München

Eine Stadt erinnert sich

Fast ein Jahrzehnt hat die Verwirklichung gedauert, doch in Kürze ist es so weit: Mit einem feierlichen Festakt, zu dem Schoa-Überlebende und hochrangige Diplomaten aus vielen Teilen der Welt erwartet werden, wird am 30. April das NS-Dokumentationszentrum eröffnet.

Das würfelförmige fünfstöckige Gebäude, das eine jahrzehntelang klaffende Lücke in der Münchner Erinnerungslandschaft schließen soll, steht bekanntlich an einer historisch beklemmenden Stelle. Hier, im nach dem Krieg zerstörten »Braunen Haus« in der Brienner Straße, hatte die NSDAP ihren zentralen Sitz. Hitler, Himmler und die anderen Protagonisten des Judenhasses und des politischen Wahnsinns gingen hier ein und aus.

Aufarbeitung »Das Dokumentationszentrum«, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter nach Bekanntgabe des Eröffnungsdatums, »ist ein unübersehbares Zeichen, dass sich München aktiv seiner NS-Geschichte stellt.« Endlich, mag man hinzufügen, denn die Idee einer adäquaten Einrichtung zur Aufarbeitung des »braunen« Münchens entstand schon in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, wurde später noch ein paar Mal diskutiert, verschwand dann aber jahrzehntelang in der Schublade. Das sieht auch Kulturreferent Hans Georg Küppers so, der dennoch den positiven Aspekt im Auge hat: »Das NS-Dokumentationszentrum kommt spät, jedoch nicht zu spät.«

Auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die einen Sitz im Beirat hat und die Diskussion über die Bedeutung des Projekts stets bereicherte, blickt nun in erster Linie nach vorn: »Die Aufarbeitung der besonderen Rolle, die München bei der Entstehung und Umsetzung des Nationalsozialismus spielte, ist eine ebenso besondere Herausforderung. Man darf nicht vergessen, dass von hier aus jene Ideologie verbreitet wurde, die zur Schoa, zum größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, geführt hat.«

Dessen ist sich Kulturreferent Küppers in Zusammenhang mit dem Dokumentationszentrum durchaus bewusst. »Die entscheidende Frage der Ausstellung lautet: Warum München? Und was geht uns das heute an?«, bringt er das Leitthema des Projekts auf den Punkt. Und er liefert auch eine Antwort auf diese Fragen. »Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung können wir nur aktiv entgegentreten, wenn wir ein Bewusstsein für die Vergangenheit entwickeln«, so Küppers.

anspannung Das Gebäude wird acht Wochen vor dem Eröffnungstermin momentan noch von Baustellengittern, rot-weißen Absperrbändern und herunterhängenden Kabeln in einigen Räumen bestimmt, doch Winfried Nerdinger, der Gründungsdirektor, gibt sich trotz der Schlussphasen-Anspannung gelassen. »Wir werden den Eröffnungstermin einhalten, daran gibt es keinen Zweifel«, ist er sich sicher.

Trotzdem werden die Eröffnungsfeierlichkeiten Ende April nicht in dem neuen Gebäude stattfinden. Das ist dem enormen Ansturm geschuldet, der die räumlichen Möglichkeiten für einen derart großen Empfang sprengt. Er wurde deshalb in das nahe gelegene Amerikahaus verlegt. Mehr als 200 Holocaust-Überlebende und Vertreter anderer Staaten werden die Eröffnungsfeier besuchen.

Zu den Festrednern zählen Oberbürgermeister Dieter Reiter, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer als Vertreter von Bund, Land und Stadt, die das 28-Millionen-Projekt gemeinsam gestemmt haben. Zu Wort kommen wird auch Präsidentin Charlotte Knobloch.

konzept In der vergangenen Woche wurde das Konzept von den Verantwortlichen der Öffentlichkeit vorgestellt. Bevor Direktor Nerdinger die Struktur des Projektes näher erläuterte, kam es ihm aber auf eine grundsätzliche Aussage an. »Das Dokumentationszentrum«, sagte er, »ist nicht als Konkurrenz zum bereits bestehenden Angebot zu sehen, sondern als Ergänzung.«

Die multimediale Aufbereitung der Dauerausstellung »München und der Nationalsozialismus« erstreckt sich über alle Stockwerke des Bauwerks und ist in vier Hauptabschnitte unterteilt. Die Möglichkeiten für Besucher reichen von einem etwa eineinhalbstündigen geführten Rundgang bis hin zu individuellen Recherchemöglichkeiten.

Die Ausstellung ist zweisprachig in Deutsch und Englisch konzipiert. Die inhaltliche Basis des Ausstellungskonzepts bildet nach Darstellung der Projektmanager die Auseinandersetzung mit den Tätern, ihren Handlungen und Motiven, was schon durch die Positionierung des Doku-Zentrums am ehemaligen Standort des Braunen Hauses bedingt sei.

reflexion Neben dem Herzstück des Gebäudes, der mehrgeschossigen Dauerausstellung, wird es auch wechselnde Sonderausstellungen geben. Ein Lernforum, das die Möglichkeit eines tieferen Einstiegs in die Geschichte ermöglicht, ist auf einer eigenen Ebene untergebracht. Darüber hinaus bietet ein großer, multifunktionaler Saal Platz für mehr als 200 Personen und alle technischen Voraussetzungen für Vorträge, Gespräche mit Zeitzeugen, Filmvorführungen, Tagungen und Abendveranstaltungen der unterschiedlichsten Art.

Winfried Nerdinger sieht das Dokumentationszentrum als offenen und lebendigen Ort. »Mit einem inhaltsreichen und vielfältigen Programm möchten wir umfassend informieren und aufklären, aber auch zum Nachdenken und Diskutieren anregen«, so Nerdinger. »Nur auf der Basis von Wissen kann eine Reflexion in Gang gesetzt werden, um zu einem Verstehen zu gelangen, das auch das eigene Verhalten beeinflusst. In diesem Sinne ist es Ziel des NS-Dokumentationszentrums, zu einem Ort der Selbstvergewisserung demokratischer Errungenschaften zu werden.«

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