Finale

Der Rest der Welt

Man könnte es morbide nennen, oder zynisch. Vielleicht auch verrückt oder seltsam, doch der ideale Sonntagmorgen beinhaltet für mich einen verregneten Himmel, Schokomüsli im Bett und Adolf Hitler. Nun gut, jetzt, da ich es ausschreibe, wirkt es sogar wahnsinnig. Doch wer bereits das Glück hatte, diese gemütlichen Stunden mit mir zu verbringen, der wird mir zustimmen: Die Versessenheit der Öffentlich-Rechtlichen für öffentlich Rechte macht süchtig. Wenn man sich darauf einlässt.

Sonntage sind da ideal für diese Art von Unterhaltung. Natürlich könnte ich bereits um zehn Uhr über irgendeinen Flohmarkt laufen und aus jüdischen Wohnungen entwendete Silberdöschen kaufen. Ich könnte auf dem Weg zum Brunchen über Stolpersteine stolpern und mich – als eine der wenigen – mit den in die goldenen Pflastersteine eingravierten Namen beschäftigen.

Tiergarten Ich könnte im Tiergarten joggen, meine Post sortieren oder im Zoo den Affen beim Lausen zuschauen, doch meine Sonntage gehören, sofern es nicht zu warm für eiskalte Bilder ist, Nazi-Dokumentationen im Zweiten.

Hitlers Werdegang, Hitlers Aufstieg, Hitlers Frauen, Hitler unter Tage, Hitlers Helfer, Hitler und Mussolini – die Auswahl ist schier grenzenlos und es gibt keine Dokumentation, die ich noch nicht gesehen habe. Viele davon sogar mehrere Male. Immer mit ein bisschen Scham im Unterbewusstsein, Unwohlsein in der Magengegend und gleichzeitig euphorischem Prickeln in den Fingerspitzen, meiner heimlichen Leidenschaft nachgehen zu können.

Heimlich, weil ich selten darüber rede, nur schreibe. Dies jedoch nur in adäquatem Umfeld, da ich es für kontraproduktiv halte, »Spaziergänge im Sonnenuntergang«, »Lesen« und »Hitler-Dokumentationen« als Hobbys in einem Dating-Profil zu veröffentlichen. Wie viele meiner jüdischen Mitmenschen meine ich, bereits alles über diesen Menschen zu wissen. Zumindest alles, was man über ihn wissen muss.

Programm Doch jedes Mal, wenn ich den gehäuften Müsli-Löffel ohne hinzusehen an meinen Mund führe, entdecke ich neue Details dieser für mich so unerklärlichen Jahre. Ist es legitim, genau dies zu tun, während man von Daunen umgeben ist und Gemütlichkeit überhandnimmt? Oder ist das Schauen dieser Nischenproduktionen gesellschaftlich nur dann akzeptabel, wenn der Stempel eines Lehrstuhls drauf ist? Vor allem aber frage ich mich, wer hinter dieser Programmplanung steckt?

Ich meine, wirft in den täglichen Redaktionskonferenzen der uns bekannten Rundfunkanstalten jemand in den Raum, dass die einzig logische Konsequenz nach Nilpferde der Serengeti um neun Uhr 30 Hitler auf dem Obersalzberg sonntags um elf Uhr ist? Dann denke ich mir: Für irgendetwas, wenn nicht für pausenlose Aufklärung, muss die GEZ ja gut sein. Und wie heißt es doch so schön? Mit dem Zweiten sieht man besser.

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024