Jewrovision

Erst die Arbeit, dann die Party

Sein Schreibtisch sieht derzeit wüst aus. »Aber ich habe gerade angefangen, ihn aufzuräumen«, sagt Marat Schlafstein, Jugendreferent beim Zentralrat der Juden in Deutschland in Berlin. Der Grund für die vielen Unterlagen: Die Anmeldefrist für die Jewrovision ist in diesen Tagen abgelaufen, und nun möchte der 28-Jährige, der zusammen mit zehn weiteren Helfern den Song Contest vom 20. bis 22. Februar in Köln organisiert, die Teilnehmerdaten auf den neuesten Stand bringen.

Anschließend muss er sich um Give-aways kümmern und bei Prominenten nachfragen, ob sie Zeit und Lust haben, Jurymitglied zu werden. Wer dabei sein wird, ist noch geheim. Nur so viel: Es sollen mehr sein als im vergangenen Jahr. Mit dem koscheren Caterer müssen noch Gespräche geführt werden, ebenso mit den Mitarbeitern der Sicherheitsabteilung und dem Busunternehmen.

»Ich kann mich vor Arbeit nicht retten«, sagt Schlafstein. Er ist sehr zufrieden darüber, denn es haben sich insgesamt etwa 1000 Kinder und Jugendliche für das Mini-Machane angemeldet – so viele wie noch nie zuvor. Davon werden 250 bei dem Wettbewerb auf der Bühne stehen, während die anderen ihre Sänger, Künstler und Tänzer begleiten und anfeuern können. 15 Acts werden zu hören und zu sehen sein. Zur Mini-Machane kommen Jugendliche aus etwa 50 Gemeinden.

Mammutevent Die Jewrovison findet bereits zum 14. Mal statt. »Und sie ist enorm gewachsen«, so Schlafstein. Es sei mittlerweile die größte jüdische Veranstaltung Deutschlands. So groß sei sie, dass auch eine Stadt wie Köln nicht mehr ausreichend dafür ausgestattet sei. Die Teilnehmer werden beispielsweise nicht mehr in einer Jugendherberge, sondern in zwei Quartieren unterkommen.

Auch sei die Essensversorgung etwas schwierig, sodass ein koscherer Caterer angefragt wurde, der mobil agieren kann. Xenia Fuchs erinnert sich noch gut an die intensive Zeit der Vorbereitung, als sie dafür zuständig war. Vor einigen Jahren hatte sie als Leiterin der Jugendzentrums Olam in Berlin, als Gewinner der vorherigen Jewrovision, die Aufgabe, die nächste Show zu organisieren. Es sei damals sehr anstrengend gewesen, sodass sie sich danach eine Woche lang ausruhen wollte. 2013 hat der Zentralrat der Juden in Deutschland die Organisation übernommen. 2002 fand der Contest zum ersten Mal statt.

Aufgabenverteilung Mittlerweile leitet Xenia Fuchs das Jugendzentrum Hamburg – und wird mit 20 Nachwuchsmusikern nach Köln fahren. Der jüngste ist zehn Jahre alt, der älteste knapp 18. Die Aufgaben, wer singt, wer tanzt, wer das Video mitgestaltet, in dem sich das Jugendzentrum vorstellt, sind weitestgehend verteilt. »Das diesjährige Motto ist bei den Jugendlichen sehr gut angekommen«, sagt Xenia Fuchs.

In diesem Jahr lautet es »Make a Difference« und soll unter verschiedenen thematischen Schwerpunkten dargeboten werden. Das Video, mit dem jedes Jugendzentrum sich, seine Stadt und seine Gemeinde vorstellt, soll sich mit »Tikkun Olam« (»Dein Beitrag für eine bessere und friedvollere Welt«) beschäftigen.

Neuerungen Neu wird auch die Eröffnungsshow sein. Vor einigen Tagen wurde zum ersten Mal geprobt. Die Geschwister Elaine und Mike Delberg, die mehrere Jahre lang die Berliner Jugendlichen für den Auftritt trainiert haben, luden nun 30 Teilnehmer ein, die sich zuvor mit einem Video bewerben mussten. Mit dabei sind auch Profitänzer und Sänger. »Alles alte Hasen der Jewrovision«, sagt Mike Delberg. Sie würden teilweise aus anderen Städten nach Berlin kommen, um hier proben zu können.

An der Jewrovision nehmen unter anderem Berlin, München, Gelsenkirchen und Frankfurt teil. Drei Jugendzentren weniger als im vergangenen Jahr, da sich mehrere Klubs für einen gemeinsamen Auftritt zusammengetan haben. Die Show gewinne damit, meint Schlafstein, da die Qualität steige.

So haben die Mitarbeiter des Jugendzentrums Mannheim den Jugendlichen aus Pforzheim, Karlsruhe, Rottweil und Konstanz angeboten, bei ihnen mit von der Partie zu sein. Sie haben gerade ein Wochenend-Camp hinter sich, um alles einzustudieren. Die 24 Kinder seien sehr motiviert, diszipliniert und würden sich sehr gut einbringen, erzählt Susanne Benizri, Erziehungsreferentin für Baden, die sich zudem ehrenamtlich für die Jugendarbeit in Mannheim engagiert.

Mini-Machane Diese Beobachtung hat auch Anastasia Kyselova gemacht. »Die Kinder freuen sich riesig auf das Mini-Machane und auf die Show«, sagt die Leiterin der Jugendzentrums Hannover. In diesen Tagen probten die 15 Jugendlichen bereits in einer großen Halle. Zusammen haben alle 25 Kinder des Jugendzentrums das Video erstellt. Der Song ist größtenteils eine Cover-Version, zu dem ein Teil selbst komponiert wurde. Aber das ist natürlich alles Geheimsache.

»Das Motto ist toll und bietet viele Spielräume«, meint auch David Weiss vom Jugendzentrum Freiburg. 50 Kinder und Jugendliche sind mit der Show und dem Video engagiert dabei – darunter Jugendliche aus Emmendingen und Baden-Baden, die sich ebenfalls zusammengetan haben. Sie seien bereits in der Phase des Feinschliffs, sagt Anna Nedlin vom Jugendzentrum Freiburg. Die Jugendlichen seien so begeistert, meint Susanne Benizri, »wenn es die Jewrovision nicht gäbe, müsste man sie erfinden«.

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024

Essay

Steinchen für Steinchen

Wir müssen dem Tsunami des Hasses nach dem 7. Oktober ein Miteinander entgegensetzen

von Barbara Bišický-Ehrlich  16.04.2024

München

Die rappende Rebbetzin

Lea Kalisch gastierte mit ihrer Band »Šenster Gob« im Jüdischen Gemeindezentrum

von Nora Niemann  16.04.2024

Jewrovision

»Ein Quäntchen Glück ist nötig«

Igal Shamailov über den Sieg des Stuttgarter Jugendzentrums und Pläne für die Zukunft

von Christine Schmitt  16.04.2024

Porträt der Woche

Heimat in der Gemeinschaft

Rachel Bendavid-Korsten wuchs in Marokko auf und wurde in Berlin Religionslehrerin

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.04.2024

Berlin

Zeichen der Solidarität

Jüdische Gemeinde zu Berlin ist Gastgeber für eine Gruppe israelischer Kinder

 15.04.2024

Mannheim

Polizei sucht Zeugen für Hakenkreuz an Jüdischer Friedhofsmauer

Politiker verurteilten die Schmiererei und sagten der Jüdischen Gemeinde ihre Solidarität zu

 15.04.2024