Arabische Welt

Freudenrufe in Hamastan

Schleichwege: Durch ein weitverzweigtes Tunnelsystem wird Gaza mit Gütern versorgt – und die Hamas mit Waffen. Foto: Flash 90

Als Ägyptens Präsident Hosni Mubarak vergangenes Wochenende gestürzt wurde, rief die Hamas in Gaza zu Freudenkundgebungen auf: »Der Rücktritt Mubaraks ist der Anfang des Sieges der ägyptischen Revolution, die wir voll und ganz unterstützen«, sagte Hamassprecher Sami Abu Suhri.

Ägyptens Pharao wurde zum Feind der Hamas, nachdem sie sich im Sommer 2007 blutig an die Macht geputscht hatte. Mubarak fürchtete einen Schulterschluss zwischen den Islamisten in Gaza und den Muslimbrüdern im eigenen Land. So begann er, eng mit Israel zu kooperieren. Ägypten half bei der Blockade des Gazastreifens, trieb an der Grenze sogar eine mehr als 20 Meter tiefe Stahlmauer in den Boden, um den Schmuggel nach Gaza zu unterbinden und die Hamas wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Kein Wunder also, dass die Islamisten sich nun über den Niedergang ihres mächtigsten arabischen Feindes freuen. »Wir hoffen, dass die Muslimbrüder an Ägyptens neuer Regierung beteiligt werden. Wandel würde unsere Lage deutlich verbessern«, sagt Abu Abdallah, Kommandant der Kassambrigaden im Südsektor Gazas. Die Kassambrigaden sind der bewaffnete Arm der Hamas.

SCHMUGGEL Die Ereignisse in der ersten Woche der Unruhen in Ägypten zeigen, welchen Wandel Abu Abdallah meint. Während sich in Gaza-Stadt Tausende Menschen mit den Demonstranten in Kairo solidarisch zeigten, fand in der Grenzstadt Rafah wenige Kilometer weiter südlich eine andere Feier statt. »Es war eine große Party«, sagt Abu Muhammad. Aus Sicherheitsgründen benutzt der 38-jährige Familienvater ein Pseudonym. Er ist einer der Schmuggler, die Rafah zu einer wohlhabenden Stadt gemacht haben. Ihm gehören drei Tunnel, durch die Güter aus dem Sinai auf die Märkte Gazas gelangen – und Waffen aus dem Iran.

Als die Welt gebannt auf den Kairoer Tahrir-Platz blickte, waren Muhammads 25 Angestellte damit beschäftigt, tief unter der Erde Waren hin- und herzutragen – eine goldene Gelegenheit, denn die Polizisten im Sinai hatten alle Hände voll zu tun, einen bewaffneten Beduinenaufstand niederzuschlagen. »Alles war frei«, freut sich Abu Muhammad noch heute. »Die Hamas brachte ganze Lastwagenladungen, große Kästen. Es könnten sogar ballistische Raketen gewesen sein«, sagt der Schmuggler und lacht über einen Witz, den er nur halb im Spaß macht. »In den ersten Tagen gelang es dem Widerstand, neue Waffen anzuschaffen«, bestätigt Kommandant Abu Abdallah, ohne Details zu verraten.

Die Güter flossen nicht bloß in eine Richtung. Seitdem Israel im vergangenen Jahr die Blockade Gazas lockerte, sind die Regale hier wieder voll. »Uns fehlt fast nichts. Im Gegenteil, manche Waren sind im Überfluss da, die Menschen kaufen nicht genug«, sagt Hamsa Muqbil, der einen kleinen Supermarkt in Bait Lahiyah betreibt. »Nur ein paar Zigarettenmarken sind ausgegangen.«

Im Sinai hingegen wurden die Versorgungslinien abgeschnitten. Gewiefte Schmuggler wie Abu Muhammad packten die Gelegenheit beim Schopf und exportierten israelische Güter in den Sinai. Sie brachten nicht nur Lebensmittel. »Bei den Aufständen in Al Arisch und Scheich Sued lieferten wir auch leichte Waffen, um uns unseren beduinischen Geschäftspartnern erkenntlich zu zeigen«, sagt Abu Muhammad.

