70 Stunden Israel

Alles außer langweilig

Ein bisschen wie Griechenland oder Nordafrika. So ungefähr hatte sich Sebastian Ströbel Israel vorgestellt, als er Anfang des Jahres zum ersten Mal dorthin reiste. Der Schauspieler, der vor allem aus der ZDF-Fernsehserie Die Bergretter bekannt ist, erfüllte sich damit einen lang gehegten Traum. »Für mich war Israel immer eine Art Sehnsuchtsort, an dem biblische Geschichte, römische Ausgrabungen und, aus meiner deutschen Perspektive, die Schrecken der Schoa miteinander verwoben sind«, sagt der 41-Jährige.

Für die n-tv-Sendereihe Das ist mein Israel schwamm er am Roten Meer mit Delfinen, schaute im Kibbuz Algenzüchtern über die Schulter, badete im Toten Meer, erkundete Jerusalems verwinkelte Altstadt und hatte so Gelegenheit, zahlreiche Facetten des Landes innerhalb kurzer Zeit kennenzulernen.

Tel Aviv »Israel ist klein, da kann man innerhalb von 70 Stunden schon eine Menge erleben«, meint Ofer Moghadam. Der Tourguide begleitete Ströbel, der Ende Januar »mit viel Herzklopfen« in Tel Aviv landete, auf seiner Reise in Richtung Süden. Als Israel-Neuling den 70-Stunden-Trip mit der Stadt am Mittelmeer zu beginnen, raten beide jedem, der das Land zum ersten Mal bereist. »Vor allem, um das junge Israel kennenzulernen.« Es gebe keinen besseren Auftakt für 70 Stunden in Israel, als einen entspannten Abend am Strand der jungen Metropole zu verbringen.

Als »Klassiker für Einsteiger« empfiehlt Tourguide Ofer die Städtetour Tel Aviv-Jerusalem. Beide Städte seien für Israel-Besucher »ein klares Muss« – Tel Aviv als erste säkulare modern-hebräische Stadt mit ihrer Architektur, den Museen, den abwechslungsreichen Strandabschnitten und dem Partyleben; Jerusalem als kontrastreicher Gegenpol aus Religiosität, Spiritualität und Menschheitsgeschichte.

Kontraste gebe es natürlich nicht nur zwischen diesen beiden Städten, sagt Ofer Moghadam. Schon in Tel Aviv stoße man auf eine »geballte Ladung Zeit«. Beispiel Jaffa: Von dort aus könne man die Entwicklung der Stadt im Umkreis von nur fünf Kilometern erkunden. »Ich kann über Pharaonen und Kanaaniter sprechen, ebenso wie über Osmanen und Ben Gurion, und am gleichen Tag die tollsten Restaurants mit ›Fusion Kitchen‹, die heißesten Clubs, angesagtesten Galerien und coolsten Läden besuchen – wie im Zeitraffer.«

Hatachana
»Wie in einer anderen Welt« fühle man sich hingegen im eine Autostunde entfernten Jerusalem, sagt Ofer Moghadam – auch wenn es dort ebenso Nachbarschaften gebe, in denen man abends wunderbar ausgehen könne, etwa im aufgestylten alten Bahnhofsviertel »Hatachana«, »The First Station«, der alten Bahnhofsanlage an der historischen Eisenbahnlinie zwischen Jaffa und Jerusalem.

Dennoch sei Jerusalem eine Faszination für sich. »Wenn man zum ersten Mal nach Israel kommt, will man verstehen, worum es in diesem Land geht. Und wenn man Jerusalem nicht kennt, versteht man Israel nicht«, sagt der Reiseleiter bestimmt.
Jeder, der es sich leisten kann, sollte einmal im Leben in Jerusalem gewesen sein, pflichtet ihm Sebastian Ströbel bei. »Weniger aus religiösem Antrieb als aus historischem: um alles zu begreifen – die Konflikte, die Gefühle, die Atmosphäre, diese Stadt, die so unfassbar aufgeladen ist.«

Moghadam ist als Sohn israelischer Eltern in Deutschland aufgewachsen, hat in New York und Los Angeles gelebt – »doch an keinem anderen Ort der Welt lebe ich lieber als in Jerusalem, weil es eine extrem aufregende Stadt ist. Schwierig, ja, problematisch, ja, aber eine Stadt, in der man spürt, dass sie der Nabel der Welt ist«, schwärmt Moghadam.

Denn an keinem anderen Ort auf der Welt würden so viele verschiedene Religionen, Völker und Nationen aufeinandertreffen, es gebe keinen Ort, der so umstritten ist, an dem es aber zugleich so friedlich zugehe. Diesen Eindruck versucht Moghadam immer wieder auf seinen Touren zu vermitteln.

Tempelberg Auch Sebastian Ströbel sagt, erst hier habe er begriffen, dass keine andere Stadt diese Art von Heiligkeit ausstrahle. Denn es sei die geballte religiöse Bedeutung des vergleichsweise kleinen Areals von gerade einmal einem halben Quadratkilometer rund um den Tempelberg, die die Atmosphäre so auflade.

»Was mich unter anderem am meisten beeindruckt hat, war zu sehen, dass das alltägliche Zusammenleben funktioniert – dass all die vielen Religionen und Strömungen, so verschieden sie auch sein mögen, nebeneinander leben.«

Wie Tel Aviv habe auch Jerusalem eine Dynamik, meint Ofer Moghadam. Nur anders. »Urplötzlich kann sich hier alles ändern.« Jerusalem sei eine Stadt, »die die ganze Zeit in Bewegung ist, in der die Interessen aufeinanderprallen und in der dennoch die Zeit wie konserviert erscheint«.

