Organisation

»Die Busse sind gechartert«

Auf der Westseite des Brandenburger Tors, die dem Tiergarten zugewandt ist, soll die Kundgebung des Zentralrats stattfinden. Foto: Thinkstock

Mit der Unterstützung der jüdischen Gemeinden aus Sachsen kann der Zentralrat bei seiner Kundgebung am 14. September rechnen. Alle drei Gemeinden chartern Busse, um nach Berlin zu reisen. »Das Interesse der Gemeindemitglieder ist sehr groß. Es gibt schon eine ganze Reihe von Anmeldungen«, sagt Alexander Nachama, Rabbiner in Dresden.

Das gilt auch für die Gemeinden Chemnitz und Leipzig, obwohl in Sachsen die Sommerferien jetzt erst enden und manche Gemeindemitglieder trotz Plakaten, ausgelegten Flyern und Hinweisen in den Gemeindeblättern noch gar nicht wissen, dass organisierte Fahrten zur Kundgebung gegen Judenhass geplant sind.

Chemnitz/Leipzig »Alle wollen demonstrieren – nicht nur gegen Judenhass, sondern auch für Israel«, berichtet Ruth Röcher, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz. Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, rechnet damit, dass etwa 50 bis 60 Leipziger Juden den Bus zur Kundgebung nach Berlin nehmen.

»Die Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig sind erschüttert, dass heute erneut antisemitische Parolen in Deutschland auf den Straßen verbreitet werden. Da kann man nur schwer schweigen! Man will und muss protestieren!«, unterstreicht Kaufmann. Besonders empört ist der Vorsitzende der Leipziger Gemeinde über antisemitische Äußerungen auf »Salonebene«: »Man sagt, das sei kein Antisemitismus, sondern reine Israelkritik. Aber wir Juden spüren ganz genau, wo man sachlich bleibt und wo man die Situation nutzt und seinen Hass auf Juden auslebt.«

Dresden Auch die Dresdner Juden haben die Nase voll von den antisemitischen Begleittönen der Proteste gegen den Krieg in Gaza, wie Gemeindevorsitzende Nora Goldenbogen ausführt. Ende Juli wurde die jüdische Gemeinde der Elbestadt sogar selbst aktiv und organisierte kurzerhand eine Protestveranstaltung vor ihrem Gemeindezentrum, an der auch rund 150 nichtjüdische Dresdner Bürger teilnahmen.

Anlass war eine geplante Kundgebung im Dresdner Stadtzentrum, zu der islamistische Kräfte aufgerufen hatten. Allerdings fiel diese antijüdische Demo dann mangels Beteiligung aus.

Düsseldorf Bevor am 14. September am Brandenburger Tor auch von weiten Teilen der Zivilgesellschaft ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt werden soll, bekommt die Jüdische Gemeinde Düsseldorf diese Unterstützung bereits jetzt zu spüren. Die Organisation der Fahrt für Teilnehmer aus der Landeshauptstadt hat die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf übernommen.

»Wir machen selbstverständlich gerade ganz viel Werbung bei unseren Gemeindemitgliedern«, sagt Inessa Lipskaja, Eventmanagerin der Gemeinde. »Wie viele Busse gechartert werden, das wissen wir jetzt noch nicht. Aber wir hoffen, dass vor allem viele junge Leute an der Fahrt und der Demonstration teilnehmen werden.« Deshalb werde derzeit verstärkt im Jugendzentrum geworben, über das auch junge Erwachsene und Studenten erreicht werden können.

Köln Doch die Mobilisierung zur Demonstration wird in diesem Teil der Bundesrepublik nicht einfach, das weiß auch Alexander Sperling, Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln. Knapp 600 Kilometer sind es von hier bis nach Berlin, aus Düsseldorf kaum weniger. »Die Fahrtzeiten sind nicht unbedingt angenehm«, weiß Sperling. »Um 6.30 Uhr wird der Bus losfahren, ungefähr um Mitternacht kommt er zurück. Dieser Weg ist für eine Tagesveranstaltung nicht ganz einfach.«

Dennoch geht man in Köln davon aus, dass mindestens ein Bus nach Berlin fahren wird. »Es gab ja bereits kleinere Demonstrationen in verschiedenen Städten, die aber im täglichen Mediengeschäft untergegangen sind«, sagt Sperling. »Es ist wichtig für Juden in Deutschland zu wissen, dass man so ein großes Zeichen setzen kann, das dann hoffentlich auch wahrgenommen wird.«

Hamburg Auch die Jüdische Gemeinde in Hamburg folgt dem Aufruf zur Demonstration in Berlin unter dem Motto: »Steh auf! Nie wieder Judenhass!« Es wird eine vom Zentralrat organisierte Busfahrt angeboten. Roy Naor, Mitglied des Hamburger Gemeindevorstands, hofft aber, dass sich auch zahlreiche Hamburger mit privaten Transportmitteln der Fahrt anschließen. »Wir haben unsere Mitglieder und Freunde natürlich dazu aufgerufen, an der Demonstration in Berlin teilzunehmen.«

Dabei richtet sich der Aufruf vor allem auch an die jüngere Generation, die in der Gemeinde mobilisiert werde soll. Der Aufruf sei daher nicht nur klassisch per Aushang oder Artikel im Gemeindeblatt verbreitet worden, sondern vor allem per E-Mail über den Gemeindeverteiler und auch über die sozialen Netzwerke wie Facebook.

