein halbes Jahr später. Demnach wäre Tischri nicht der erste, sondern der siebte Monat des Jahres.

Eine andere Auseinandersetzung führen Rabbi Elieser und Rabbi Jehoschua darüber, wann die endgültige Erlösung eintreffen wird. Rabbi Elieser steht auf dem Standpunkt, dass die künftige Erlösung im Tischri sein wird, Rabbi Jehoschua hingegen sagt, es werde im Nissan sein.

Diese Auseinandersetzung muss hinterfragt werden. Warum ist für jeden der beiden ein anderer Monat so von Bedeutung? Dazu betrachten wir die Elemente, die die Monate so bedeutend machen.

Ernte Rabbi Löw, der Maharal von Prag (um 1520–1609), erklärt den Unterschied zwischen den beiden Monaten so: »Im Nissan beginnt der Frühling, alles, was zuvor in Ruhe war, erwacht, fängt an zu blühen und zu gedeihen. Die Natur fängt an, sich zu erneuern. Im Tischri hingegen wird alles eingesammelt, die Tiere und Pflanzen ziehen sich zurück. Es ist die Zeit zu berechnen, was geerntet und eingenommen wurde.«

Ein weiterer Unterschied ist, dass der Nissan der Monat der Befreiung des Volkes Israels aus der Versklavung ist. In diesem Monat wurde das Volk als jüdisches Volk geboren. Im Tischri hingegen steht im Mittelpunkt die Bilanz der guten und schlechten Taten sowie die Einkehr, Umkehr, Prüfung unserer Taten und die Versöhnung.

Der dritte Unterschied ist, dass der Nissan der Monat des Lebensanfangs ist. Alles, was danach kommt, entspringt dem ersten Monat Nissan. Der Monat Tischri symbolisiert die Zahl sieben, sie steht für Heiligkeit: wie zum Beispiel der Schabbat, der siebte Tag der Woche, oder das siebte Jahr, das Schmittajahr.

Heiligkeit Der vierte Unterschied ist, dass der Nissan für die Monatszählung als erster Monat gilt und der Tischri für die Jahreszählung als erster Monat festgelegt ist. Der Maharal erklärt dazu: »Rabbi Jehoschua sagt, dass die Kräfte des Lebens vom Nissan ausgehen. Aus ihm entstehen alle Kreaturen, daher wurde die Welt im Nissan erschaffen. Rabbi Elieser meint, dass das Ideal das Wichtigste ist, das Ideal steht über allem. Der Tischri steht für Heiligkeit, deshalb ist er der erste Monat und der Monat, in dem die Welt erschaffen wurde.«

Die Tosafot erklären, dass beide Ansichten und Meinungen gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie gedacht (Traktat Rosch Haschana 27). Im Tischri entstand G’ttes Idee, die Welt zu erschaffen. Jedoch führte er sie erst im Nissan aus. Somit ist die Welt in zwei Schritten entstanden: zuerst im Geiste und dann in der Ausführung.