Die engen Beziehungen zwischen den Beduinen und den Schmugglern ermöglichten es der Hamas, dem wichtigsten Arbeitgeber der Schleichhändler, alle ihre Aktivisten aus ägyptischen Gefängnissen zu befreien. Vergangene Woche hielt Ayman Nofel, ehemaliger Kommandeur der Kassambrigaden in den Flüchtlingslagern, seinen triumphalen Einzug in Gaza. Er war nach drei Jahren Haft aus einem Gefängnis in Ägypten ausgebrochen. Nur zehn Palästinenser befänden sich noch jenseits der Grenze in Haft, sagt Abu Abdallah. Keiner von ihnen gehört zur Hamas.

RUHE Die »goldene Stunde« der Islamisten scheint aber vorbei. Wenige Tage nach Ausbruch der Revolution gestattete Israel den Ägyptern, zwei Bataillone mit insgesamt 800 Soldaten in den Sinai zu verlegen. Laut dem Friedensvertrag ist die Halbinsel demilitarisiert. Am Mittwoch erhielten sie weitere Verstärkung. Vorerst ist eine gespannte Ruhe eingekehrt. Die Armee schlägt jetzt gegen Schmuggler und Beduinen zurück. »Sie suchen nach unseren Kämpfern. Sie haben noch immer dieselbe Haltung zu uns wie vor der Revolution«, sagt Abu Abdallah. »Noch nicht einmal der Personenübergang in Rafah ist geöffnet.«

Abu Abdallah träumt von Israels Albtraum: dass die Muslimbrüder in Kairo an die Macht kommen. Doch dafür brauche es Geduld. »Wahrscheinlich werden die Muslimbrüder in naher Zukunft keine zentrale Rolle spielen. Sie konzentrieren sich auf innenpolitische Fragen und wollen niemand gegen sich aufbringen.« Vorläufig erwartet Abdallah schwere Zeiten: »Die Militärs sind bemüht, dem Westen und Israel zu zeigen, dass man sich auf sie verlassen kann, und werden deshalb hart gegen uns vorgehen.«

Daher setzt die Hamas vorerst weiter auf ein Bündnis mit Iran. »Wir haben keine Wahl, wir müssen eng mit dem Iran zusammenarbeiten, es sei denn, in Ägypten herrscht ein anderes Regime, und wir gewinnen strategische Tiefe und einen arabischen Partner.« Trotzig erklärt der Kommandant: »Weder das Truppenaufgebot im Sinai noch Mubaraks Eisenmauer werden uns davon abhalten, Waffen nach Gaza zu bringen oder unsere Brüder zur Ausbildung ins Ausland zu entsenden. Die Beziehungen zum Iran bleiben bestehen.«

EINFUHRSTOPP Während sich die Schmuggler bemühen, Ringe ägyptischer Soldaten zu durchbrechen, hat die Hamas bereits eine eigene Blockade im Gazastreifen verhängt. Am Montag verkündete ihr Finanzministerium, dass die Einfuhr einer Vielzahl israelischer Güter ab sofort verboten sei. Es gäbe Ersatz, der in Gaza selbst hergestellt werde, sagte der Sprecher des Ministeriums, Ibrahim Dschaber.

Softgetränke, Kleidung, Möbel oder Toilettenpapier aus Israel sind nun aus Gaza verbannt. Für viele Kleinhändler ist das ein schwerer Schlag. »Meine Kunden ziehen die qualitativ besseren israelischen Waren vor, selbst wenn sie fast doppelt so teuer sind«, sagt der Supermarkteigentümer Hamsa Mukbil. »Wenn sie unbedingt wollen, dass wir Klamotten aus Gaza anziehen, dann sollen sie doch einfach bessere herstellen«, sagte ein Kleiderverkäufer, der anonym bleiben wollte.

Die Charta der Hamas sieht zwar eine wirtschaftliche Abkoppelung von Israel und die Stärkung der eigenen Industrie vor. Experten vermuten hinter dem neuen Gesetz jedoch eine andere Motivation: Die Steuer, die die Hamas von Tunnelbetreibern in Rafah erhebt, ist zu einer bedeutenden Einnahmequelle für sie geworden. Je mehr geschmuggelt wird, desto reicher wird die Hamas. So unterband sie unlängst Treibstofflieferungen aus Israel und importiert stattdessen minderwertigen Treibstoff aus Ägypten, um ihn anschließend in Gaza zu verkaufen.

Georg M. Hafner

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