»Wir wollen die Hamburger Gemeinde zahlreich vertreten sehen, denn aktiv und öffentlich sichtbar gegen Antisemitismus zu demonstrieren, gemeinsam mit der Bundeskanzlerin, ist ein viel besserer Weg, als zu schweigen und auf bessere Zeiten zu warten«, betont Naor. Dabei sei es wichtig, auch nach außen positiv aufzutreten: »Wir sind für eine starke jüdische Identität und haben jeden Grund, mit dieser selbstbewusst umzugehen.« Das sollen nun möglichst viele der etwa 3000 Hamburger Juden in Berlin demonstrieren.

Bremen Aus Bremen wird sich mindestens ein Bus mit Vertretern der gut 1000 Gemeindemitglieder auf den Weg machen. Elvira Noa, Vorstandsvorsitzende in Bremen, geht von mindestens 50 Teilnehmern aus, die per Bus anreisen, dazu etwa zehn weitere mit Privatautos. Eventuell wird ein weiterer Bus organisiert, wenn Nachfrage besteht.

»Wir haben hier in den letzten Monaten verstärkt Antisemitismus wahrgenommen«, so Noa. »Es gibt Schmierereien, auch immer wieder Schmährufe im Vorbeigehen.« Dazu sei die Polizeipräsenz zum Schutz der Bremer Gemeinde deutlich ausgeweitet worden. Sie hofft vor allem auf eine starke Vertretung der Berliner Gemeinde auf der Demo, denn für viele, gerade aus dem Süden Deutschlands, sei die Reise wohl doch zu weit und zu anstrengend.

Frankfurt/Main Das dürfte ein langer Tag werden. Um 6.30 Uhr in der Frühe wollen die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am 14. September aufbrechen. Und erst gegen ein Uhr nachts, so schätzt Jenny Marställer, Direktorin der Gemeindeverwaltung, werden die Busse voraussichtlich wieder am Gemeindezentrum im Frankfurter Westend eintreffen.

Wie viele an der Demonstration in Berlin teilnehmen werden, kann Marställer bislang nicht einschätzen: In diesen Tagen haben alle Gemeindemitglieder einen Brief der Verwaltung mit genaueren Informationen zum Ablauf der Berlinfahrt erhalten. Wer sich der Demonstration anschließen möchte, muss sich bis spätestens 9. September in der Sozialabteilung der Gemeinde angemeldet haben. Die Teilnahme ist für Gemeindeangehörige kostenfrei.

Das Problem: Der 14. September fällt mitten in die Jüdischen Kulturwochen in Frankfurt. Auch an diesem Sonntag stehen gleich mehrere interessante Veranstaltungen, darunter ein Kinofilm und ein Kochkurs im koscheren Restaurant, auf dem Programm. Und: Abends findet die alljährliche Benefizgala der Frankfurter WIZO statt. Dennoch rechnet Dalia Wissgott-Moneta, die Leiterin der Sozialabteilung, mit »mindestens zwei bis drei Bussen«, die man werde chartern müssen.

Fulda/Offenbach Auch in Fulda hat man bereits einen Bus bestellt. Der Vorstandsvorsitzende Roman Melamed rechnet mit mindestens 20 Mitreisenden. In Offenbach ging eine entsprechende Mitteilung an alle Gemeindemitglieder heraus.

Noch sei es aber zu früh, um abschätzen zu können, wie viele Offenbacher zur Kundgebung in der Hauptstadt mitfahren möchten. »Hinweise und Plakate hängen außerdem an jeder Pinnwand«, berichtet eine Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung. »Jetzt warten wir auf den Rücklauf.«

Wiesbaden In Wiesbaden ist der Bus bereits ziemlich voll besetzt. 50 bis 60 Personen, so schätzt Landau, werden dem Aufruf des Zentralrats Folge leisten und am Sonntagmorgen nach Berlin aufbrechen. Hinzu kommen noch einige Gemeindemitglieder, die selbstständig im Zug zur Demo anreisen werden. »Einige Leute aus dem Vorstand sind an diesem Tage ohnehin schon in Berlin«, weiß Geschäftsführer Steve Landau. »Wiesbaden wird also gut vertreten sein«, ist er sich sicher.

Und im Gegensatz zu den Nachbarn aus dem nahen Frankfurt will man sich die Strapazen einer nächtlichen Heimreise ersparen: »Wir haben ein Hotel gebucht und werden in der Hauptstadt übernachten.« Die Kosten für jeden Teilnehmer betragen dank der großzügigen Unterstützung durch Zentralrat und Gemeinde lediglich zehn Euro.

Mitarbeit: Zlatan Alihodzic, Barbara Goldberg, Moritz Piehler und Karin Schuld-Vogelsberg

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