Berlin

Das Vermächtnis weitergeben

Die Jüdische Gemeinde in Berlin gedachte am Donnerstagabend im Gemeindehaus Fasanenstraße der sechs Millionen Juden, die in der Schoa ermordet wurden. Mit der Gedenkstunde erinnerte sie zudem an den 72. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto im Frühjahr 1943.

In seiner Rede appellierte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, das Wissen über die Schoa auch weiterhin in der Erinnerung zu bewahren. Es dürfe nicht sein, sagte der Gemeindevorsitzende, dass 70 Jahre nach dem Holocaust das Tragen einer Kippa »einer Mutprobe« gleiche.

Anja Schillhaneck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, würdigte den Mut der Warschauer Juden um ihren Anführer Mordechai Anielewicz, gegen alle Erfolgsaussichten den Aufstand gegen die deutschen Besatzer im Ghetto zu wagen.

Wissen Schillhaneck betonte, wie wichtig es sei, das Gedenken lebendig zu halten. Dies könne nur durch »aktives Erinnern« gelingen. Dazu sei vor allem die Generation gefragt, die jetzt Kinder habe. »Es ist unfassbar, aber geschehen – diese Botschaft der Zeitzeugen müssen wir weitertragen«, mahnte die Grünen-Politikerin. Eindringlich forderte sie daher, neben Faktenwissen und Gedenkkultur auch ein »Wissen des Herzens« an kommende Generationen weiterzugeben.

Zu den Ehrengästen gehörten vor allem Überlebende der Schoa. Neben Vertretern aller politischen Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses und des Deutschen Bundestages nahmen der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman, der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, Daniel Botmann, sowie Vertreter des Diplomatischen Corps Berlin und der Berliner Polizei an der Gedenkveranstaltung teil.

Trauer 70 Jahre nach der Schoa seien 50 Jahre deutsch-israelischer diplomatischer Beziehungen nicht selbstverständlich, betonte Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Das werde am Jom Haschoa deutlicher denn je. Denn die Befreiung kam damals für Juden in ganz Europa zu spät. »Die Trauer über den Verlust war überwältigend«, sagte der Botschafter.

Dennoch hätten sich die Überlebenden für das Leben entschieden. Ihr Vermächtnis, das jedes Jahr am Jom Haschoa in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verlesen werde, gelte es weiterzugeben. »Denn die jüdische Tradition verpflichtet uns zum Erinnern«, so Hadas-Handelsman. Dazu gehöre auch die traditionelle öffentliche Namenslesung aller 55.696 ermordeten Berliner Juden vor dem Gemeindehaus. So werde die »Identität der Individuen aus dem Kollektiv der sechs Millionen ermordeten Juden« herausgelöst, betonte Hadas-Handelsman.

Zu der Gedenkveranstaltung im Großen Saal des Gemeindehauses kamen etwa 200 Menschen. Anschließend legten die Repräsentanten von Gemeinde, Zentralrat, Politik und Diplomatie vor dem Gemeindehaus Kränze nieder. Die Toten- und Gedenkgebete Kaddisch und El Male Rachamim hielten Rabbiner Yitzhak Ehrenberg und Kantor Isaac Sheffer.

Jom Haschoa ist seit 1951 der Holocaust-Gedenktag in Israel. Er variiert jedes Jahr wegen des jüdischen Kalenders, liegt aber immer um den 19. April herum, den Beginn des bewaffneten Aufstands im Warschauer Ghetto 1943. Damals wehrten sich etwa 1100 Juden vier Wochen lang gegen die Deportation in die Vernichtungslager. Der Aufstand wurde schließlich von den Nazis brutal niedergeschlagen.

Dialog

Digital mitdenken

Schalom Aleikum widmete sich unter dem Motto »Elefant im Raum« einem wichtigen Thema

von Stefan Laurin  28.03.2024

Jugendzentren

Gemeinsam stark

Der Gastgeber Hannover ist hoch motiviert – auch Kinder aus kleineren Gemeinden reisen zur Jewrovision

von Christine Schmitt  28.03.2024

Jewrovision

»Seid ihr selbst auf der Bühne«

Jurymitglied Mateo Jasik über Vorbereitung, gelungene Auftritte und vor allem: Spaß

von Christine Schmitt  28.03.2024

Literaturhandlung

Ein Kapitel geht zu Ende

Vor 33 Jahren wurde die Literaturhandlung Berlin gegründet, um jüdisches Leben abzubilden – nun schließt sie

von Christine Schmitt  28.03.2024

Antonia Yamin

»Die eigene Meinung bilden«

Die Reporterin wird Leiterin von Taglit Germany und will mehr jungen Juden Reisen nach Israel ermöglichen. Ein Gespräch

von Mascha Malburg  28.03.2024

Hannover

Tipps von Jewrovision-Juror Mike Singer

Der 24-jährige Rapper und Sänger wurde selbst in einer Castingshow für Kinder bekannt.

 26.03.2024

Party

Wenn Dinos Hamantaschen essen

Die Jüdische Gemeinde Chabad Lubawitsch lud Geflüchtete und Familien zur großen Purimfeier in ein Hotel am Potsdamer Platz

von Katrin Richter  25.03.2024

Antisemitismus

»Limitiertes Verständnis«

Friederike Lorenz-Sinai und Marina Chernivsky über ihre Arbeit mit deutschen Hochschulen

von Martin Brandt  24.03.2024

Porträt der Woche

Die Kreative

Mona Yahia stammt aus dem Irak, spricht viele Sprachen, ist Künstlerin und Autorin

von Christine Schmitt  24.03.2024