Musterprojekt

Öko im Wadi

Israel ist nicht besonders groß. Und dennoch gibt es Gegenden, die man als Kernland bezeichnen könnte, und solche, die die Peripherie bilden. Am Rande der Negevwüste liegt Beer Sheva. Geht man davon aus, dass diese Stadt, zumindest aus touristischer Sicht, an der Peripherie Israel liegt, so liegt das Dorf Hura an der Peripherie dieser Peripherie.

Hura ist keine jüdische Siedlung, sondern ein Dorf der Beduinen, wie der Besucher unschwer an der Bausubstanz erkennen kann. Dass die Lebensverhältnisse hier nicht die besten im Lande sind, springt ebenfalls sofort ins Auge. Kein Ort, in den man gezielt fährt – umgeben von nichts als Wüste, gelegen an einer viel befahrenen Schnellstraße.

In dieses Dorf kam vor einigen Jahren der Amerikaner Michael Ben Eli, Gründer der Umweltschutzorganisation Sustainability Laboratory, zusammen mit Mitarbeitern der Ben-Gurion-Universität des Negev und unterbreitete den kommunalen Politikern des Dorfes und des Bezirks einen Vorschlag für ein Projekt, das in deren Ohren wie ein Traum geklungen haben muss.

Ben Eli schlug vor, vom Jüdischen Nationalfonds (KKL) mitten in der Wüste ein Gebiet von 40 Hektar zu erwerben und auf diesem eine Mustergenossenschaft zu errichten, die sich an Werten wie Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Umweltschutz, Demokratie und Gleichberechtigung orientiert sowie neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden anwendet und gerade dadurch ein Überleben der Traditionen der Beduinen im modernen Israel sichern soll.

Planung Überredungskünste waren nicht nur gegenüber den Stammesfürsten der Beduinen nötig, sondern auch gegenüber den staatlichen Stellen, die als Kooperationspartner gewonnen werden mussten. Israelische Behörden übergingen die Interessen der Beduinen oft in strategischen, besonders militärischen, Planungen. Als Schwierigkeit kam hinzu, dass die einzelnen Stämme eher für sich blieben und selten kooperierten.

So brauchte das Team um Ben Eli dann auch volle vier Jahre, um die Planungen so weit voranzutreiben, dass die wesentlichen Partner an Bord waren, der KKL Land zur Verfügung stellte, das Projekt als regulärer Landwirtschaftsbetrieb anerkannt wurde, damit auch Wasserbezugsrechte zugeteilt bekam und die ersten Projektphasen finanziert waren. Im Jahr 2012 konnte dann die eigentliche Umsetzung starten. Im Frühjahr wurde mit dem Bau von Stallungen, Molkerei und anderen Gebäuden begonnen.

Von den organisatorischen Anfangsproblemen ist mittlerweile fast nichts mehr zu sehen. Zu spüren ist jedoch noch gelegentlich die Unsicherheit der eigentlichen Mitarbeiter, allesamt Beduinen, darunter viele Frauen. Wirtschaftlich geht es den Beduinenstämmen nicht gut. Ein Hauptgrund liegt in der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, an der sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht teilhatten.

So wurde ihre Rolle in der Viehzucht immer weiter eingeschränkt, sodass sie heute nur noch im Frühjahr Jungtiere erwerben, die sie bis zum Herbst in der kargen Wüste hüten und dann wieder verkaufen. Damit sind die Beduinen wirtschaftlich aus jenen Bereichen ausgegrenzt, die nicht nur lukrativ sind, sondern in denen sie durch jahrhundertelange Traditionen besondere Kenntnisse besitzen, die durch das unwirtliche Leben in der Wüste geprägt waren.

Tradition Dies zu ändern und zugleich das traditionelle Wissen mit Lösungen für die heutigen Anforderungen an Ressourcenschonung, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit zu verbinden, darin liegt die besondere Attraktivität dieses Projektes und der Garant für einen langen Bestand.

