Fans

Vereint vor dem Beamer

Runde Sache: König Fußball regiert ab Freitag für einen Monat die Welt. Foto: imago

Wer sich nicht für Fußball interessiert, hat es in den nächsten Wochen vermutlich ziemlich schwer, denn die Ereignisse bei der Weltmeisterschaft in Südafrika werden zu den Hauptgesprächsthemen gehören. Zum WM-Spaß gehört für die meisten Fans auch, die Spiele gemeinsam mit Freunden und Bekannten zu verfolgen, entsprechend werden vielerorts öffentliche Übertragungen angeboten. Jüdische Enthusiasten können allerdings nicht automatisch damit rechnen, dass alle Spiele in den Gemeindezentren gezeigt werden, wohl auch, weil die Anstoßzeiten sehr ungünstig sind und ansonsten keine Zeit für mehr andere Veranstaltungen bliebe.

Die Nürnberger Gemeinde wird keine Übertragung der Fußball-WM für ihre Mitglieder bieten, wie Arno Hamburger erklärt. »Das haben wir noch nie gemacht, denn in der Stadt gibt es genügend Attraktionen rund um die Weltmeisterschaft.« Er persönlich werde die Spiele in Südafrika »selbstverständlich verfolgen«, sagt der 87-Jährige, der noch bis in die 70er-Jahre hinein in der Stadtauswahlmannschaft kickte und sich mit Fußball nun »nur noch aus dem Lehnsessel heraus« beschäftigt.

Titelaspiranten Wem Hamburger den Titelgewinn wünscht, ist klar: »Ich bin schon sehr interessiert am Abschneiden der deutschen Mannschaft«, sagt er und lacht. »Aber ich gehe davon aus, dass mein Daumendrücken nicht allzu sehr hilft.« Wer Weltmeister werde, sei allerdings nun wirklich »keine lebenswichtige Frage«.

Arno Hamburger hat sich von kleinauf für Fußball interessiert, als kleiner Junge besuchte er die Spiele des FC Nürnberg, der in den 20er-Jahren fünfmal deutscher Meister wurde. Besser oder gar interessanter sei der Fußball seither eigentlich nicht geworden, findet er. »Mir ist er allerdings mittlerweile viel zu kommerzialisiert.« Die Gehälter, die den Stars der Sportart gezahlt werden, »passen nicht ins Leben. Dass jemand, nur weil er gut Fußball spielt, das Tausendfache oder sogar Millionenfache von dem verdient, was ein Normalbürger während seiner gesamten Lebenszeit verdient, steht doch in keiner Relation.« Hamburger erinnert sich noch an andere Zeiten, 1947 und 1948 war sein geliebter 1. FC Nürnberg Zonenmeister der amerikanischen Zone geworden »und reiste über die Dörfer, um für Fleisch und ein paar Säcke Kartoffeln aufzutreten ...«

Enthusiasten In Bochum ist man ebenfalls traditionell fußballverrückt. Und freut sich entsprechend sehr darüber, dass gleich vier Spieler des heimischen VfL an der WM teilnehmen werden. Ob man allerdings auch in der jüdischen Gemeinde verfolgen kann, wie sich die Bochumer Anthar Yahia (Algerien), Stanislav Sestak (Slowakei), Zlatko Dedic (Slowenien) und Daniel Fernandes (Portugal) in Südafrika schlagen, steht noch nicht fest. »Beim vorigen Mal haben wir es getan, jetzt müssen wir natürlich zunächst sehen, dass sich die Übertragungen nicht mit anderen Aktivitäten und Veranstaltungen in die Quere kommen«, sagt Alexander Schraga, Vorsitzender von Makkabi Bochum.

Die Tatsache, dass weder Russland noch die Ukraine in Südafrika auflaufen, schmälere die Begeisterung der Bochumer Juden für die WM ganz bestimmt nicht, glaubt Schraga. »Natürlich sind viele aus den Ländern der ehemaligen UdSSR zugewandert, aber eben nicht nur aus diesen beiden Staaten, das darf man nicht vergessen.« Außerdem drückten viele sowieso der deutschen Mannschaft die Daumen. »Und oft ist es ja auch so, dass man während eines großen Turniers dann auch noch eine weitere Mannschaft für sich entdeckt, die tollen Fußball spielt. Denn darauf, spannende, gute Spiele zu sehen, freut man sich doch schon vor den Spielen.«

Zuschauer In Krefeld werden vor allem wahrscheinlich die Mitglieder des Seniorenclubs gebannt die Übertragungen aus Südafrika verfolgen, sagt die Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinde, Alla Trubnjakow-Johnen. Ob man generell das gemeinsame Anschauen der Spiele anbietet, steht noch nicht fest. »Das Interesse am Sport ist bei unseren älteren Mitgliedern sehr groß«, sagt Trubnjakow-Johnen, und berichtet, dass die großen Ereignisse wie zum Beispiel Olympische Spiele begeistert verfolgt werden. »Aber auch im Jugendclub wird man wohl WM-Spiele anschauen.«

Die Geschäftsführerin wird sich allerdings nicht im Kreise derjenigen einfinden, die sich über verpasste Chancen ärgern und gelungene Kombinationen bejubeln: »Ich habe einfach kein Interesse an Fußball, Sport allgemein hat mich nie interessiert, aber ich freue mich natürlich, wenn unsere Fußball-Fans Spaß haben.«

Unterstützer In Halle werden der deutschen Nationalmannschaft die Daumen gedrückt, »selbstverständlich« findet Max Privorozki, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde. »Ich lebe zum Beispiel schon seit 20 Jahren hier, und selbst wenn die Ukraine, aus der ich komme, mitspielen würde, würde ich sie nicht anfeuern.« Privorozki kann während der WM Deutschland beide Daumen drücken, denn »Israel spielt ja nicht mit, was schon sehr schade ist«.

Ob man im Gemeindehaus Spiele der Weltmeisterschaft zeige, sei noch unklar, »es kommt drauf an, ob die Leute das wollen, aber andererseits liegt die Gemeinde gleich im Stadtzentrum, wo fast alle Gastwirte ihre Fernseher nach draußen stellen werden.«

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024