Brit Mila

Vorerst Ländersache

Zwei Seiten des Problems: Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) will eine Richtlinie für Beschneidungen erarbeiten. Foto: dpa

»Wir streben eine Übergangsregelung an«, sagt Berlins Justizsenator Thomas Heilmann der Jüdischen Allgemeinen. Die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen soll mittels einer Richtlinie für die Berliner Staatsanwaltschaften in der Bundeshauptstadt weiterhin straffrei bleiben. Dies solle gelten, »solange es noch keine bundesrechtliche Lösung zur Frage der Strafbarkeit von Beschneidungen gibt«, so Heilmann.

Rechtsklarheit
Wie genau die Regelung aussehen wird, ist derzeit Gegenstand von Gesprächen, die noch einige Wochen andauern. »Dazu wollen wir auch mit Vertretern der jüdischen und muslimischen Gemeinden sowie der Ärzteschaft sprechen«, sagt Heilmann. »Unser Ziel ist es, für die betroffenen Ärzte und Familien, die eine Beschneidung planen, in dieser Übergangszeit Rechtsklarheit zu schaffen. Jeder soll wissen, was erlaubt ist und was nicht.«

Zweck der von Heilmann angestrebten Richtlinie ist, Staatsanwaltschaften eine Art Handlungsanweisung zu geben, wie sie auf mögliche Anzeigen reagieren sollen, und sie davon abzuhalten, mit einer Strafverfolgung selbst aktiv zu werden. Handlungsdruck hat Berlin angeblich nicht: Nach Angaben der Justizverwaltung gibt es bislang keine Strafanzeigen gegen Ärzte oder Mohalim.

Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen und Jurist, hält von dieser Richtlinie gar nichts: »Die Staatsanwaltschaften sind daran nicht gebunden.« Wenn eine Anzeige vorliege oder ein Staatsanwalt der Meinung sei, dass es sich um einen Verstoß gegen das Strafrecht handelt, dann würde weiterhin ermittelt – mit oder ohne Richtlinie der Politik.

In Baden-Württemberg haben die Generalstaatsanwaltschaften Stuttgart und Karlsruhe angekündigt, in Fällen von religiöser Beschneidung nicht zu ermitteln, sondern zu warten, bis es zu einer bundesgesetzlichen Regelung kommt. »Das ist etwas anderes als in Berlin«, sagt Fürst. Wenn nämlich die Generalstaatsanwaltschaften ihren untergeordneten Behörden so eine Anweisung geben würden, sei das ein Stück der geforderten Rechtssicherheit, allerdings bislang einzig in Baden-Württemberg.

richtlinien Dieses Problem sieht man in Berlin auch. Daher legt Justizsenator Heilmann großen Wert darauf, dass er seine Richtlinie gemeinsam mit den Staatsanwaltschaften erarbeitet und sie nicht politisch durchpaukt.

Ob wegen des Problems, dass die Initiative von der Politik ausgeht, oder aus anderen Gründen: Von einer Lösung, wie sie in Baden-Württemberg praktiziert wird, ist Berlin noch weit entfernt. Und nicht nur die Hauptstadt: In Nordrhein-Westfalen beispielsweise will das Ministerium prinzipiell der Justiz keine politischen Vorgaben machen. Das könne als Verstoß gegen die Gewaltenteilung verstanden werden. Ähnliche Zurückhaltung übt man in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg. In Sachsen-Anhalt wird noch nach verschiedenen Optionen gesucht, ein Ergebnis ist nicht abzusehen. Und aus Sachsen war zu hören, dass man lieber ein Bundesgesetz abwartet, als selbst aktiv zu werden.

signale Sinnvolle rechtspolitische Signale, die zur Beruhigung betroffener jüdischer und muslimischer Eltern beitragen, kann Michael Fürst aus solchen Äußerungen von Landesregierungen oder Staatsanwaltschaften nicht herauslesen. »Das ist eine völlig hysterische Debatte«, sagt Fürst. »Besser wäre gewesen, ein bisschen Ruhe hineinzubekommen.«

Die Berliner Initiative hat in jüdischen und muslimischen Kreisen aber auch Zustimmung erfahren. Sergey Lagodinsky, Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, lobt Heilmanns Schritt, denn er »könnte zumindest vorübergehend Abhilfe schaffen«. Lagodinsky denkt beispielsweise an eine hoffentlich geminderte Bereitschaft von Staatsanwaltschaften, Klage zu erheben.

Auch Ali Kizilkaya, Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland, begrüßte die Ankündigung des Berliner Innensenators, denn so könne der »Zustand vor dem Kölner Urteil wiederhergestellt werden«, wie Kizilkaya dem Berliner »Tagesspiegel« sagte. Ende Juni hatte das Landgericht Köln im Falle eines muslimischen Arztes, der bei einem minderjährigen Jungen eine Beschneidung durchgeführt hatte, auf strafbare Körperverletzung erkannt.

Georg M. Hafner

Auslöschen? Kein Problem!

Die Konsequenz des Frankfurter Urteils ist eine verheerende Verschiebung von roten Linien

von Georg M. Hafner  29.03.2024

Berlin

»UNRWA ist Teil des Problems«

Israels Botschafter Ron Prosor präsentiert Informationen zur engen Verbindung der Terrororganisation Hamas mit dem UN-Palästinenserhilfswerk

 28.03.2024

Halle / Frankfurt

DFB lässt proisraelisches Plakat bei Länderspiel abhängen

Plakat mit der Aufschrift »Bring them Home now« sei nicht genehmigt und entgegen UEFA-Regularien gewesen

 28.03.2024

Sachsen

Trotz antisemitischer Vorfälle: Leipziger Friedenspreis geht an »Handala«-Gruppierung

Die »pro-palästinensische Gruppierung« steht immer wieder wegen antisemitischer Vorfälle in der Kritik

 27.03.2024

Analyse

Allein

Der Jude unter den Staaten: Wie Israel von der Weltgemeinschaft verleumdet und im Stich gelassen wird

von Maria Ossowski  27.03.2024

Manchester Airport

Überlebende des 7. Oktober bei Einreise beschimpft

»Wir müssen sicherstellen, dass Sie hier nicht dasselbe tun wie in Gaza«, sagt ein Grenzbeamter zu den Israelis

von Imanuel Marcus  27.03.2024 Aktualisiert

USA/Israel

US-Verteidigungsminister empfängt israelischen Amtskollegen

»Wir den Kampf in Gaza nicht beenden, bevor wir alle Verschleppten nach Hause bringen«, erklärt Joav Gallant

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Berlin

Nach Angriff auf jüdischen Studenten: Hochschulgesetz wird verschärft

Möglichkeit der Exmatrikulation wurde zuvor von Rot-Grün-Rot abgeschafft

 26.03.2024