Die Rolle der Frauen als Wissensträger und Ausführende wächst nahezu automatisch mit der Realisierung der verschiedenen Ausbaustufen. Zunächst wurde das Gelände an einem trockenen Flusslauf (Wadi) so präpariert, dass während der Regenzeit nicht sofort sämtliches Wasser über den Flusslauf abfließt, sondern im Boden selbst gesammelt werden kann. Dann wurde der Boden, der naturgemäß aus Wüstensand bestand, mit einem Präparat angereichert, das von der Ben-Gurion-Universität zur Urbachmachung von Wüstenboden entwickelt wurde. Danach wurden Olivenbäume gepflanzt und erste Gemüsebeete angelegt. Hinzu kam ein Bienenvolk, welches auf dem Gelände angesiedelt wurde.

Generation Folgen sollen eine Solaranlage, Stallungen für Schafe und Ziegen sowie ein Bereich für Heilpflanzen und Kräuter. Haupteinnahmequelle sollen Schafs- und Ziegenkäse nach alten Rezepten und Verfahren sowie Heilmittel sein, zubereitet ebenfalls nach uralten beduinischen Bräuchen. Das Wissen und die über Generationen gesammelten Samen von Pflanzen, die in der Wüste gedeihen und von denen einige offiziell als ausgestorben gelten oder deren Nutzen für den Menschen man in der Moderne nicht mehr kennt, befinden sich bei den Beduinen fest in Frauenhand. Erstmals haben sie damit eine Chance, gleichberechtigt mit eingebunden zu werden.

Involviert sind insgesamt bis zu 10.000 Beduinen, die sich bei einer Mitarbeit verpflichten, die Prinzipien des Projekts anzuwenden. Nur so können die Qualität und die Machtbalance in der Genossenschaft gesichert werden. Beduinenstämme aus Jordanien wurden bereits ebenso neugierig wie Bewohner anderer Wüsten der Welt.

Die Kosten sind auf 22 Millionen Schekel (etwa 4,5 Millionen Euro) veranschlagt, davon tragen staatliche Stellen zehn Millionen Schekel, den Rest müssen die Initiatoren aus Spenden generieren. Dies wäre gut angelegtes Geld.

Nahost

Mindestens ein Verletzter nach Angriff der Hisbollah

Die Lage am Donnerstagmorgen – und ein Ausblick auf den Tag

 28.03.2024

Terror

»Ich wurde sexuell missbraucht«

Die ehemalige Geisel Amit Soussana spricht als erste über die sexuelle Gewalt, die sie durch die Hamas ertragen musste

von Sabine Brandes  27.03.2024

Meinung

Ein fatales Signal

Echte Partner? Dass sich die Bundesrepublik von Israel, der einzig funktionierenden Demokratie im Nahen Osten abwendet, ist mehr als bezeichnend

von Stephan-Andreas Casdorff  27.03.2024

Geiseln

Geisel Liri (19): Hoffnungsschimmer oder weiteres grausames Detail?

Die Familie der verschleppten Soldatin gibt Einzelheiten zur Geiselhaft bekannt

von Sabine Brandes  26.03.2024

Israel

Herzog: Müssen Hamas-Chef tot oder lebendig fassen

»Alles beginnt und endet mit Jihia al-Sinwar«, sagt der israelische Präsident

 26.03.2024

Jerusalem

Warum Gideon Sa’ar die Regierung verlässt

Der Oppositionspolitiker war nach dem Kriegsbeginn der Koalition in Jerusalem beigetreten

von Sabine Brandes  26.03.2024

Italien

Was passierte bei dem tödlichen Bootsausflug von Geheimdienstagenten auf dem Lago Maggiore?

Eine Gedenktafel bestätigt nun offiziell, was bislang nur Spekulation war

 26.03.2024

Gaza/Israel

»Den Krieg jetzt zu beenden, würde Sicherheit Israels gefährden«

Die Lage am Dienstagmorgen - und ein Ausblick auf den Tag

 26.03.2024

Nahost

»Wir sind ziemlich perplex«

Die Tonlage zwischen Jerusalem und Washington verschärft sich zunehmend

 25.03.2024