Belgien

Koscher Knokke

Na gut, ich rieche nicht gerade nach Rosen und Lilien, aber die Wäscheklammer auf der Nase finde ich jetzt doch etwas übertrieben. »Dieser fies riechenden Ganzkörperselbstbräuner ist so ätzend«, näselt mein Gatte. »Entspann dich! Das ist schließlich nicht die Croisette in Cannes!« »Nein« entgegne ich, »es ist noch viel schlimmer.«

Wir sind auf dem Weg zum Viaene-Strand in Knokke, dem Jewish Hot Spot der belgischen Küste. Und ich bin alles andere als relaxed. War gestern noch im Beauty-Salon, damit die Zehennägelfarbe zu den Fingernägeln passt, und das ganze muss wiederum mit der Farbe meines Bikinis harmonieren. Oder doch lieber ein Einteiler? Seufzend stehe ich vor dem Kleiderschrank.

Gören Wer sich nach Viaene traut, der muss entweder sehr dickfellig sein – oder perfekt. Da ich keines von beiden bin, flattern mir die Nerven. Zugegeben, Viaene ist der schönste Privatstrand von Knokke. Ideal gelegen am Albertstrand neben der Shoppingmeile Kustlaan, mit einem luxuriösen Kinderspielplatz, damit den verwöhnten Antwerpener Gören nicht langweilig wird, einer fantastischen Beach Bar – und einer handverlesenen Selektion der versnobtesten und arrogantesten Leute aus Brüssel und Antwerpen.

Warum sich die jüdische Haute Volée gerade diesen Strand ausgesucht hat, ist nicht ganz klar. Mir ist ebenfalls nicht klar, warum ich nicht einfach an einen anderen der rund 50 Privatstrände gehen kann, die Knokke zu bieten hat. Nein, ich muss mir jedesmal wieder den Maso-Trip antun und nach Viaene Beach pilgern und mich vom jüdischen Jet Set in der Luft zerreißen lassen. Und allen anderen geht es genauso. Teil des Jewish Social Game, dem wir alle frönen, ist halt doch der Plotkesaustausch: Wen man trifft und mit wem, was hat sie an, wie sieht sie aus, sitzt der Bikini einigermaßen, wie viele Klunker und wie groß?

Hier also für alle, die sich das auch einmal antun möchten, ein Schritt-für-Schritt-Survival-Guide für Viaene Beach:

1. Der Eingang – der Felsen von Szylla und Charybdis. Anders gesagt, die selbst ernannten Style-Checker Schula und Chani in ihren Liegestühlen, gnadenlose Klaftes, wie sie nur meine Lieblingsstadt Antwerpen hervorbringen kann. Hier heißt es, Luft anhalten, Bauch einziehen, hoch erhobenen Hauptes vorbei – und lächeln, lächeln, lächeln. Zischelnde Kommentare über Cellulitis und Bad Hair Day einfach ignorieren. Uff, geschafft.

2. Die Insel der Neureichen. Hier sind über 50 Quadratmeter der Jeunesse Dorée malerisch auf Strandsesseln drapiert. Wie ein Schaufensterbummel mit Fummeln von Hermes, Gucci, Luis Vuitton, nur dass die Teile alle schon verkauft sind, an anderen Frauen hängen und ich sie mir nicht leisten kann. Was es nicht alles gibt: Luis-Vuitton-Wickelunterlagen, strassbesetzte Strandhandtuch-Clips von Chanel, in allen Farben schillernde Bierdosenhalter von Dolce und Gabbana ... Bitte nicht zu auffällig starren! Kopf hoch, Augen zu und durch, denn jetzt kommt ...

3. ... der Spielplatz! Plastik-Rutschen in allen Technicolor-Farben, Trampoline, ein Cinderella-Schloss, ein Piratenboot – toll! Meine Tochter Emma trifft alle Kinder aus ihrer Klasse in der Maimonides-Schule, mein Mann Alain trifft seine Kumpels, und ich mache Small Talk mit den anderen Mamas, diesen Giftnudeln – das alles unterlegt von einem freundlichen Live-Kommentar zu meinem Familien- und Eheleben (»Sind die Kinder eigentlich alle von ihm? Stimmt das, dass sie sich die Nase hat machen lassen? Naja, ich glaube, sie ist einige Jahre älter als er ...«)

4. Die Beach Bar mit koscherem Ben-&-Jerry’s-Eis. In Antwerpen isst man nichts anderes! Während ich meine Portion löffele, kann ich fast sehen, wie sich bei meinen Zuschauerinnen die Lippen bewegen: Sie zählen die Kalorien mit.

5. Die Frummies – eine freundliche Barriere aus viel zu warm angezogenen Frauen in dunklen Farben, die am Strand hinter den unerschwinglichen Liegestühlen lagern. Massenweise Kinder, die geschmolzene M&M’s und Bamba in sich reinstopfen. Emma wird von allen betätschelt, es gibt jede Menge Komplimente auf Jiddisch.

6. Das Meer! Endlich. Es ist grau, es ist kalt, schleimige Algen und die eine oder andere Qualle finden sich darin. Einige blaugefrorene Gojim entsteigen dem Wasser. Alle Kinder einmal kurz eintauchen, dann umdrehen und auf dem Weg zurück zum Strand ganz viele Muscheln sammeln.

7. Am Ende nicht vergessen, die Muscheln vom Strand gegen selbst gebastelte Papierblumen zu tauschen. Die stehen, in allen Regenbogenfarben glitzernd, an langen wippenden Stängeln an riesigen Sandhaufen aufgereiht. Wo sie genau herkommen, wer sie gebastelt hat, und warum man dafür Muscheln eintauscht, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Aber es gehört nun einmal zum Ritual, genauso wie der Abschluss des Strandausflugs ganz in der Nähe am Rubensplein, genannt auch M’as-Tu-Vu-Platz (»Hast-du-mich-gesehen«). Hier sitzen alle bequem im Schatten, während auf dem Riesenplatz die Kinder auf ihren Go-Karts, Fahrrädern und Rollern und Rollschuhen herumkurven. Es herrscht ein Riesenlärm, sodass ich den Audio-Kommentar der anderen Familien glücklicherweise nicht höre.

Inzwischen haben wir Sonnenbrand und Magenweh vom vielen Eis. Wir verabschieden uns ohne Bedauern vom Strandpublikum. Denn morgen früh am Parkplatz der jüdischen Schule sehen wir uns ja ohnehin alle wieder.

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