Der Blick vom Ölberg auf die Altstadt etwa sei »unfassbar beeindruckend« – mit den Gräbern ringsum, den Geräuschen aus der Altstadt und der Gewissheit, wie umkämpft diese Stadt von jeher gewesen ist. Ströbel empfiehlt jedem Israel-Erstbesucher als Urlaubsvorbereitung die »Jerusalem-Biografie« des britischen Historikers Simon Sebag Montefiore. »Wenn man dann davor steht, mittendrin ist, spürt man die Magie dieser Stadt, der man sich weder entziehen kann noch sollte.«

Totes Meer Dass er Jerusalem erst am Ende der Reise gesehen hat, sei »genau richtig« gewesen, meint der Schauspieler. Denn er habe sich gewissermaßen »das Beste für den Schluss« aufsparen wollen. Zusammen mit Reiseleiter Ofer und seinem Filmteam hatte er sich der Stadt vom Toten Meer aus genähert – nach der Landung in Tel Aviv, einem Tag in Eilat und in der Negevwüste.

»Den Tagesanbruch am Roten Meer zu erleben, mit den roten Bergen von Jordanien, die sich im Wasser spiegeln, dann am selben Tag die Negevwüste rund um den Ramon-Krater durchfahren, Masada erklimmen, kurz im Toten Meer schweben, dann hoch nach Jerusalem und die Altstadt auf sich wirken lassen, vor der Abreise nochmal in Tel Aviv entspannen und von dort aus zum Flughafen fahren – das wird ein knackiges Programm, aber dadurch, dass Israel ein kleines Land ist, ist alles gut zu schaffen.«

Diese südliche Reiseroute empfiehlt Ofer Moghadam jedem, der Israel schon kennt und bei wiederholten Israelbesuchen mehr entdecken und aktiv erleben will. Wer länger bleibt, kann verschiedene Sportarten ausprobieren: Snappling im Wadi Zin, Mountainbiking in der Wüste, Klettern durch Canyons, Übernachten bei Beduinen, auf Weinfarmen oder in Kibbuzim. »Die Wüste wird noch immer unterschätzt – dabei kann man die archäologischen Nabatäerstädte erkunden, entlang der antiken Gewürzstraße Bio-Käse probieren und ebenso aktiv auch entspannt Urlaub machen: zum Beispiel auf den gut ausgebauten Trails wandern oder einfach abschalten und meditieren.«

nightlife
Und noch einen Tipp hat Ofer Moghadam: Kibbuzim besuchen, kleine Ortschaften ansteuern, die außerhalb der Routen liegen. Haifa zum Beispiel legt der Guide jedem Israelreisenden als »echten Geheimtipp« ans Herz.

»Statt von Tel Aviv aus in die Wüste und weiter nach Jerusalem zu fahren, kann man die 70 Stunden auch auf Tel Aviv, Jerusalem und Haifa aufteilen.« Dort werde Koexistenz großgeschrieben; es herrsche ein europäisches Flair. Dank der zahlreichen Studenten gebe es ein ausgeprägtes Nachtleben mit Clubs, Restaurants und Bars. »Haifa ist eine Stadt, in der weder Moses noch Mohammed und Jesus waren – den Ort muss man erst einmal finden in Israel«, sagt Ofer lachend. Genau diese Atmosphäre mache Haifa so besonders.

Vor allem aber sollte man sich einlassen auf die Leute, rät Ofer. Nicht in Touristenrestaurants essen gehen, sondern in einfachen Arbeiterlokalen Schnitzel, Reis, Falafel bestellen. »Dort trifft man die echten Israelis.« Als Tourguide erlebe er es oft genug, dass genau diesen Schritt sich viele Touristen nicht trauen, selbst ausgesprochene Israelliebhaber nicht. »Dann nehme ich den Leuten die Angst, vermittle, baue Brücken – dann geht das schon. Daraus können außergewöhnliche Unterhaltungen erwachsen und schöne Kontakte entstehen.«

Sebastian Ströbel hat sich von Ofer nicht lange bitten lassen – er ist selbst auf die Menschen, denen er begegnet ist, zugegangen, ob im Künstlerkibbuz im Negev, im Start-up-Moschaw der Algenzüchter am Toten Meer oder auf dem Markt in Jerusalem. Ihn hat vor allem die israelische Gesellschaft mitgerissen. »Sie polarisiert, begeistert, inspiriert, sie macht vieles mit einem – nur lässt sie einen nicht gleichgültig.« So ein Projekt wie Israel wühle einen auf, »weil man weiß, wie dieses Land ringt, man spürt das«.
Israel sei alles außer langweilig.

Russland »Das ist das Spannende an dem Land und seinen Menschen – man bekommt keinen langweiligen Lebenslauf zu hören.« Zum einen seien alle »unglaublich offen, herzlich, kommunikativ und mitteilsam«. Zum anderen bringe jeder andere Wurzeln mit: Südamerika, Russland, Europa, Afrika. »Es ist eine tolle Erfahrung, zu sehen, wie sich da eine Idee von einem Land und einem Volk entwickelt hat, das sich auch erst finden musste, das 2000 Jahre lang versprengt war.«

Dieser Widerspruch schreie aus jedem Menschen heraus, den man trifft – aber auch die Sehnsucht und das Verlangen, diese Heimat aufzubauen und zu halten, fasst Sebastian Ströbel seine Eindrücke zusammen. Er will definitiv wiederkommen, wenn die geplante Eisenbahnschnellstrecke zwischen Tel Aviv und Jerusalem fertig gebaut ist. Dann hätte er noch mehr Zeit – und könnte 70 Stunden optimal nutzen. Oder länger bleiben.

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