Extremismus

»Ultras, die den Staat ablehnen«

Herr Fischer, in den vergangenen Tagen wurden in Israel jüdische Extremisten festgenommen, die möglicherweise Anschläge auf Muslime und Christen geplant haben. Was sind das für Leute?
Einige von ihnen sind Jugendliche, die am Rand der Gesellschaft stehen. Sie haben keinen Schulabschluss oder Probleme mit ihren Familien. Eine Lösung sehen sie darin, sich auf Hügeln und in Außenposten von Siedlungen im Westjordanland niederzulassen. Dort finden sie Anschluss und eine Aufgabe. Sie glauben, dass sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Eretz Israel zu besiedeln. Man hat mich gefragt, ob ich diese Leute mit jungen Muslimen vergleichen würde, die der »Islamische Staat« (IS) in Europa rekrutiert. Ich glaube, da gibt es tatsächlich Parallelen.

Woher nehmen die Extremisten ihre Ideologie? Sind das radikale Ausläufer der Siedlerbewegung Gusch Emunim, die sich in den 70er-Jahren formierte?
Nein. Es gab zwar sehr extreme Positionen innerhalb von Gusch Emunim, aber die Siedler sehen sich selbst als Verbündete des Staates Israel, und in ihrer Mehrheit akzeptieren sie auch dessen Regeln. Die Leute dagegen, die jetzt festgenommen wurden, sind keine Nationalreligiösen im klassischen Sinn. Ich würde sie als »charedische Aktivisten«, als Ultraorthodoxe einstufen, die den Staat Israel ablehnen. Sie sind deshalb so gefährlich, weil sie sich über das Gesetz stellen und gleichzeitig Nichtjuden angreifen.

Woher kommt dieser Hass auf Nichtjuden?
Im Westjordanland gibt es ständig Konflikte mit Palästinensern. Die sogenannte Hügeljugend, die sich an den Rändern der radikalen Siedlungsaußenposten aufhält, will die Konflikte verewigen. Sie heizt eine Kriegsatmosphäre an, setzt Messer ein und legt Brände. Diese Extremisten betrachten die »etablierten« Siedler als korrupt, und sie erkennen deren Führung nicht an.

Die Angriffe lösten eine Debatte über jüdischen Terror aus. Ist das Phänomen neu?
Nein, wieso denn? Jüdischen Terror gab es schon in den 30er-Jahren, gegen die Briten. In den 80er-Jahren haben wir den ersten »jüdischen Untergrund« im Staat Israel gesehen. 1994 schoss Baruch Goldstein in Hebron auf Muslime beim Gebet. 1995 wurde der israelische Regierungschef Yitzhak Rabin von einem jüdischen Extremisten ermordet. Das ist alles nicht neu. Aber die Leute, die jetzt festgenommen wurden, sind eine sehr kleine Gruppe, nicht mehr als einige Dutzend.

Rabins Ermordung ist 20 Jahre her. Heute erhält Israels Präsident Reuven Rivlin Morddrohungen, weil er Anschläge gegen Araber verurteilt. Ist die Atmosphäre mit damals vergleichbar?
Überhaupt nicht. Rivlin ist ausgesprochen populär. Und der Brandanschlag auf die palästinensische Familie war so grausam, dass die meisten Menschen sich davon eindeutig distanzieren. Niemand will etwas mit Leuten zu tun haben, die Babys töten.

Mit dem israelischen Religionssoziologen und Senior Fellow am Jewish People Policy Institute in Jerusalem sprach Ayala Goldmann.

Terror

Scholz sieht Ansatzpunkt für Terrorlistung von Irans Revolutionsgarden 

Israel fordert von der EU bereits seit langem, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen. Kanzler Scholz macht dem Land nun Hoffnung

 17.04.2024

Meinung

Zeitenwende

Der 7. Oktober war kein Terroranschlag. Er war der Beginn eines neuen globalen antisemitischen Krieges, in dem alle Juden angegriffen werden

von Esther Schapira  17.04.2024

Duisburg

Anklage wegen Anschlagsplänen auf Pro-Israel-Demo erhoben

Der Mann habe geplant, mit einem Lkw in die Teilnehmermenge zu fahren

 17.04.2024

Thüringen

Ausstellung zu Luxemburger Abkommen von 1952

Die Dokumentation zeigt »die Geschichte materieller Ansprüche nach der Schoa«

 17.04.2024

Frederik Schindler

Zeit für eine neue deutsche Iran-Politik

Deutschland sollte das Mullah-Regime nicht länger hofieren, sondern unter Druck setzen

von Frederik Schindler  17.04.2024

Oldenburg

Stadtrat erklärt Solidarität mit Jüdischer Gemeinde

Das Gremium will »der zunehmenden Intoleranz und Hass den Nährboden entziehen«

 17.04.2024

Porträt

Hoffnungen einer Kurdin

Die Menschenrechtsaktivistin Soma Assad engagiert sich gegen Islamismus und plädiert für ein stärkeres Bündnis zwischen ihrem Volk und den Juden. Eine Begegnung

von Alicia Rust  16.04.2024

Teheran

Iranischer Journalist nach Kritik an Großangriff im Visier der Justiz

Abbas Abdi muss sich wegen absurd anmutender Vorwürfe vor Gericht verantworten

 16.04.2024

USA

Alarmierender Anstieg antisemitischer Vorfälle

Der höchste Stand seit dem Beginn der Erfassung entsprechender Daten wird verzeichnet

von Imanuel Marcus  16.04.2024