München

»Eine unerträgliche Situation«

Mit einem eindringlichen Appell, die vielen in materieller Not lebenden Schoa-Überlebenden nicht zu vergessen, hat sich IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch an die Öffentlichkeit gewandt. »Die miserable Situation zahlreicher Überlebender ist ein Missstand, den die Welt nicht hinnehmen darf«, sagte Knobloch, die auch das Amt der Kommissarin für Holocaust Memory beim World Jewish Congress (WJC) bekleidet.

In New York zum Beispiel verbringt nach den Feststellungen des Internationalen Auschwitz Komitees mehr als die Hälfte der 60.000 Überlebenden ihren Lebensabend in Armut und Einsamkeit. Ein Problem, das weit weg ist? Olga Albrandt, Leiterin der IKG-Sozialabteilung, und ihr Team tun alles dafür, damit die Münchner Gemeindemitglieder von diesen Nöten verschont bleiben. Etwa 800 Holocaust-Überlebende gehören der Gemeinde an, doch die Zahl derer, die Hilfe benötigen, ist ungleich größer. »Es sind vor allem die älteren Menschen, die an der Existenzgrenze leben müssen«, weiß Olga Albrandt.

hilfe Doch die strukturellen sozialen Veränderungen in der Gesellschaft schlagen sich auch in der Sozialabteilung nieder. Präsidentin Knobloch bezeichnet sie als »eine der wesentlichen Herausforderungen für die IKG«. Aus diesem Grund setzen sich viele Gemeindemitglieder selbstlos und unentgeltlich für die sozialen Belange der Gemeindemitglieder ein. »170 ehrenamtliche Unterstützer sind es«, berichtet Olga Albrandt und blickt auf ihre Anfänge vor zehn Jahren zurück. »Unser Aufgabengebiet ist seitdem viel größer geworden.«

Das Angebot der IKG-Sozialabteilung ist vielschichtig und reicht von bloßer Information bis hin zu psychosozialer Betreuung, von der Hilfe bei der Durchsetzung rechtlicher oder finanzieller Forderungen bis hin zur Organisation häuslicher Hilfen oder zur Durchführung kostenloser Veranstaltungen, Feste und Konzerte. Über alledem schwebt der Grundsatz, den Olga Albrandt ganz einfach beschreibt: »Zu uns kann jeder kommen, der in irgendeiner Form Hilfe benötigt.«

Die Leiterin der Sozialabteilung beobachtet die Situation der Überlebenden mit Sorge, insbesondere auch in München. »Hier Wohnungen zu einem akzeptablen und finanzierbaren Preis zu bekommen, ist eines unserer größten Probleme«, erklärt Olga Albrandt. Die weiteren hohen Lebenshaltungskosten in München kommen erschwerend hinzu, ebenso der Sparkurs der Krankenkassen, etwa bei der Zuzahlung für etliche Medikamente. »Durch die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel können viele Überlebende nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen«, betont Olga Albrandt. »Sie besuchen keine Veranstaltungen, weil sie sich keine Fahrkarte kaufen können. Das führt natürlich zu Isolation und Einsamkeit.«

prekär Bei einem Treffen in Prag, das auf Einladung des »Europäischen Instituts für das Vermächtnis der Shoah« zustande kam und an dem Repräsentanten aus 37 Staaten teilnahmen, wurde die weltweit prekäre Lage von Schoa-Überlebenden erörtert. Mit Bezug darauf erklärte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch: »Es ist unerträglich, zu wissen, wie groß die Not dieser Menschen ist – und die Welt schaut zu. Es reicht nicht, der Toten zu Gedenken und das Grauen der Schoa als Menschheitsverbrechen zu verurteilen, wenn zugleich das heutige Leid ungerührt hingenommen wird.«

Charlotte Knobloch, die in ihrer Erklärung von den Verantwortlichen der betroffenen Staaten eine schnelle und unbürokratische Hilfe forderte, erinnerte ferner an die besondere Rolle der Überlebenden. »Diese Menschen wurden Opfer des größten Verrats an der Menschlichkeit, und viele haben sich ihr Leben lang für Freiheit, Demokratie und Toleranz und gegen Rassismus, Antisemitismus und Menschenverachtung eingesetzt. Jetzt verdienen sie die Dankbarkeit der Menschen, deren Werte und Rechte sie verteidigt haben.«

Immerhin stand die Gemeinde Anfang der 90er-Jahre, als die Sowjetunion auseinanderbrach, vor einer neuen Herausforderung. Viele Juden nutzten die Möglichkeit, ihre Heimatländer zu verlassen, Tausende fanden auch in München ihr neues Zuhause. Einer, für den München zur neuen Heimat wurde, ist Ariel Kligman. Vor über 20 Jahren trieb ihn der oftmals allzu deutlich spürbare Antisemitismus aus der Ukraine nach Deutschland.

angekommen »Dass ich in München gelandet bin, war im Grunde genommen ein Zufall«, stellt Kligman heute nüchtern fest. Und aus eigener Erfahrung weiß er, wie schwierig es ist, in einem neuen Land, einer neuen Stadt, richtig Fuß zu fassen. Doch inzwischen ist Ariel Kligman längst angekommen.

Viele Jahre saß er im IKG-Vorstand, seit einigen Monaten hat er einen neuen Aufgabenbereich: Er ist der Integrationsbeauftragte der Gemeinde und kümmert sich von nun an um jene Probleme, mit denen Neu-Münchner zu tun haben. Charlotte Knobloch begrüßt dieses Engagement: »Das ist eine wichtige Aufgabe, die er wahrnimmt.«

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